MEYER, S., PUPPE, B. & LANGBEIN, J. (2010)
Kognitive Umweltanreicherung bei Zoo- und Nutztieren Implikationen für Verhalten und Wohlbefinden der Tiere.
Berliner und Münchener Tierarztliche Wochenschrift, 01 Nov 2010, 123(11-12):446-456.
Zusammenfassung:
In freier Wildbahn sind Tiere ständig einer Vielzahl unterschiedlicher Umweltreizeund Herausforderungen ausgesetzt. Sie nutzen sowohl angeboreneVerhaltensstrategien als auch ihre kognitiven Fähigkeiten, um sich flexibel damitauseinanderzusetzen und erfolgreich anzupassen. Zoo- und Nutztiere dagegenleben überwiegend unter stark eingeschränkten Haltungsbedingungen, die nurbegrenzte Möglichkeiten zur adäquaten Befriedigung ihrer vielfältigen Umweltansprüchebieten. Dies kann zu sensorischer und kognitiver Unterforderung führenund Langeweile, Frustration sowie das Auftreten von Verhaltensstörungen begünstigen.Zunächst zur Verbesserung von Haltung und Management gedacht, wurdenverschiedene Formen operanten Verhaltenstrainings erst bei Zoo-, dann auchbei Nutztieren angewandt. Es zeigte sich, dass die wiederholte Erfahrung dererfolgreichen Bewältigung einer gelernten Aufgabe aber auch als Auslöser vonpositiven Emotionen wirkt und zu verbessertem Wohlbefinden führt. Unter demBegriff Kognitive Umweltanreicherung werden derzeit neue Ansätze entwickelt,wie kognitive Herausforderungen in die Haltungsumwelt von Zoo- und Nutztierensinnvoll integriert werden können. Der vorliegende Artikel fasst den aktuellenForschungsstand hierzu zusammen. Aus den wenigen bisherigen Befunden kanngeschlussfolgert werden, dass über die Optimierung einzelner Management- undBetreuungsmaßnahmen hinaus, nachhaltige Verbesserungen im Verhalten unddem Wohlbefinden der Tiere zu erreichen sind. Die Verknüpfung explorativen undappetitiven Verhaltens der Tiere mit erfolgreichem, belohntem Lernen verbessertihre Kontrolle und Vorhersagbarkeit der Umwelt, aktiviert belohnungsrelevanteVerarbeitungsprozesse im Gehirn und kann somit direkt emotionale Bewertungsprozessepositiv beeinflussen. Unter praktischen Gesichtspunkten scheint esdaher vielversprechend, den individuellen Zugang z. B. zu automatisierten FutteroderMelkstationen mit zuvor konditionierten Reizen und/oder sensorischenLernaufgaben zu verbinden. Erste experimentelle Ansätze hierzu bei Rindern,Zwergziegen und Schweinen werden im Artikel dargelegt.
meyer-biblio