GUSSEK, I. R. (2016)

Studien zur Ernährung von Giraffen (Giraffa camelopardalis) in Zoohaltung: Bewertung der Fütterungspraxis und Charakterisierung von Rationen aus europäischen Zoos.

Nutrition of giraffes (Giraffa camelopardalis) in captivity: Evaluation of feeding practice and analysis of rations in European zoos.

Dr. agr. Dissertation

Institut für Tierwissenschaften Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (Referent: Prof. Dr. Karl-Heinz Südekum)
ZOOM Gelsenkirchen (W.-D. Gürtler) und weitere Zoos

iv + 114 Seiten, 24 Tabellen, umfangreiches Literaturverzeichnis, Anhang

Volltext (PDF)

Zusammenfassung:

Die Ernährung von Giraffen im Zoo stellt im Vergleich mit anderen Pflanzenfressern eine besondere Herausforderung dar. Giraffen sind Laub fressende Wiederkäuer und haben Anpassungen entwickelt, die eine optimale Aufnahme, Zerkleinerung und Verdauung von Laub als bevorzugter Nahrung ermöglichen. Unter Zoobedingungen ist Laubfütterung nur begrenzt möglich. Rationen enthalten deshalb vor allem Futtermittel, die den Eigenschaften von Laub in unterschiedlichem Ausmaß ähneln, was eine passende Kombination in der Rationsgestaltung erfordert. Fütterungsempfehlungen geben Hilfestellung bei der Realisierung einer artgerechten Fütterung, jedoch zeigen sich in der Praxis Unterschiede in der Akzeptanz der Empfehlungen. Auch bestimmte Anzeichen und Erkrankungen bei Zoogiraffen weisen darauf hin, dass die Fütterung nicht immer der guten fachlichen Praxis entspricht. Über den vorhandenen Wissensstand hinaus galt es deshalb herauszufinden, welche Auswirkungen unterschiedliche Rationen auf Giraffen in Zoos haben, und ob sich daraus Verbesserungspotential für die Fütterung erschließt.

Datengrundlage dieser Studie war zum einen eine Umfrage unter den Mitgliedszoos des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms für Giraffen. Der Stand der Fütterungspraxis wurde erfragt und Unterschiede zwischen den Zoos, generelle Entwicklungen der letzten zehn Jahre und der Grad der Übereinstimmung mit den Fütterungsempfehlungen evaluiert. Zum anderen wurden in zwölf deutschen Zoos Daten zur Rationszusammensetzung und Futtermittelqualität erhoben. Die Ergebnisse wurden zusammen mit zusätzlich generierten Daten zu ernährungsspezifischen Tiervariablen genutzt, um Erkenntnisse über die Auswirkungen der Rationsgestaltung auf Giraffen zu gewinnen.

Die Ergebnisse zeigten eine ausgeprägte Variabilität der Fütterungspraxis, mit Abweichungen von den Empfehlungen in 50 % der Zoos. Verbesserungspotential wurde insbesondere bei der Rationszusammensetzung deutlich. Der Anteil an Konzentrat- und Saftfutter in der Trockenmasse (TM) der Ration betrug regelmäßig mehr als 50 %, was mit einem entsprechend geringen Grobfutteranteil einherging. Fütterungsempfehlungen für Luzerneheu als Grobfutter sowie eine Ergänzung mit pelletiertem Mischfutter, Luzernegrünmehlpellets und Zuckerrübenschnitzeln konnten bestätigt werden. Dennoch zeigte sich besonders bei der Auswahl von Konzentratfutter eine Präferenz für ‚traditionelle‘ stärkereiche Getreideprodukte, trotz ihrer wegen eines sehr raschen ruminalen Abbaus begrenzten Eignung für Wiederkäuer. Die Empfehlung auf Saftfutter zu verzichten, konnte angesichts negativer Auswirkungen auf die Futteraufnahme nur bestätigt und unterstützt werden. Da steigende Konzentratfutteranteile bzw. Energiegehalte in der Ration mit einer abnehmenden TM-Aufnahme der Giraffen verbunden waren, wurde die Regulation der TM-Aufnahme mit besonderem Interesse betrachtet. Eine energiebasierte Futteraufnahmeregulierung wurde angenommen, weil die Giraffen weniger Futter, vor allem Grobfutter, aufgenommen haben als es die Kapazität des Verdauungstrakts erlauben würde. Dies hatte auch Auswirkungen auf das Verhaltensrepertoire der Giraffen. Je höher der Grobfutteranteil der Rationen war, umso mehr Zeit wurde mit Futteraufnahmeaktivität verbracht und desto weniger orale Stereotypien zeigten sich im Beobachtungszeitraum. Es wurde geschlussfolgert, dass eine Anpassung, in der Regel eine Reduzierung der Konzentrat- und Saftfuttermengen Voraussetzung für eine möglichst hohe Grobfutteraufnahme bei Zoogiraffen ist. Der intensive Austausch über die Praxistauglichkeit von Fütterungsempfehlungen könnte die Bereitschaft zur Umsetzung steigern und so eine Verbesserung der Giraffenernährung in europäischen Zoos ermöglichen.

