MATZAT, T., EULENBERGER, K. & MÜLLER, H. (2013)
Beitrag zum Bösartigen Katarrhalfieber bei Wiederkäuern in zoologischen Gärten.
Verhandlungsbericht 32. Arbeitstagung der Zootierärzte im deutschsprachigen Raum, 1.-4. November 2012, Landau.
Zusammenfassung:
Bösartiges Katarrhalfieber (BKF) ist eine unheilbare Viruskrankheit bei Paarhufern. Es gibt unterschiedliche Verlaufsformen und die Empfänglichkeit für die Krankheit variiert von Tierart zu Tierart. Ausgelöst wird sie bei Fehlwirten von so genannten BKF-Viren, von denen bisher 13 verschiedene bekannt sind. Diese gehören zu den Gammaherpesviren und sind eng miteinander verwandt. Sie werden von verschiedenen klinisch gesunden Reservoirwirten latent beherbergt und ausgeschieden. Einige dieser Reservoirwirte sind seit längerem bekannt, andere wurden erst kürzlich identifiziert und es wird vermutet, dass es noch weitere unerkannte Reservoirwirte für BKF-Viren gibt. Hervorzuheben ist, dass die Viren normalerweise eng an ihre Reservoirwirte gebunden sind. Es traten in letzter Zeit jedoch immer wieder Fälle von BKF in zoologischen Gärten auf, bei denen kein Reservoirwirt identifiziert werden konnte, und auch Fälle, bei denen Fehlwirte zwar infiziert waren, aber nicht erkrankten oder das Virus sogar ausschieden. Der Zusammenhang zwischen dem Verhalten der BKF-Viren bei Fehl- und Reservoirwirten und den ungeklärten BKF-Fällen in zoologischen Gärten wurde in der hier vorliegenden Studie näher untersucht. Es sollte herausgefunden werden, ob Wildwiederkäuer, die bisher nicht als Reservoirwirte für BKF-Viren galten, diese Viren – möglicherweise besonders im geburtsnahen Zeitraum - ausscheiden und so eventuell für die oben erwähnten ungeklärten BKF-Fälle verantwortlich waren. Material und Methoden: Für die Studie im Rahmen einer Dissertation wurden Wiederkäuer unter-schiedlicher Arten und Altersklassen aus 11 Wildparks und zoologischen Gärten beprobt. Diese Proben stammten sowohl von Tieren, die routinemäßig untersucht wurden, vor allem zur Kontrolle von Neonaten, als auch von Tieren, die aus anderen Gründen, etwa wegen Behandlungen oder Impfungen, immobilsiert wurden. Dazu wurden jeweils separat von Augen-, Nasen-, und Analschleimhaut Tupferproben genommen. Bei einigen Tieren erfolgte eine zusätzliche Blutuntersuchung. Als Untersuchungsmethode wurde eine Realtime-PCR für die vier BKF-Viren eingesetzt, die am Häufigsten zu BKF führen, in zoologischen Gärten von hoher Relevanz und nachweislich sehr pathogen sind: Alcelaphines Herpesvirus 1 (AlHV-1), Ovines Herpesvirus 2 (OvHV-2), Caprines Herpesvirus 2 (Cp-HV-2) und Malignant catarrhal fever virus–White-tailed deer (MCFV-WTD). Ergebnisse und Diskussion: Wie die Untersuchungsergebnisse zeigen, ist die Verbreitung der hier untersuchten BKF-Viren sehr unterschiedlich. AlHV-1 wurde bei keiner Tierart gefunden. Fehlwirte scheinen also zumindest im geburtsnahen Zeitraum BKF-Viren nicht massiv auszuscheiden. Dennoch darf nicht außer acht gelassen werden, dass Tiere, die momentan AlHV-1 nicht ausscheiden, dennoch latente Träger sein können und möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt Virus ausscheiden. Im Gegensatz dazu wurden das OvHV-2, das CpHV-2 und das MCFV-WTD bei mehreren Tieren festgestellt. Der Nachweis dieser Viren ausschließlich bei Hauswiederkäuern lässt vermuten, dass diese Viren ebenfalls nicht massiv von Wildwiederkäuern ausgeschieden werden. Dennoch ist es möglich, dass die Wildwiederkäuer in dieser Studie latent infiziert waren und nur zu dem Zeitpunkt der Tupferprobenentnahme kein Virus ausgeschieden hatten. Um latente Infektionen auszuschließen sind weitere Blutuntersuchungen nötig. Der Fund von MCFV-WTD bei Ziegen war unerwartet. Bisher war unbekannt, welche Tierart diesem Virus als Reservoirwirt dient. Der Nachweis dieses Virus in der Nasenschleimhaut von Ziegen zeigt, dass diese Tiere das Virus ausscheiden und somit der Reservoirwirt dieses Virus sein könnten. Diesen Sachverhalt gilt es ebenfalls weiter zu untersuchen. Die ungeklärten BKF-Fälle sind vermutlich auf bisher bekannte Reservoirwirte zurückzuführen, vor allem auf Schafe und Ziegen. Die Übertragung der BKF-Viren auf Tiere, die keinen direkten Kontakt zu Reservoirwirten im Zoo hatten, kann auch auf aerogenem Wege erfolgt sein, da BKF-Viren auch über weite Distanzen hinweg und passiv übertragen werden können. Auch können Schafe oder Ziegen außerhalb der Zoos oder längst aus dem Bestand entfernte Reservoirwirte die Viren übertragen haben. Zur Prophylaxe sollte in zoologischen Gärten und Wildparks weiterhin darauf geachtet wer-den, bekannte Reservoirwirte streng getrennt und weit entfernt von empfänglichen Tierarten zu halten und sie auf keinen Fall zu vergesellschaften. Die Einhaltung strenger Hygienevorschriften und der Einsatz unterschiedlicher Pfleger für Reservoir- und Fehlwirte sind ratsam. Um die Anzahl von Reservoirwirten zu minimieren, besteht außerdem die Möglichkeit, Schafe und Ziegen durch Handaufzucht virusfrei aufzuziehen oder ganz auf die Haltung von Reservoirwirten zu verzichten. Bei AlHV-1 ist die Etablierung virusfreier Bestände durch Handaufzucht allerdings nicht möglich, da dieses Virus auch diaplazentar übertragen wird. Bei Neuzugängen oder Vergesellschaftungen von Wiederkäuern aller Art sollten eine strikte Quarantäne und individuelle Beprobung der Tiere durchgeführt werden um festzustellen, ob diese Tiere BKF-Viren ausscheiden oder latent beherbergen. Außerdem können so möglicherweise bisher unerkannte Reservoirwirte identifiziert werden. Bei Auftreten von BKF sollte das erkrankte Tier auf alle der vier hier untersuchten Viren getestet werden. Sind diese Tests negativ, sollte erwogen werden, das Tier mit der cPCR nach zu untersuchen und das PCR-Produkt zu sequenzieren. Denn möglicherweise handelte es sich tatsächlich um BKF, das aber durch ein Virus ausgelöst wird, für das es noch keine spezifische PCR gibt. In diesem Fall könnte durch die Sequenzierung eines ausreichend großen PCR-Produktes das Virus genauer be-stimmt werden und Aufschluss über den Reservoirwirt geben, von dem die Erkrankung ausging.
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