Einfluss kognitiver Aufgaben und Video-Enrichments auf das Wohlbefinden der Orang-Utans und Schimpansen im Heidelberger Zoo.
Wissenschaftliche Arbeit für das Lehramt am Gymnasium im Hauptfach Biologie
98 Seiten + 37 Seiten Anhänge
Fakultät für Biowissenschaften an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Leitung: Prof. Dr. Thomas Braunbeck un d Dr. Vanessa Schmitt
Zoo Heidelberg
Zusammenfassung:
Bis heute ist die Institution „Zoo“ in der Gesellschaft ein kontrovers diskutiertes Thema. Einerseits erfüllen Tierparks und zoologische Gärten wichtige Aufgaben bezüglich des Artenschutzes, sind in der einzigartigen Lage, die Öffentlichkeit auf diesbezügliche Probleme aufmerksam zu machen und bieten Raum, diverse Forschungsansätze zu verfolgen. Andererseits wird – insbesondere bezüglich der Menschenaffen – häufig kritisiert, dass Tiere in Gefangenschaft nicht ihren natürlichen Bedürfnissen angemessen leben können. Räumliche Begrenztheit, eingeschränkte Kontrolle über die eigene soziale und physikalische Umwelt sowie mangelnde geistige Forderung sind Aspekte, welche dabei vorgebracht werden. Aufgrund der massiven Eingriffe des Menschen in den Lebensraum vieler Tiere, wie den der Orang-Utans und Schimpansen, ist deren Haltung in Zoos heute allerdings zum Teil unabdingbar geworden. Daher sind zoologische Einrichtungen durch stetige Forschung bemüht, Management und Haltungsbedingungen so zu optimieren, dass nicht nur die körperliche Gesundheit der Tiere, sondern auch ihr psychologisches Wohlbefinden gewährleistet ist.
Viele Studien konnten in diesem Zusammenhang zeigen, dass kognitive Herausforderungen das Leben von Tieren in Gefangenschaft, besonders das der hoch intelligenten Primaten, bereichern und ihr Wohlergehen verbessern können. Sogenanntes „cognitive enrichment“ bietet für Zoos die Möglichkeit, Abwechslung im Alltag der Tiere zu schaffen und ihre mentalen Fähigkeiten in der oft wenig komplexen Umgebung zu fördern. In der heutigen Zeit bietet hierbei die (Computer-)Technologie vielfältige Vorteile sowohl für das Zoomanagement als auch für Ansätze vor allem in der Kognitionsforschung.
Vor diesem Hintergrund untersucht Dr. Vanessa Schmitt seit Beginn des Jahres 2015 im Zoo Heidelberg im Rahmen einer vergleichenden Kognitionsstudie, wie Touchscreen-Computersysteme gleichzeitig genutzt werden können, um einerseits das Studium der kognitiven Fähigkeiten verschiedener Spezies zu erleichtern und andererseits das Wohlergehen der Tiere zu verbessern. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es dabei, den Einfluss dieser Studie auf das Wohlbefinden der Orang-Utans und Schimpansen des Heidelberger Zoos zu bewerten. Hierzu wurde in einem Zeitraum von 19 Wochen mit Hilfe von Focal Animal Samplings das Verhalten der Tiere vor und nach den wochentags stattfindenden testing-sessions beobachtet, wobei stereotypem, selbst-gerichtetem und aggressivem Verhalten als Indikator für Stress besonderes Augenmerk galt. Darüber hinaus wurde während der testing-sessions mit Hilfe von Scan und Ad libitum Samplings das Interesse der Menschenaffen an kognitiven Aufgaben, Videos von Artgenossen und anderen Tieren sowie der Möglichkeit, sich selbst zu beobachten, aufgenommen. Dabei sollte auch die motivationsstiftende Funktion von Futterbelohnungen untersucht werden. Schließlich ist es ein weiterer Anspruch dieser Arbeit, den individuellen Charakter der Tiere bei der Analyse der Ergebnisse zu berücksichtigen. Dieser wurde mit Hilfe eines Persönlichkeitsfragebogens von den Tierpflegern des Heidelberger Zoos bewertet.
Im Vergleich zu vorangegangenen Studien, in deren Kontext die Orang-Utans und Schimpansen noch keinen Zugang zu den Touchscreen-Computersystemen hatten, wie auch im Vergleich des Verhaltens der Tiere vor und nach den testing-sessions konnten keine signifikanten Unterschiede bezüglich Veränderungen im Verhaltensrepertoire der Primaten festgestellt werden. Doch ergab eine deskriptive Betrachtung der Ergebnisse eindeutige Tendenzen, die – trotz individueller und artspezifischer Unterschiede – darauf hindeuten, dass das kognitive enrichment der Studie keinen negativen Einfluss auf das Wohlbefinden der Tiere hatte. Die bereitwillige Teilnahme an den Experimenten und das große Interesse, welches sie darüber hinaus an diesen zeigten, lassen wiederum darauf schließen, dass das Leben der Menschenaffen im Heidelberger Zoo positiv beeinflusst wurde. Die vorliegende Arbeit kann also als Beleg dafür dienen, dass mit cognitve enrichment das psychologische Wohlbefinden von Tieren in Gefangenschaft verbessert werden kann.
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