FISCHER, N. (2009)

Die Beziehungen der Jungtiere in der Elefantengruppe des Kölner Zoos.

Examensarbeit

71 Seiten.

Zoologisches Institut Universität zu Köln.
Betreuung: T. Ziegler, E. Schierenberg
Kölner Zoo

Zusammenfassung:

Das Ziel der vorliegenden Arbeit war, ein umfangreiches Bild von den sozialen Beziehungen der Jungtiere in der Elefantenherde des Kölner Zoos zu gewinnen. Dies geschah im Hinblick auf drei Aspekte: die Mutter-Jungtier-Beziehungen, die Beziehungen zu anderen erwachsenen Kühen und die Beziehungen zu den anderen Jungtieren. Besonderen Anlass dazu gab nicht nur die Tatsache, dass die Jungtiere bei bisherigen Studien kaum in die Analysen einbezogen wurden, sondern auch die Geburt eines neuen Jungtiers im Beobachtungszeitraum. Die Elefantengruppe wurde über einen Zeitraum von insgesamt acht Wochen mithilfe zweier verschiedener Methoden beobachtet. Das „focal animal sampling“ diente zum Erfassen der Verhaltensweisen, das „scan sampling“ [Martin & Bateson 1993] zum Erfassen der jeweils nahestehenden Individuen. Zur Charakterisierung der Beziehungen wurde der von Steinig (2009) eingeführte Parameter X2 übernommen und leicht modifiziert zur Bestimmung von Beziehungsintensitäten genutzt. In dem komplexen Beziehungsgefüge konnten sowohl individuelle Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten aufgezeigt werden. Die Mutter-Jungtier-Beziehungen waren entgegen den Erwartungen nur in zwei der vier Fälle die engsten, während die anderen beiden Jungtiere engere Beziehungen zu nicht-verwandten Kühen aufwiesen. Dies war vor allem hinsichtlich des Neugeborenen ungewöhnlich, kann aber auch mit der sozialen Stellung seiner Mutter innerhalb der Herde zusammenhängen. Gemeinsam war allen Mutter-Jungtier-Beziehungen das Fehlen jeglicher agonistischer Verhaltensweisen, sowie eine deutliche Diskrepanz zwischen aktiven und passiven Verhaltensweisen. Durch einen Vergleich zwischen vor und nach der Geburt konnte ein Trend aufgezeigt werden, demzufolge die Beziehungen zwischen Jungtieren und ihren Müttern an Intensität abgenommen haben, was zum einen durch die veränderte Gruppenkonstellation und zum anderen durch die starke Konzentration der gesamten Herde auf das Neugeborene zu erklären ist. Geschlechtsspezifische Unterschiede hinsichtlich des Saugverhaltens oder schnellerer Unabhängigkeit des jungen Bullen konnten nicht bestätigt werden.

Im Hinblick auf „allomothering“ konnte gezeigt werden, dass das Neugeborene im Zentrum der Aufmerksamkeit der Herde steht und unter den Jungtieren die ausgeprägtesten Beziehungen zu den erwachsenen Kühen hat. Besonders die beiden nicht-verwandten Kühe Maejaruad und Kreeblamduan, sowie die Halbschwester Maha Kumari behandelten das Neugeborene mit großer Fürsorge. Für die beiden noch nachwuchslosen Kühe können als Gründe für ihr Verhalten sowohl das Einüben der Mutterrolle als auch die Erwartung von Reziprozität angenommen werden. Für die Halbschwester Maha Kumari kann vermutet werden, dass sie die Verwandtschaft zum Neugeborenen anhand der Witterung wahrnimmt und so eine besondere Beziehung zu ihm ausbildet. Das Alter der Kühe hatte keinen signifikanten Einfluss auf deren Fürsorgeverhalten gegenüber dem Neugeborenen. Eine weitere wesentliche Beobachtung war die Tatsache, dass das Neugeborene auch noch von einer anderen Kuh (Tong Koon) gesäugt wurde. Dieser Umstand ist unter natürlichen Bedingungen eher selten, da das Säugen mit enormen Kosten für die Kühe verbunden ist, kann aber in diesem Fall wohl auf die besonderen Umweltbedingungen des Zoos zurückgeführt werden. Bezüglich des Spielverhaltens innerhalb der Jungtiergruppe konnten geschlechtsspezifische Unterschiede aufgezeigt werden, die zum einen auf den Sexualdimorphismus der Elefanten und zum anderen auf deren unterschiedliche Lebensweise im Erwachsenenalter hinweisen. Weiterhin wurde gezeigt, dass die Beziehungen zwischen den Jungtieren eine sehr große Bedeutung in deren Sozialisationsprozess haben und in der Regel deutlich ausgeprägter sind als die Beziehungen zu den erwachsenen Kühen. Als Fazit lässt sich somit folgendes festhalten: Im Hinblick auf die gesamte Untersuchung konnte ein komplexes Bild von den Beziehungen der Jungtiere in ihrer Herde gewonnen werden. Es konnten Spezifika in den Beziehungen zu den Müttern, zu den anderen erwachsenen Kühen und zu den Jungtieren aufgezeigt werden. Die Beziehungen der Jungtiere sind in erheblichem Maße als positiv zu werten, denn wie gezeigt wurde, funktioniert das „Patchwork“ trotz fehlender verwandtschaftlicher Verhältnisse. Dies äußert sich besonders im Verhalten der Weibchen, die das Neugeborene mit besonderer Hingabe umsorgen, obwohl oder gerade weil sich die Mutter weniger um das Neugeborene kümmert als erwartet.

Weiterhin konnte der Effekt der Geburt auf die jeweiligen Beziehungen zumindest annäherungsweise erarbeitet werden. Mängel in den Vergleichen entstanden zum einen durch die ungleiche Menge an Daten in den beiden Zeiträumen vor und nach der Geburt,so dass im Rückblick ein längerer Beobachtungszeitraum vor der Geburt wünschenswert gewesen wäre. Weiterhin wurden durch die ungleiche Gruppenkonstellation vor und nach der Geburt einige der Vergleiche unmöglich gemacht. Dieser Umstand verweist darauf, dass bei Fallstudien mit lebenden Tieren im Gegensatz zu mancher Laborarbeit, nicht alle Faktoren planbar sind bzw. die Bedingungen nicht immer konstant gehalten werden können. Weiterführende Fragen, die sich aus der vorliegenden Arbeit ergeben, könnten in nachfolgenden Studien beantwortet werden. So wäre es beispielsweise interessant, die Integration des Neugeborenen in die Jungtiergruppe über einen längeren Zeitraum zu beobachten oder den Effekt dieser Geburt mit dem einer weiteren Geburt zu vergleichen. Insgesamt bleibt die Forschung an der Elefantengruppe des Kölner Zoos also eine interessante und aufschlussreiche Arbeit, die mit weiteren Studien sicherlich noch vertieft werden kann.

 

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