Verantwortungsattribution und Verständigungsorientierung. Eine inhaltsanalytische Untersuchung der Krisenberichterstattung am Beispiel des Tiergarten Schönbrunn.
Magisterarbeit Universität Wien.
99 Seiten und 41 Seiten Anhänge. Tabellen, Illustrationen.
Zusammenfassung und Ausblick:
Im Rahmen dieser Magisterarbeit wurde anhand ausgewählter Fallbeispiele mit Hilfe von Inhaltsanalysen untersucht, inwiefern die beiden theoretischen Ansätze der Situational Crisis Communication Theory nach Timothy Coombs und der Verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit nach Burkart et al. (2010) miteinander in Verbindung stehen. Als Fallbeispiele dienten zwei tödliche Unfälle, die sich in den Jahren 2002 und 2005 im Tiergarten Schönbrunn ereigneten. Diese wurden gewählt, da sie eine interessante Schuldfrage aufwerfen und somit eine Herausforderung für die Theorie der SCCT darstellen. Als Untersuchungsmaterial dient die Berichterstattung zu den Fällen in den Tageszeitungen Kronen Zeitung, Kurier, Der Standard und Die Presse. Um auf die forschungsleitenden Fragestellungen und die spezifischen Rahmenbedingungen der Fallbeispiele eingehen zu können, wurde ein eigenes Instrumentarium entwickelt, das dem Vorbild des von Burkart, Rußmann und Grimm (2010) entwickelten Verständigungsorientierungsindex folgt. Die Krisensituationen im Tiergarten Schönbrunn stellen keine Konflikte dar, in denen sich zwei konkurrierende Parteien begegnen, weshalb nur drei der vier Indikatoren des VOI für die vorliegende Arbeit von Bedeutung sind. Aus diesem Grund wurde eine adaptierte Version des VOI angewendet, die ausschließlich Zweifelartikulation und das Hervorbringen von Begründungen und Lösungsvorschlägen berücksichtigt. Um diesen angepassten VOI mit der Theorie der SCCT in Verbindung bringen zu können, wurde das Untersuchungsmaterial zunächst mit Hilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse untersucht. Das Ergebnis zeigte, dass sich die gewählten Fallbeispiele aufgrund ihrer spezifischen Besonderheiten nicht eindeutig in eine der von Coombs vorgeschlagenen Krisentypen einordnen lassen. In einem zweiten Schritt wurde eine quantitative Analyse vorgenommen, durch die der Wert des adaptierten VOI ermittelt werden konnte. Im ersten Fall beträgt der Gesamt-VOI 6,22, im zweiten Fall deutlich höhere 18,69. In Anlehnung an das Modell des VOI wurde ein Instrument entwickelt zur Berechnung eines Index für die SCCT. Dieser setzt sich aus der Kategorisierung der Strategien und ihrer Ausprägungen zusammen. Der Wert ist also umso höher, je öfter Strategien angewendet werden und je höherwertig diese sind. Das bedeutet Strategien, die für Krisen mit hoher Verantwortungsattribution zugeschnitten sind, erhöhen den Wert. Die Korrelationsberechnungen zeigten, dass kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen dem VOI und dem Index der SCCT im Untersuchungsmaterial nachgewiesen werden konnte. Es zeigt sich lediglich eine sehr geringe Korrelation zwischen der Anwendung von Strategien der SCCT und dem Hervorbringen von Lösungsvorschlägen, die jedoch aufgrund der fehlenden Korrelation zwischen dem Index der SCCT und dem Gesamt-VOI nur als Tendenz angesehen wird. Aufgrund der Besonderheiten der Fallbeispiele konnte kein Zusammenhang zwischen den beiden grundlegenden theoretischen Konzepten bestätigt werden. Die Untersuchung bietet jedoch einen Denkanstoß für mögliche weitere Forschungen auf diesem Gebiet. Die Widersprüchlichkeit zwischen der Typisierung der Krisen und den angewandten Strategien lässt Zweifel an Coombs‘ Empfehlungen aufkommen und führt zu der Annahme, dass höherwertige Strategien auch bei Krisen mit geringer Verantwortungsattribution eine Minimierung des Reputationsschadens bewirken könnten. Außerdem lässt sich aus den Fallbeispielen erkennen, dass bei einer vorbelasteten Krisengeschichte verstärkt auf verständigungsorientierte Kommunikation gesetzt wurde. Diese Beobachtungen stellen nicht nur interessante Ausgangspunkte für etwaige weitere Forschungen dar, sondern könnten auch für die PR-Praxis von Bedeutung sein.
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