Vergleichende bakteriologische Untersuchungen zur Zusammensetzung der Atemwegsflora bei Delphinen (Tursiops truncatus) in verschiedenen Haltungssystemen.
Comparative microbiological investigation on the composition of the respiratory flora in bottlenose dolphins (Tursiops truncatus) in different husbandry systems.
Dissertation
222 Seite
Institut für Mikrobiologie und Tierseuchen, Tierärztliche Hochschule Hannover
Prof. Dr. Gerlind Amtsberg
Zoo Duisburg
Zusammenfassung:
Anliegen dieser Arbeit war es, aufgrund des gehäuften Auftretens von respiratorischen Erkrankungen bei Delphinen, die Zusammensetzung der aeroben Atemwegsflora von sieben Großen Tümmlern (Tursiops truncatus) in Menschenhand qualitativ zu untersuchen. Für eine gezielte Auswertung von Blaslochproben ist es notwendig abzuklären, welche Mikroorganismen zur Normalflora des Respirationstraktes der Großen Tümmler zu rechnen sind. Ein schnelles Erkennen von Verschiebungen innerhalb der Respirationsflora macht das Erstellen von Basisdaten für jedes Individuum unabdingbar. Zu den eigenen Ergebnissen wurden Aufzeichnungen aus früheren Untersuchungen sowie die Literatur mit den wichtigsten Keimgruppen ergänzend ausgewertet. Um einen Einfluss auf die aerobe Atemwegsflora durch das Haltungssystem herauszufinden, wurden parallel Proben aus dem jeweiligen Beckenwasser mikrobiologisch untersucht.
Die Untersuchungen wurden an insgesamt sieben Großen Tümmlern (fünf Tiere aus artifiziellem Seewasser und zwei Tiere aus Chlorwasser) verschiedenen Alters und unterschiedlichen Gesundheitszustandes durchgeführt. Von fünf Tieren wurden über einen Zeitraum von acht Monaten Blasproben über das sogenannte "medical behaviour training" entnommen. In 38 Untersuchungsreihen konnten insgesamt 231 Bakterien- und Pilzstämme aus dem Respirationstrakt nachgewiesen werden. Dabei wurden 46 verschiedene Bakterien- und fünf verschiedene Pilzarten differenziert. Von der im Chlorwasser gehaltenen Gruppe wurden über einem Zeitraum von 3,5 Monaten entsprechende Blasproben entnommen. In 12 Untersuchungsreihen konnten hierbei insgesamt 54 Bakterien- und Pilzstämme aus dem Respirationstrakt nachgewiesen werden. Dabei wurden 12 verschiedene Bakterien- und zwei unterschiedliche Pilzarten differenziert. Anschließend wurden diese zwei Tiere in artifiziellem Seewasser gehalten. Auch in diesem Haltungssystem wurde die Respirationsflora der Tiere mit der gleichen Methodik untersucht. Dabei kamen in einem Zeitraum von fünf Monaten in 17 Untersuchungsreihen insgesamt 116 Bakterien- und Pilzstämme aus dem Respirationstrakt zum Nachweis, die sich auf 31 Bakterien- und zwei Pilzarten verteilten.
Im Vergleich zum Archivmaterial ergaben die eigenen Untersuchungen ein deutlich breiteres Spektrum an Mikroorganismen. Es entstand der Eindruck, dass bestimmte Bakterienarten wie Staphylococcus delphinverdächtige Stämme erst durch die eingesetzte Methode aus den Blasproben erfasst wurden. Der Hauptanteil der aus den Blasproben nachgewiesenen Bakterienspezies wurde unregelmäßig kultiviert und muss somit der transienten Mikroflora zugeordnet werden. Zwischen zwei bis fünf Arten (Staphylococcus delphinverdächtige Stämme, Corynebacterium accolens, Escherichia coli, Vibrio alginolyticus u. Candida albicans) ließen sich tendenziell der Normalflora des Respirationstraktes zuteilen. Nur Staphylococcus aureus war bei allen sieben Großen Tümmlern regelmäßig anzutreffen und somit zur residenten Mikroflora zu rechnen.
