SCHNEIDER, C. (2012)

The development of gestural communication in non-human great apes.

Die Entwicklung von gestischer Kommunikation bei Menschenaffen.

Dissertation

127 Seite

Ganzer Text

Freie Universität Berlin, Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie
Gutachter: Prof. Dr. Katja Liebal, Prof. Dr. Jan A. R. A. M. van Hooff
Zoo Berlin, Zoo Leipzig, Allwetterzoo Münster, Burgers' Zoo, Dierenpark Planckendael, Apenheul

Zusammenfassung:

Bonobos, Schimpansen, Gorillas und Orangutan s machen regelmäßig Gebrauch von Gesten, um mit ihren Artgenossen zu kommunizieren. Aufgrund der möglichen Bedeutung für die Evolution von Sprache, wurde der gestischen Kommunikation unserer nächsten Verwandten in der Vergangenheit viel Beachtung geschenkt. Dennoch ist bislang nur wenig über den Gest enerwerb von Menschenaffen bekannt. Ziel der vorliegenden Arbeit war die Unte rsuchung der frühen En twicklung gestischer Kommunikation in den vier Me nschenaffenarten. Dazu beobachtete ich insgesamt 25 Jungtiere innerhalb ihrer ersten 20 Lebe nsmonate (sechs Bonobos, acht Schimpansen, drei Gorillas und acht Orangut ans) in sechs Europäischen Zoologischen Gärten.  Zusätzlich zu dem kommunikativen Verhalten der Jungtiere wurden auch die Gesten der Mütter aufgenommen.  In der ersten Studie (Kapitel 2) führte ic h einen systematischen Vergleich der frühen gestischen Kommunikation aller vier Menschenaffenarten du rch. Dabei untersuchte ich folgende Fragestellungen: Wann beginnen jung e Menschenaffen zu gestikulieren? In welcher Reihenfolge treten die Gesten de r verschiedenen Sinnesmodalitäten (taktil, visuell und auditorisch) auf? In welche m Umfang werden diese Modalitäten genutzt und in welchen Verhaltenskontexten werden Gest en in den ersten Mo naten eingesetzt?  Orangutans unterschieden sich in mehr erlei Hinsicht von den Afrikanischen Menschenaffen. Sie begannen später zu ge stikulieren und setzten ihre kommunikativen Signale häufiger im Rahmen der Nahrungsau fnahme ein. Taktile und visuelle Gesten traten bei Jungtieren aller Arte n von Beginn an auf, während a uditorische Gesten erst zu einem späteren Zeitpunkt und nur von Afrika nischen Menschenaffen gezeigt wurden.  Im Laufe des ersten Lebensjahres na hm die Bedeutung visueller Gesten für Afrikanische Menschenaffen zu, während de r Anteil taktiler Signale sank. Die Untersuchungsergebnisse deuteten darauf hin, dass die zunehmende Mobilität der Jungtiere (und die damit verbundene wachse nde Unabhängigkeit von der Mutter) eine wichtige Rolle bei der Entstehung und Entw icklung gestischer Kommunikation spielt. In der zweiten Studie (Kapitel 3) unters uchte ich, ob Bonobos und Schimpansen ihre Gesten durch Beobachtung der Mutter erlernen . Der Vergleich der Gestenrepertoire von Mutter-Kind-Paaren zeigte, dass Jungtiere beider Arten nur wenige Gesten mit ihren Müttern teilten. Größere Übereins timmungen wurden hingegen innerhalb einer Altersgruppe beobachte t (d.h. unter Jungtieren und unter Müttern). Diese Ähnlichkeit innerhalb einer Altersgruppe zeigte sich au ch nach einem Artvergleich von Bonobos und Schimpansen. Im Gegensatz dazu, zeigte n die Mitglieder beider Altersgruppen keine Übereinstimmungen in der Häufigkeit m it der einzelne Gesten verwendet wurden (weder innerhalb einer Art noc h über die beiden Arten hi nweg). Diese Beobachtungen deuten darauf hin, dass in er ster Linie genetisch verankert e Entwicklungsprozesse sowie individuelle Lernmechanismen für den Erwerb und den Gebrauch von Gesten in Bonobos und Schimpansen verantwortlich sind; wohingegen das Lernen durch Beobachtung der Mutter eine untergeor dnete Rolle zu spielen scheint.  In der dritten Studie (Kapitel 4) untersuchte ich den Gebrauch von Gesten, die mit dem Kopf ausgeführt werden. Von allen vier Menschenaffenarten, zeigten Bonobos hierbei die größte Vielfalt (sowohl im Hinblick au f Anzahl der Gestentypen als auch deren Häufigkeiten). Darüber hinaus beobachtete ich einzelne Fäll e von ‚präventivem’ Kopfschütteln in Bonobos. Das ‚präventive’ Kopfschütteln trat in Situation auf, in denen der Sender versuchte eine bestimmt e Handlung des Empfänger zu unterbinden.  Diese Verwendung des Kopfschüttelns beschrei bt ein bisher selte n beobachtetes Motiv in Menschenaffen. Die Ergebnisse der Studien deuten auf ein komplexes Zusammenspiel von biologischen, sozio-ökologischen und lebens geschichtlichen Faktoren be i der Entwicklung gestischer Kommunikation in Menschenaffen hin. Die vorliegende Arbeit leistet damit einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis der gestischen Ko mmunikation unserer nächsten Verwandten und biet et darüber hinaus eine Basi s auf die zukünftige Studien aufbauen können.

