Elefantenspitzmäuse - die kleinen Verwandten der Elefanten?
Zeitschrift des Kölner Zoos 32, Heft 3: 135-147.
Zusammenfassung:
Die Biologie von Elefantenspitzmäusen oder Rüsselspringern ist seit ihrer Erstbeschreibung im Jahr 1800 nach wie vor faszinierend und es gibt immer wieder neue Aspekte, die sich der Wissenschaft erschließen. Zum Beispiel bevorzugt man zunehmend die Bezeichnung Rüsselspringer oder das aus dem englisch-sprachigen Raum übernommene Wort Sengi, um taxonomische Missverständnisse zu umgehen. Tatsächlich sind die Rüsselspringer trotz ihrer oberflächlichen Ähnlichkeit weder mit Spitzhörnchen noch mit Spitzmäusen verwandt. Man entdeckte vielmehr erstaunlich viele molekulargenetische, aber auch morphologische Gemeinsamkeiten mit sehr ungewöhnlichen Säugetieren, die vor allem ihr afro-arabischer Ursprung verbindet. Man fasste diese in der Überordnung Afrotheria zusammen, zu denen auch die Elefanten gehören. Fossile Funde von Macrosceliden stammen aus dem Eozän. Seit etwa 38 Millionen Jahren gibt es zwei Unterfamilien. Zu den Macroscelidinae gehören die Gattungen Elephantulus mit 11 Arten sowie Macroscelides und Petrodromus mit je einer Art. Zur zweiten Unterfamilie Rhynchocyoninae gehört nur die Gattung Rhynchocyon mit 4 Arten. Erst 1956 erhob man die frühere Familie Macroscelididae in ihre eigene Ordnung Macroscelidea.
Die meisten Rüsselspringer leben im südlichen Afrika, einige auch im Osten des Kontinentes, aber nur eine Art gibt es in Nordafrika. Sie bewohnen Steppen, Savannen und Halbwüsten, halten sich am liebsten auf felsigem Terrain auf. Vor allem hynchocyon und Petrodromus bevorzugen dichte Wälder. Sie ernähren sich von Insekten und anderen Wirbellosen, aber auch von Früchten und Samen. Rüsselspringer sind hauptsächlich tagaktiv. Die kleineren Rüsselspringer wiegen zwischen 35 und 85 g bei einer Kopf-Rumpf-Länge von 9 bis 15 cm, das Rüsselhündchen – Rhynchocyon – kann bis zu 29 cm lang und 700 g schwer werden.
Auffällig bei allen Rüsselspringern ist die verlängerte, sehr bewegliche Schnauze, die einem Rüssel ähnelt. Ebenso fallen die großen Augen und Ohren auf. Männchen und Weibchen unterscheiden sich nicht, mit Ausnahme von Rhynchocyon, wo das Männchen verlängerte Eckzähne hat. Rüsselspringer zeigen einige morphologische und physiologische Besonderheiten, beispielsweise innen liegende Hoden in der Nähe der Nieren, die Lage des Penis in der Bauchmitte, Polyovulation und eine Art Menstruation. Sie sind in der Lage, sich durch Absenken ihrer Körpertemperatur (Torpor) an Umweltbedingungen anzupassen. Duftdrüsen an verschiedenen Körperstellen dienen der Verständigung untereinander.
Rüsselspringer leben in Paaren monogam oder einzelgängerisch. Ihr soziales System ist in etwa vergleichbar mit dem kleiner Antilopen, wo das Männchen sich nicht dauerhaft in der Nähe des Weibchens aufhält, aber das Territorium verteidigt. Es beteiligt sich auch nicht an der Jungenaufzucht. Es werden artspezifisch 1– 4 Jungtiere geboren, die kleineren Rüsselspringer artenabhängig nach einer Tragzeit von 57 – 75 Tagen. Sie sind Nestflüchter. Eine Ausnahme bilden die Rüsselhündchen, die schon nach 42 Tagen etwas weniger entwickelt zur Welt kommen und als einzige ein Nest bauen
Im Hinblick auf Artenschutz sind nur für Rüsselhündchen verschiedene Gefährdungsstufen angegeben, die anderen Arten gelten nicht als bedroht. Seit 1958 wurden hin und wieder verschiedene Rüsselspringer-Arten in deutschen Zoologischen Gärten gehalten. Aber erst 1988 gelang mit einer regelmäßigen Nachzucht vom Kurzohr-Rüsselspringer im Zoo Wuppertal der Durchbruch. Der Zoo Köln konnte 2008 Rotbraune Rüsselspringer erwerben, die nun einzigartig in europäischen Zoos sind. 2009 gelang hier die Europäische Erstzucht. Rüsselspringer sind attraktive Pfleglinge in Zoologischen Gärten, da sie tagaktiv und wenig scheu sind.
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