Differential responses on individual- and population-level to a fungal pathogen: Bd infection in the midwife toad Alytes obstetricans.
125 Seiten.
2011 PhD Thesis, University of Zurich, Faculty of Science.
Volltext
Zusammenfassung
Infektionskrankheiten werden zu einer immer stärkeren Bedrohung der Biodiversität, und die Anzahl bekannter Wildtierkrankheiten, die sich ausbreiten, nimmt dramatisch zu (Daszak et al. 2000, Smith et al. 2009). Die Problematik kommt daher, dass Krankheitserreger, die ein breites Wirtsspektrum haben, in naive Populationen eingeschleppt werden, zusammen mit ihren relativ resistenten ursprünglichen Wirten, die als Überträger dienen (Daszak et al. 2004).
Gemäss der IUCN sind Amphibien die am stärksten bedrohte Wirbeltiergruppe; rund ein Drittel der Arten ist bedroht (Gascon et al. 2007). Eine Pilzerkrankung, die Chytridiomykose, wurde als eine wichtige Ursache der Bestandesrückgänge identifiziert. Deren Erreger, der Pilz Batrachochytrium dendrobatidis (Bd) ist ein Chytridiomycet, der die keratinisierte Haut von Amphibien befällt und mit dem lokalen und globalen Aussterben von Amphibien auf mehreren Kontinenten in Verbindung gebracht wird (Fisher et al. 2009b, Kilpatrick et al. 2010). Bd wird hauptsächlich im Wasser übertragen und ein langes Kaulquappenstadium, wie es bei der Geburtshelferkröte vorkommt, erhöht somit das Ansteckungsrisiko. Infektionen bei Kaulquappen sind auf die Mundfelder beschränkt, was keine Krankheitssymptome bewirkt. Im Gegensatz dazu sind die Tiere kurz nach der Metamorphose am anfälligsten, wenn die gesamte Amphibienhaut von Keratin überzogen wird und das Immunsystem erst schwach ausgebildet ist (Rollins-Smith 1998). Nebst Unterschieden in der Krankheitsanfälligkeit verschiedener Lebensstadien beobachtet man auch Unterschiede aufgrund von Hautpeptiden, der Lebensweise und dem Verhalten; auch bakterielle Symbionten auf der Amphibienhaut und klimatische Bedingungen dürften eine Rolle spielen (Fisher et al. 2009b, Kilpatrick et al. 2010). So sind manche Arten relativ resistent und erkranken nicht, während bei anderen Arten Massensterben auftreten. Geburtshelferkröten-Populationen in einem Nationalpark in Spanien nahe Madrid nahmen beispielsweise drastisch ab, nachdem Bd dort erstmals nachgewiesen wurde (Bosch et al.2007, Bosch et al. 2001); daher ist die Annahme begründet, dass Bd auch in anderen Verbreitungsgebieten der Art zu Bestandesabnahmen führt.
In der Schweiz hat die Geburtshelferkröte in den letzten drei Jahrzehnten massive Bestandesrückgänge erlitten (Schmidt & Zumbach 2005). Vielen lokalen Aussterbeereignissen kann keine offensichtliche Ursache zugewiesen werden und daher ist eine eher kryptische Ursache wie eine Infektionskrankheit eine plausible alternative Erklärung.
Im ersten Kapitel meiner Dissertation bestimme ich den geographischen Massstab, in dem Geburtshelferkröten-Populationen organisiert sind. Die meisten Arten sind in Populationen organisiert, die ihrerseits Netzwerke aus Subpopulationen sind. Diese Netzwerke zeichnen sich durch einen unterschiedlichen Grad an Genfluss zwischen einzelnen Subpopulationen aus (Wright 1965). In meiner Arbeit untersuchte ich die genetische Struktur von Geburtshelferkröten in vier Regionen der Schweiz. Alle vier Regionen beherbergen Netzwerke von Subpopulationen, die sich in der Stärke der Bestandesabnahmen, im Grad ihrer Vernetzung und einer Reihe weiterer Ursachen, die die genetische Struktur beeinflussen können, unterscheiden. Anhand neutraler Mikrosatellitenmarker bestimmte ich die genetische Diversität und Differenzierung innerhalb der Regionen. Mittels Modellselektion suchte ich die Faktoren, die die Unterschiede in der genetischen Struktur zwischen den Regionen am besten erklären. Wir fanden keine Hinweise darauf, dass die Stärke der Bestandesabnahmen mit der genetischen Diversität korreliert. Ebenso wenig war die genetische Differenzierung mit der Isolation der Subpopulationen korreliert; alle Populationen waren genetisch isoliert, selbst über geringe Distanzen. Nur die Höhenlage hatte einen Einfluss auf die genetische Diversität: Sie nahm mit zunehmender Höhenlage zu. Fluktuierende Umweltbedingungen in grösseren Höhenlagen sind eine mögliche Erklärung für diese Beobachtung (Fisher 1930, Munwes et al. 2010). Das Fehlen eines Zusammenhangs zwischen Bestandesrückgängen und genetischer Zusammensetzung deutet darauf hin, dass Geburtshelferkröten-Subpopulationen als relative unabhängige Einheiten funktionieren und Genfluss zwischen Subpopulationen relativ unwichtig ist (Beebee 2005, Frankham et al. 2002). Daher sollten sich Auswirkungen der Infektionskrankheit anhand ihres Effekts auf einzelne Populationen zeigen lassen, unabhängig vom Infektionsstatus benachbarter Populationen.
