Untersuchungen an Eisbären in europäischen zoologischen Gärten: Verhalten und Veränderungen von Stresshormon-Konzentrationen unter Berücksichtigung der Gehegegröße und Gruppenzusammensetzung.
Rer. nat. Diss. Universität Karlsruhe
267 Seiten, 39 Tabellen, zahlreiche Grafiken und Fotos
Zusammenfassung
In dieser Dissertation wurden ausschließlich Daten von Eisbären in Zoohaltungen ermittelt. Ne-ben den Verhaltenselementen, die im Sinne einer verbesserten Haltung zur Untersuchung kamen, stand auch im Hinblick auf die Wildpopulationen und speziesbezogener Grundlagenforschung die erstmalige Detektion von Cortisolwerten im Faeces von Eisbären im Vordergrund.
Mit Hilfe der ermittelten Ergebnisse konnten einige Aussagen getroffen werden, die im Sinne künftiger Gehegegestaltungen wichtig sind und zum großen Teil die Daten bisheriger Arbeiten bestätigen. Die Beschreibung oder Empfehlung einer idealen Gehegekonstellation lässt sich als Gesamtes nicht aussprechen, sondern muss im Zusammenhang der beteiligten Parameter bestehen bleiben.
So ergaben sich als wesentliche Faktoren der Entstehung der Stereotypien der Tiere die kurzfristige oder mehrmalige Umsetzung in ein anderes Gehege sowie die Einordnung in die für Eisbä-ren unnatürliche Gruppenstruktur und die hierfür erforderlichen Dominanzregelungen. Daneben scheinen ausgedehnte Ruhephasen bei dominanten Tieren eher zu Stressabbau zu führen als hohe Stereotypieraten.
Die quantitativ häufigeren Sozialkontakte der Eisbären gegenüber denen aggressiver Natur sichern die Möglichkeit, sie – unter der Voraussetzung der intensiven Betreuung, regelmässigen Enrichments sowie laufender Cortisolmessungen - in Zoos in Gruppen zu halten. Das Wohlergehen und die Reduktion der Stereotypien lassen sich deutlich durch Einführen von Substraten sowie von – gegenüber der Konspezies - erhöhten Ruhe-und Aussichtsbereichen (Plateaus) erzielen.
Die Ergebnisse der Gehegebeurteilung in Bezug auf die Gruppenstruktur der Eisbären sind auf-grund der multifaktoriellen Daten am wenigsten deutlich zu benennen und müssen im Gesamt-zusammenhang betrachtet werden. Das quantitative Resultat der Abstandsmessungen jedoch spricht für den Bau großer Gehege, da die Eisbären sich, wenn möglich, auf maximale Distanz aus dem Weg gehen.
Die Empfehlung der Gruppengröße wird in dieser Arbeit eher der Paarhaltung ausgesprochen, wobei stets Alter und Geschlecht der Tiere im Aufbau der Gruppe und in Verbindung mit dem bestehenden Gehege zu beachten sind.
Entgegen den Erwartungen treten bei Bären in naturalistischen Gehegen gegenüber denen in konventionellen in dieser Arbeit erhöhte Cortisolwerte auf. Diese Ergebnisse sind unter Berück-sichtigung der geringen Vergleichbarkeit der Anlagen zu verstehen. Auch die gemessene doppelte Anzahl an Cortisolerhöhungen in kleineren sozialen Gruppen ist zunächst unerwartet, individuell aus der Diskussion aber zu erklären. Eine deutliche Aussage erzielt die Betrachtung der Cortisolwerte in Bezug auf die Stereotypien. Die Ergebnisse deuten auf die Möglichkeit des Stressabbaus durch Stereotypieren hin.
Hohe Cortisolwerte lassen sich durch vermehrte Aktivität senken. Diese Aktivität besteht bei den untersuchten Eisbären aus Stereotypien. Cortisolwerte rangniedriger Tiere sind geringfügig höher als die der subdominanten und domi-nanten. Weibliche Eisbären haben, unabhängig vom Alter, doppelt so häufige Cortisolerhöhun-gen als Männchen und scheinen damit deutlich stressanfälliger zu sein. Die Cortisolwerte bei Eisbären, die einen Transport erfahren haben, waren über verschieden lange Zeitphasen hinweg eindeutig erhöht. Auch hier zeichnete sich eine höhere Belastung bei weiblichen Tieren ab.
Die Fülle der in dieser Studie ermittelten Einzelaussagen kann dazu dienen, den individuellen Bedarfsfall pro Zoo und Eisbärengruppe mit den hier etablierten Mitteln zu ergründen und an entsprechender Stelle gezielt einzuwirken, um das Wohlergehen der Eisbären in Zoohaltungen zu stabilisieren.
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