Von den zuvor genannten Spezies werden Staphylococcus aureus, Vibrio alginolyticus, Escherichia coli sowie Candida albicans als mögliche potentielle Infektionserreger für Atemwegserkrankungen angesehen. Zusätzlich werden als mögliche Infektionserreger Photobacterium damselae, Proleus sp., Klebsiella sp., Pseudomonas aeruginosa, Shewanella putrefaciens, Aspergillus spp. und andere angesehen. Grundsätzlich zeigte sich eine individuell unterschiedliche Nachweishäufigkeit von den jeweiligen Spezies, die von vereinzelt bis häufig reichte. Post mortem wurden als Infektionserreger unter anderem Clostridium perfringens, Arcanobacterium pyogenes, Pseudomonas aeruginosa und Pseudomonas fluorescens aus dem Mediastinalabszess eines der untersuchten Großen Tümmler nachgewiesen.
In einigen Fällen konnte das Beckenwasser und/oder der Futterfisch als mögliche Ursprungsquelle für die aus den Blasproben diagnostizierten Spezies angesprochen werden. Dazu zählten beispielsweise Vertreter der Genera Aeromonas, Corynebacterium, Escherichia, Photobacterium, Pseudomonas, Shewanella, Staphylococcus und Vibrio. Als weitere Eintragsquellen von Mikroorganismen müssen zum Teil die Delphine selbst angesehen werden. Dazu zählen klinisch unauffällige Trägertiere, die in dieser Untersuchung für Candida albicans bzw. Staphylococcus delphinverdächtige Stämme identifiziert werden konnten. Trotz gezielter Untersuchung konnten Mycoplasmen spp. und Haemophilus spp. aus den Blasproben nicht nachgewiesen werden.
Deutliche Unterschiede wurden bei dem Vergleich der respiratorischen Mikroflora von zwei untersuchten Großen Tümmlern nach dem Wechsel in ein anderes Haltungssystem gesehen. Aufgrund der geringen Probandenzahl waren keine allgemeingültigen Aussagen über einen Einfluss auf die respiratorische Mikroflora durch das Haltungssystem zu treffen. Doch die festgestellten Verschiebungen in der Keimflora und die Angleichung der Bakterien- und Pilzflora wurden in diesen beiden Fällen höchstwahrscheinlich durch den Wechsel des Wassersystems hervorgerufen. Neben einem Anstieg im Spektrum der respiratorischen Mikroflora nach dem Haltungswechsel in artifizielles Seewasser kam es zu einer Steigerung im Spektrum der Staphylokokken-Arten. Während der Haltung im Chlorwasser wurden bei den zwei Großen Tümmlern weder Vertreter der Enterobacteriaceae noch Spezies der Pseudomonadaceae vorgefunden, an gramnegativen Bakterien erfolgte ausschließlich ein Nachweis von Vibrionaceae. Erst nach dem Haltungswechsel ins artifizielle Seewasser waren neben Vibrio alginolyticus, auch Escherichia coli- und Pseudomonas aeruginosa- Stämme nachweisbar. Während der Haltung im Chlorwasser wurden aus den Blasproben deutlich mehr Pilze nachgewiesen als während der Haltung im artifiziellen Seewasser. Parallele Untersuchungen des Beckenwassers ergaben in dem biologischen Haltungssystem ein relativ breites Spektrum an grampositiven und gramnegativen Bakterien. Hingegen konnten aus dem Chlorwasser weder Bakterien noch Pilze nachgewiesen werden.
Die vorliegende Studie ergab für jeden Großen Tümmler eine individuelle Zusammensetzung der aeroben Atemwegsflora. Diese jeweiligen Basisdaten ermöglichten erst eine tendenzielle Zuordnung der Mikroorganismen zur residenten und transienten Mikroflora.
