REITER, S. (2010)

Effects of positive reinforcement training on stereotypic behavior in Giraffes (Giraffa camelopardalis).

Masterarbeit

79 Seiten

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Institut für Naturschutz und Biodiversitätsmanagement, Universität Wien
Leitung: Ao. Prof. Dr. Kurt Kotrschal
Tiergarten Schönbrunn

Zusammenfassung:

Stereotypien sind ein typisches Zeichen für ein schlechtes mentales Wohlbefinden bei Tieren, die in Gefangenschaft gehalten werden. Sie variieren stark in ihrer Intensität und Ausprägung. Suboptimale Haltung und schlechte Umweltbedingungen können als Grund für schlechtes mentales Wohlbefinden solches Verhalten auslösen, oder – soweit schon vorhanden – verstärken. Tieren in Gefangenschaft fehlt im Normalfall die Möglichkeit die ganze Bandbreite an Verhaltensaspekten ihrer Art auszuleben. Sie müssen zum Beispiel nicht aktiv nach Nahrung oder Geschlechtspartnern suchen oder Fressfeinde vermeiden. Bei den meisten Arten werden arttypische Verhaltensweisen, der Drang ein Territorium zu etablieren oder sich Nahrungsquellen oder bestimmte Gebiete gegen Andere abzusichern von Tierpflegern oder der Anlagenbeschaffenheit eingeschränkt. Diese Einschränkung des normalen Verhaltensspektrums hat oft negative Auswirkungen auf das Verhalten eines Tieres: Probleme im Sozialverhalten, repetitives Verhalten, Langeweile, selbstdestruktives Verhalten etc. können daraus resultieren. Stereotypien sind
verkümmerte Ausdrücke von Verhaltensweisen, die aufgrund der Lebensumstände in Gefangenschaft nicht in ihrer vollen Bandbreite ausgelebt werden können.
Um dieses Fehlen von adäquaten mentalen Stimuli – die für einen stabilen mentalen Zustand notwendig wären – auszugleichen, werden verschiedenste Arten von Enrichment und Training angeboten. Zusätzlich dazu sollten Tiere von ihren Tierpflegern die Möglichkeit erhalten, ihre Umwelt aktiv zu beeinflussen. Dadurch können stereotypes Verhalten, Stress, Angst und aggressives Verhalten reduziert werden (Laule & Desmond, 1993). Diese Studie befasste sich im Detail mit den Effekten von Training mit positiver Verstärkung auf die vier Giraffen im Zoo Schönbrunn, Wien im Jahr 2010. Verschiedene Verhaltensaspekte, hauptsächlich Stereotypien, wurden an Trainingstagen und Nichttrainingstage analysiert. Ich
erwartete dass Stereotypien an Nichttrainingstagen und vor Training intensiver ausgelebt werden. Eine Reduzierung von stereotypem Verhalten wurde als Verbesserung des geistigen Wohlbefindens betrachtet.
Die Ergebnisse zeigen, dass das Training zwar als Kurzzeiteffekt orale Stereotypien verringert, dafür aber lokomotorische Stereotypien verstärkt. Das Ablecken futterfremder Objekte (Licking) hat sich bei drei der vier Giraffen verringert, während stereotypes Hin- und Herlaufen (Pacing) sich bei drei von vieren verstärkt hat. Vermutlich hat die Art der Durchführung des Trainings einen Stimulus für vermehrte Zungenaktivität geboten, aber im gleichen Moment die Bewegungsfreiheit innerhalb des Stalles so eingeschränkt, dass diese Verschiebung zustande kam. Wetter beeinflusste stereotypes Verhalten zusätzlich: Pacing verstärkte sich an Tagen mit schlechtem Wetter. Der Umzug des jungen Männchens nach Italien führte auch zu Veränderungen des Verhaltens bei der Gruppe: Pacing und Licking reduzierten sich bei zwei Giraffen, während sich bei einer das Licking verstärkte. Veränderungen im Tagesablauf und Reduzierung von Langzeitstress könnten hierfür die Ursache sein. Insgesamt haben Stereotypien nur einen kleinen
Prozentsatz des täglichen Verhaltensspektrums der vier Giraffen ausgemacht.

Abstract:

Stereotypies are a typical sign of poor mental well-being in captive animals and vary broadly in their expression and intensity. Suboptimal housing and environmental factors as a cause of poor mental well-being can induce or enforce such behavior. Animals in captivity usually lack the possibility to display the whole variety of actions that belong to the natural behavioral pattern of their species. For example, they do not have to search for food and mating partners actively and do not have to avoid predators. In most animals, normal activity patterns, the urge to establish a territory or to monopolize food or special areas are reduced either by the facilities or keeper
intervention. This restriction of their normally broad spectrum of activities often has negative effects on the animal’s behavior: problems in social behavior, repetitive behaviors, boredom, selfdestructive behavior etc. can be the result. Stereotypies are expressed as dwarfed attempts to express certain behaviors that can not be shown in that form due to the life conditions in captivity. To compensate for this lack of adequate mental stimulation, which is necessary for a stable state of mind, different kinds of environmental enrichment, training, and the animal’s ability to influence and interact with their environment should be provided by keepers and trainers.
Stereotypic behavior, shyness, stress and aggressive behavior can thus be reduced (Laule & Desmond, 1993). This study took a close look at the effects of positive reinforcement training on the four Giraffes at the Vienna Zoo Schönbrunn in 2010. Several behavioral aspects, mainly stereotypies, were analyzed on training days and non-training-days. I hypothesized that stereotypies would be more intense on non-training-days and before training. A reduction of stereotypy was regarded as an
increase in mental well-being. The results show that training reduced oral stereotypies but triggered locomotor stereotypies as a short time effect: Licking non food objects was reduced in three of the four giraffes, whereas pacing was increased in three of the four. The training setup probably provided stimulus to tongue
2 movement due to treat access but restricted moving attempts inside the indoor enclosure, thus resulting in the shift. Bad weather affected stereotypic behavior negatively by enhancing walking and pacing. The departure of the youngest male also led to changes in the behavioral pattern: pacing and licking were reduced for two giraffes, while licking was increased for one animal. Differences in daily
activity and reduction of long term social stress can be the reasons for this. Overall, stereotypies made up only a minor percentage of the daily behavioral/activity pattern of the four giraffes.

 

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