SCHÜRER, U. (1978)

Vergleichende Untersuchung des Ruheverhaltens von Känguruhs (Macropodidae).

Dr. rer. nat. Dissertation

300 Seiten

Freie Universität Berlin
1. Referent: Prof. Dr. Jürgen Brandenburg
2. Referent: Prof. Dr. Heinz F. Moeller
Verschiedene Zoos in Deutschland, in Belgien, den Niederlanden und Australien

Zusammenfassung:

Das Ruheverhalten von Känguruhs wurde untersucht. Berücksichtigung fanden sowohl die Körperhaltungen beim Ruhe, die Bewegungsabläufe, die zur Einnahme der Ruhehaltungen erforderlich sind, die Häufigkeit und Dauer des Ruhens, die Intensität des Ruhens, die Beziehungen des Ruheverhaltens zur Umwelt und die sozialen Aspekte des Ruhens.

Insgesamt beobachtete ich 35 Känguruharten, davon 14 im Freiland. P.xanthopus wurde im Gehege und im Freiland eingehend beobachtet. Unterschiede in den Körperhaltungen, die zum Ruhen eingenommen wurden, waren nicht festzustellen. Dies deutet darauf hin, dass Känguruhs in Gehegen zum Ruhen keine anderen Körperhaltungen einnehmen als im Freiland.

Die Ruhehaltungen von Känguruhs lassen sich, soweit beobachtet, mit ganz wenigen Ausnahmen bei der Gattung Dendrolagus auf drei Grundmuster von Ruhehaltungen zurückführen, die ich Ruhegrundhaltungen nenne. Diese drei Ruhegrundhaltungen wurden mit Ausnahme von M.giganteus bei allen beobachteten Angehörigen der Unterfamilie Macropodinae gefunden, sie kommen auch bei den Potoroinae vor.

Ein Vergleich der Ruhehaltungen von M.fuliginosus, M.dorsalis, M.rufogriseus, P. xanthopus und einiger Dendrolagus-Arten erbrachte, dass Unterschiede in den Ruhehaltungen körpergrössen- und lebensraumabhängig sein können. Die vergleichende Untersuchung der Ruhehaltungen wurde an besonders geeigneten Einzelheiten bei einer möglichst grossen Zahl weiterer Känguruharten vertieft, um taxonomisch und phylogenetisch verwertbare Verhaltensmerkmale zu finden.

In aufrechter Haltung mit nach hinten gerichtetem Schwanz gibt es im aufsetzen der Schwanzspitze eine artspezifische Besonderheit, die die Gattungen Dorcopsis und Dorcopsulus charakterisiert.

Beim Ruhen in aufrechter Haltung mit nach vorn gerichtetem Schwanz wurden einige artspezifische Unterschiede beim Absenken des Oberkörpers, dem Auflegen des Kopfes auf die Schwanzunterseit und der Armhaltung gefunden. Bei den grössten Känguruharten wurde Absenken des Oberkörpers in dieser Ruhehaltung nicht beobachtet. Bei einigen dieser ARten ruhen nur Jungtiere und Weibchen in dieser Ruhegrundhaltung.

Beim Ruhen im Liegen ist besonders bemerkenswert, dass Rückenlage nur bei den grössten Känguruharten beobachtet wurde und hier wiederum z.T. nur bei voll erwachsenen Männchen. Einige Känguruhs sind demnach im Ruheverhalten geschlechtsdimorph.

Liegeseitenwechsel kommt in artspezifisch unterschiedlicher Weise vor. Nur bei einigen der grössten Känguruharten wurde beobachtet, dass sie sich zum Liegeseiten wechsel über den Rücken auf die andere Körperseite wälzen. Alle übrigen hierbei beobachteten Känguruhs stehen zum Liegeseitenwchsel auf.

die Häufigkeit und Dauer des Ruhens in den Ruhegrundhaltungen ist von Art zu Art unterschiedlich. Bei M.rufogriseus wurde ausserdem auch eine erhebliche individuelle Variationsbreite festgestellt. Bei mehreren Arten wurde gezeigt, dass sich die Anteile des Ruhens in den drei Ruhegrundhaltungen bei steigenden Temperaturen ändern. Die Änderungen der Ruhehaltungen könnten temperaturregulatorische Bedeutung haben, doch steht ein direkter Nachweis mit physiologischen Methoden noch aus.

Känguruhs nutzen zum Ruhe, in z.T. artspezifischer Weise, im Lebensraum vorhandene Deckung, z.B. Felshöhlen oder Büsche, die oft zusätzlich noch Schutz vor Hitzebelastung gewährt. Bei vielen Känguruharten wurde beobachtet, dass Ruheplätze gestaltet werden können, z.B. durch Ausscharren flacher Mulden. In allen drei Unterfamilien der Macropodidae gibt es kleinere Arten, die nestartige Strukturen auf dem Boden errichten, in die sie sich zum Ruhen zurückziehen. Von einigen Angehörigen der Potoroinae ist bekannt, dass sie Material dazu im ventral eingerollten Schwanz herbeitragen. B. lesueuri gräbt tiefe Erdbaue, möglicherweise ist dies eine Anpassung an das Leben in ariden Regionen.

Die Mehrzahl der Känguruhs hat in Gehegen und im Freiland einen bimodalen Aktivitätsrhythmusmit Aktivitätsmaxima in den frühen Morgen- und späten Nachmittagsstunden. Aktivitätsphasen sind bei Känguruhs, die die bodenregion von Regenwäldern bewohnen, gleichmässiger über den Tagesablauf verteilt. Einige der kleinsten Känguruharten sind ausschliesslich nachtaktiv.

Bei einigen Känguruharten ist häfig zu beobachten, dass Ruheplätze gegen Artgenossen verteidigt werden, bei anderen fehlt ein derartiges Verhalten. Einige ruhen häufig in engem körperlichen Kontakt, andere meiden ihn. Es wurde versucht, diese Unterschiede mit den bisherigen Kenntnissen der Ökologie und Sozialstruktur der betreffenden Känguruhs in Verbindung zu bringen und zu erklären.

Die Entwicklung von Ruheverhaltensweisen in den einzelnen Entwicklungsabschnitten von Känguruhjungtieren wurde beschrieben.

Einige Merkmale des Ruheverhaltens sindzur Bestimmung lebender Känguruhs geeignet. So lassen sich z.B. die häufig verwechselten Angehörigen der Gattungen Dorcopsis-Dorcopsulus und Thylogale an Merkmalen des Ruheverhaltens leicht unterscheiden.

Es ist weiterhin möglich, aus dem Ruheverhalten phylogenetische Schlüsse zu ziehen. Die Nächstverwandtschaft der Gattungen Dorcopsis und Dorcopsulus lässt sich mit abgeleiteten Merkmalen des Ruheverhaltens begründen. Andere Merkmale sprechen für eine sehr nahe Verwandtschaft der Angehörigen dieser Gattungen mit den Angehörigen der Gattung Dendrolagus. Die Sonderstellung des Roten Riesenkänguruhs in der Monotypischen Gattung Megaleia erscheint nach Untersuchungen des Ruheverhaltens nicht begründet.

Diese und weitere phylogenetische Schlüsse, die aus dem Ruheverhalten von Känguruhs gezogen wurden, stimmen mit den neueren Ansichten über die Stammesgeschichte der Känguruhs, seien sie anhand morphologischer, biochemischer oder cytologischer Untersuchungen gewonnen, überein..

 

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