In Kapitel 2 quantifiziere ich die Mortalität von mit Bd infizierten Geburtshelferkröten nach der Metamorphose. Dazu fing ich natürlicherweise infizierte Kaulquappen von drei verschiedenen Populationen und zog sie im Labor auf. Die Kaulquappen wurden in drei Behandlungsgruppen eingeteilt: 1) Die Bd-negative Kontrolle befreite ich durch die Behandlung mit dem fungiziden Medikament Itraconazol von der Infektion (Garner et al.2009a). 2) Die Stresskontroll-Gruppe behandelte ich nach dem gleichen Protokoll wie die Bd-negative Kontrolle, verzichtete aber auf das Itraconazol während der Behandlung. Diese Gruppe erfuhr also denselben Behandlungsstress wie die Itraconazol-behandelte Gruppe, blieb aber infiziert. 3) Die letzte Gruppe wurde nicht behandelt und nur die regulären Wasserwechsel und Fütterungen, die bei allen Versuchsgruppen stattfanden, wurden vorgenommen. Auch diese Gruppe blieb demnach infiziert. Die Resultate zeigen, dass die Mortalität durch Bd-Infektion hoch war (44.4% aller infizierten Tiere starben), aber dass es grosse Unterschiede zwischen den verschiedenen Populationen gab (die Sterblichkeit schwankte zwischen 27% und 90%). Die Unterschiede, die wir beobachteten, könnten auf unterschiedliche symbiotische Hautbakterien, unterschiedliche Erregerstämme oder Umwelteffekte vor dem Fang im natürlichen Lebensraum zurückzuführen sein. Umwelteffekte lassen jedoch über kurze Zeit nach (Van Buskirk 2002) und Hautbakterien und Erregerstämme wurden aufgrund unseres Laborprotokolls zwischen den Populationen vermutlich vermischt. Daher gehen wir davon aus, dass genetische Unterschiede zwischen den Populationen die Unterschiede in der Mortalität bewirkt haben.
Wie die hohe Sterblichkeit, die wir im 2. Kapitel beobachteten, zeigt, sind Auswirkungen von Bd auf die Überlebenswahrscheinlichkeit der Populationen anzunehmen. Daher versuche ich im 3. Kapitel einen Zusammenhang zwischen dem Vorkommen von Bd in einer Population und dem lokalen Aussterben der Geburtshelferkröte herzustellen. Dazu benützten wir Daten aus der Erhebung, die im Rahmen der Aktualisierung der Roten Liste in 2003 und 2004 durchgeführt wurde (Schmidt & Zumbach 2005). Anhand dieser Daten wählten wir 79 Teiche, verteilt über das gesamte Verbreitungsgebiet der Geburtshelferkröte in der Schweiz, von denen wir wussten, dass sie um ca. 1985 Geburtshelferkröten-Populationen beherbergt hatten. Wir besuchten diese Teiche in 2008 und testeten sie auf das Vorkommen von Bd, indem wir Hautabstriche von Amphibien sammelten, die wir an den Teichen fingen. Diese Abstriche wurden im Labor mittels real-time PCR auf Bd getestet (Boyle et al. 2004). Gleichzeitig führten wir eine erneute Erhebung über die Anwesenheit von Geburtshelferkröten an den Teichen durch. Die Anwesenheit von Bd und Geburtshelferkröten wurden dann in einem hierarchischen Modell analysiert, das die Vorkommenswahrscheinlichkeit mehrerer Arten während mehrerer Erhebungsperioden modelliert. Bei dieser Art von Modellen wird die Antreffwahrscheinlichkeit einer Art mitberücksichtigt. Ich modellierte also gleichzeitig die Vorkommenswahrscheinlichkeit von Bd in 2008 und die Vorkommenswahrscheinlichkeit der Geburtshelferkröte während den zwei Erhebungen in 2003/2004 und 2008 in einem einzigen Modell. Dieses Modell berechnete ich in mit dem Programm WinBUGS (Kéry 2010, Royle & Dorazio 2008), das auf dem Bayes’schen Theorem bedingter Wahrscheinlichkeiten beruht. Dadurch war es mir möglich, die Wahrscheinlichkeit, dass die Geburtshelferkröte vorkommt, ausgestorben ist oder überlebt hat an einem Teich, und die Wahrscheinlichkeit, dass Bd vorkommt, in Abhängigkeit von einander modellieren und dabei jeweils den Fehler der geschätzten Wahrscheinlichkeiten berücksichtigen (Waddle et al. 2010). Dabei zeigte sich, dass das Vorkommen bzw. die lokale Aussterbewahrscheinlichkeit der Geburtshelferkröte unabhängig vom Vorkommen von Bd ist. Dieses überraschende Ergebnis wird durch die Resultate aus meinem nächsten Kapitel gestützt.