Summary:

Nutrition of giraffes (Giraffa camelopardalis) in captivity: Evaluation of feeding practice and analysis of rations in European zoos Compared to other zoo herbivores, the nutrition of captive giraffes is particularly challenging. They belong to the group of browsing ruminants and developed adaptations which enable optimal ingestion, comminution and digestion of browse as preferred plant material. Because browse as natural forage is restrictedly available in zoos, rations are composed of compensatory feeds, which resemble browse to different degrees and need to be combined in a most convenient way. Feeding recommendations provide appropriate feeding schedules for captive giraffes. Nevertheless, feeding practice in zoos is affected by disunity, and certain nutrition-related phenomena and diseases occur in captive giraffes. Beyond the findings from prior studies on the nutrition of browsing ruminants, it is necessary to evaluate how ration composition affects captive giraffes and whether findings reveal further space for improvement in the nutrition of giraffes in zoos.

In this study, two sources of information were used. First, a survey was conducted in zoos of the European Endangered Species Program of the giraffe to gain comprehensive knowledge on current giraffe feeding practice and its potential variability. Results were analysed focusing on developments in practical feeding during the past decade and on concordance with recommendations. Secondly, documentation periods were executed in twelve German zoos, during which data on ration composition and quality of feedstuffs were generated. Together with additional data on different animal variables, which are known to indicate suitability of feeding, the results were supposed to give insight into the impact of different rations on captive giraffes.

Results revealed considerable variation in feeding practice and some deviation from recommendations in approximately 50% of the zoos. Improvement was particularly possible concerning ration composition, as concentrate feeds and produce (fruits and vegetable) regularly accounted for > 50% of daily dry matter (DM) intake, resulting in a limited intake of forage. Recommendations on preferable forage (lucerne hay) and non-forage feeds (pelleted compound feeds, dehydrated lucerne pellets, unmolassed sugar beet pulp) were confirmed with regard to chemical composition and fermentative characteristics. However, especially with the choice of non-forage feeds, ‘traditional’ starch-based commodities were widely preferred over recommended, more adequate feedstuffs for ruminants. Abandoning produce from giraffe rations was clearly confirmed and supported based on the negative impact of produce on DM and forage intake. As increasing proportions of concentrate and greater dietary energy content lowered DM intake, an energy-related DM intake regulation was assumed in the captive giraffes. Consequently, less DM as possible from gut capacity was ingested, at the expense of forage which was offered for ad libitum intake. This also led to adverse effects on the behaviour pattern of the giraffes. Increasing consumption of forage resulted in more time that was spent with forage intake activity and less occurrence of oral stereotypies during observation periods. In conclusion, the adjustment, most likely reduction of amounts of concentrate feeds and produce in the ration is a precondition to realise the desired high forage intake in captive giraffes. A continuing communication and discussion of feeding recommendations and particularly their practicability may lead to a more widespread and consistent application and thus improvement of giraffe feeding practice in European zoos.

 

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