Abstract:
As respiratory tract diseases are quite frequent in marine mammals, the purpose of this study was to investigate the qualitative composition of the aerobic respiratory flora of seven bottlenose dolphins (Tursiops truncatus) kept in human care. To evaluate blowhole samples it is necessary to know which organisms belong to a normal respiratory flora. Individual baselines are crucial to recognize early distributions in the microbiological flora. Data from earlier studies as well as Iiterature dealing with the main bacterial groups were evaluated in addition to the own results. Results were compared from dolphins kept in chlorinated water and from those kept in artificial seawater, in order to find out if there is an influence of the respiratory flora due to husbandry conditions.
Seven bottlenose dolphins of various ages, sex and different health status were investigated (five animals living in artificial seawater and two animals Iiving in chlorinated water). Blowhole samples were taken from five dolphins during medical behaviour training for a period of eight month. In 38 follow up investigations a total of 231 microorganisms of the respiratory tract were identified including 46 different bacteria species and five different fungus species. From the group kept in chlorinated water equivalent blowhole samples were taken for three and a half months. During twelve follow up investigations a total of 54 microorganisms of the respiratory tract were identified including twelve different bacteria species and two different fungus species. Subsequently these two animals changed the husbandry system. Now in the same procedure from these two dolphins the respiratory flora could get investigated during the husbandry in artificial seawater. During 17 follow up investigations for a period of five months a total of 116 microorganisms were identified including 31 different bacteria species and two different fungus species.
This result showed a much higher spectrum of microorganisms than previous studies in these dolphinaria. At all appearance special bacteria like Staphylococcus delphini suspected species were only recognized by the help of a known smearing technique that was used for the first time at blowhole samples. The biggest part of the identified bacterial species that were taken from the blowhole samples were not regularly cultivated and had to be classified as transient flora. Between two and five species (Staphylococcu.s delphini suspected species, Corynebacterium accolens, Escherichia coli, Vibrio alginolyticus and Candida albicans) were classified as normal flora of the respiratory tract. Only Staphylococcus aureus was regularly identified in the respiratory flora of each investigated bottlenose dolphin and had to be classified as resident flora. Staphylococcus aureus, Vibrio alginolyticus, Escherichia coli and Candida albicans were identified as a cause of infectious diseases in the respiratory tract. In addition Photobacterium damselae, Proteus sp., Klebsiella sp., Pseudomonas aeruginosa, Shewanela putrefaciens and Aspergillus sp. were discussed as potential infectious agents. Basically, the isolationrate of bacterial species appeared to be different from case to case, ranging from low to high. Post mortem organisms like Clostridium perfringens, Arcanobacterium pyogenes, Pseudomonas aeruginosa and PseudomoruJS fluorescens were identified in a mediastinal abscess of one bottlenose dolphin at necropsy.
In some cases the water and/or the fish they fed on could be a possible source for the identified microorganisms. These were species from genera like Aeromonas, Corynebacterium, Escherichia, Photobacterium, Pseudomonas, Shewanella, Staphylococcus and Vibrio. Another possible source were the dolphins themselves. In this study asymptomatic carrier of Candida albicans and Staphylococcus delphini suspected species were identified. Even specific investigations could not get Mycoplasms or Haemophilus species identified by the blowhole samples.
After a change into another husbandry system there were clear differences in the respiratory flora of the two dolphins. It was impossible to make generally accepted statements but the change in the respiratory flora was discussed with possible influences by the husbandry system. Next to an increase of the respiratory microorganism spectrum an increase of Staphylococcus species was recognized. During the husbandry in chlorinated water there were not identified species of Enterobacteriaceae or Pseudomonadaceae of the blowhole samples. Only Vibrionaceae was cultured as Gram-negative bacteria. After the change in artificial seawater there were established species like Vibrio alginolyticus, Escherichia coli and Pseudomonas aerugionsa. Husbandry in chlorine water showed more fungus species cultured from blowhole samples than dolphins kept in artificial seawater. Parallel analysis of water samples showed a relatively broad spectrum of Gram-positive and Gram-negative bacteria in the biological water system, whereas no bacteria nor fungi were isolated from the chlorinated system.
This study showed an individual composition of the aerobe respiratory tract flora for each bottlenose dolphin. This data permitted only a tendential attribution of the Microorganisms to the resident or the transient respiratory tract flora.
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