Abstract:

Our closest living relatives, bonobos, chimpanzees, gorillas, and orangutans make regular use of gestures to communicate with their conspecifics. Although the gestural communication of non-human great apes continues to receive increasing attention due to its proposed implications for the evolution of human communication, little is known about the emergence of gesturing.
Focus of the current dissertation was the ontogenetic origin of gestural communication in the four non-human ape species. In particular I investigated: the onset and early use of gestures; the role mothers might play in regard to their offsprings’ learning of gestures, and the use of head gestures across species. Using focal animal sampling, a total of 25 captive ape infants (six bonobos, eight chimpanzees, three gorillas, and eight orangutans) were observed periodically during their first 20 months of life. I primarily recorded the gestural behaviour (i.e., signals that were generated by the movement of the hand, arm, head or body position) of infants and peripherally the gestures of their mothers.
In the first study (Chapter 2), I conducted a systematic exploration of the onset and early use of gestural communication in bonobos, chimpanzees, gorillas, and orangutans. I investigated: i) the onset ages of gesturing, ii) the order in which signals of the different sensory modalities (tactile, visual, and auditory) appeared, iii) the extent to which infants made use of these modalities in their early signalling, and, iv) the behavioural contexts where signals were employed. I found orangutans to differ in several important gestural characteristics to that of African ape species. They showed the latest gestural onset; made no use of signals of the auditory sensory domain, and were more likely to use signals in food-related interactions in the first half a year of gesturing. In all four species, both tactile and visual signals were the first to appear. Auditory gestures appeared only later in the African species. While visual gesturing gained prominence over time, tactile signalling decreased in African apes. The findings also indicated that motor ability, which encourages independence from caregivers, may be an important antecedent in gestural onset and development.
In the second study (Chapter 3), I explored the role that genus Pan mothers played in their offspring’s learning of gestures. To do so, I examined the similarity of gestural repertoires (in terms of signal types and their frequency) in bonobo and chimpanzee mother-infant dyads. Comparisons across the age-groups revealed that infants of both species were unlikely to share gestures with their own or other mothers (i.e., unrelated adult females). Gestural sharing was, however, prevalent within respective age-groups. Within and across species, infant-infant and mother-mother groups were homogenous regarding the types of gestures they shared, but showed individual differences in the frequency that particular gestures were utilised. There was therefore limited evidence that infants learned their gestures by observing their mothers. I proposed that while infants’ use of gestures is shaped by individual learning opportunities, biological inheritance plays an important role in their formation (including substantial impact of the behavioural contexts in which signals have evolved).
In my last study (Chapter 4), I provided a quantitative estimate of the prevalence and diversity of head gestures across the four ape species, and found bonobos to be the most prolific in terms of their variety of head signals and frequency. I also reported the first observations of ‘preventive’ head shaking in bonobos. Head shakes in these instances were associated with situations that are best described as the signal producer preventing (or trying to prevent) another individual from engaging (or re-engaging) in a certain activity. This observation underlined a yet rarely observed motive in non-human apes signalling.
The current findings have shown how biological, socio-environmental and life history factors are implicated in the story of when and how gestures first appear across species, and how they are learnt and utilised within the lifespan. The research affords unique knowledge about the emergence of gesturing in the non-human great apes and, in doing so, offers important foundations that future studies can build on.

 

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