Im 4. Kapitel untersuche ich die Wachstumsraten von Geburtshelferpopulationen in An- oder Abwesenheit von Bd. Adrian Borgula stellte grosszügigerweise die jährlichen Ruferzählungen von 26 Teichen im Kanton Luzern von 2002 bis 2009 zur Verfügung. Für jede Population modellierte ich den Populationstrend in Abhängigkeit des Vorkommens von Bd und der Häufigkeit nachgewiesener Fortpflanzung. Dieses Modell wurde wiederum im Programm WinBUGS beruhend auf dem Bayes’schen Wahrscheinlichkeitstheorem berechnet. Der Vorteil dieses Ansatzes gegenüber konventionellen Maximum-Likelihood Schätzung ist, dass bei der Analyse der Fehler im Populationstrend, der durch den Beobachtungsprozess und den Prozess der Analyse entsteht, berücksichtigt wird. Wiederum fanden wir keinen negativen Zusammenhang zwischen dem Vorkommen von Bd und den Wachstumsraten der Geburtshelferkröten-Populationen. Das Fehlen eines Zusammenhangs zwischen dem Vorkommen von Bd und lokalen Bestandesabnahmen (Kapitel 4) oder lokalem Aussterben (Kapitel 3) der Geburtshelferkröte kann durch mehrere Mechanismen zustande kommen, die einander nicht zwingend ausschliessen: 1) Möglicherweise begünstigen die herrschenden Umweltbedingungen keine Krankheitsausbrüche (Bosch et al.2007, Rohr et al. 2008, Walker et al. 2010). 2) Andererseits kann Bd sowohl als enzootische als auch als epizootische Infektion vorliegen (Briggs et al. 2010). Während epizootische Krankheitsdynamik meist additive, d.h. zusätzliche, Mortalität bewirkt, besteht bei enzootischer Dynamik die Möglichkeit, dass die Mortalität kompensiert wird. Bd in der Schweiz könnte mehrheitlich enzootische Krankheitsdynamik bewirken. 3) Bd verringert möglicherweise nicht die Überlebenswahrscheinlichkeit, sondern wirkt sich auf andere Fitnessparameter von Individuen aus. Ist das Leistungsvermögen in einem Fitnessbereich reduziert, kann möglicherweise eine gesteigerte Effizienz in anderen Fitnessbereichen für die Verluste kompensieren (Jolles et al. 2005). 4) Möglich ist auch, dass Bd zu Beginn nach dem ersten Auftreten eine Bestandesabnahme bewirkt hat und dass sich die Populationen jetzt auf einem geringeren Niveau stabilisiert haben (Briggs et al. 2005). Die Prävalenz und Abundanz von Bd variiert stark zwischen verschiedenen Populationen. Massensterben treten nur auf, wenn die Abundanz von Bd sehr hoch ist (Briggs et al. 2010, Vredenburg et al. 2010).
Daher versuche ich in Kapitel 5 diese Unterschiede durch die Umwelteigenschaften der Gewässer zu erklären. Dazu wählte ich 19 Teiche in den drei Gebieten, die ich in Kapitel 1 bereits beprobt hatte und in denen Bdvorkam, nämlich BE, BL und SG. An diesen 19 Teichen beprobte ich im Frühling und Sommer Kaulquappen der Geburtshelferkröte auf Bd und mass von April bis Oktober Umweltdaten. Anhand eines hierarchischen Bayes-Modells schätzte ich die Auswirkungen der Amphibiendichte, der Wassertemperatur, der genetischen Diversität der Wirtspopulation und der Zooplanktondichte auf die Entdeckungs- und Vorkommenswahrscheinlichkeit und Abundanz des Erregers ab. Da Abundanzmodelle eine grosse Anzahl an Iterationen benötigen, bis sie konvergieren, sind die Ergebnisse, die in diesem Kapitel präsentiert werden, erst vorläufig und ändern möglicherweise noch, bis ein Modell gefunden ist, das optimal konvergiert. Die Effekte der Kovariaten Amphibiendichte, Wassertemperatur und Zooplanktondichte sollten qualitativ robust sein, auch wenn die Schätzwerte noch ändern können. Bd war häufiger in wärmeren Teichen, vermutlich weil sogar warme Gewässer in unseren Breitengraden sich nie für längere Zeit über das Wachstumsoptimum von Bd hinaus erhitzen. Eine höhere Kaulquappendichte korrelierte mit einer höheren Abundanz von Bd. Die Ergebnisse belegen, dass Umwelteigenschaften einen Einfluss auf die Abundanz von Bdhaben. Dieses Wissen könnte wichtig werden, wenn es darum geht, Habitatmanagement zu betreiben, um die Auswirkungen von Bd zu reduzieren. Während meiner Dissertation gelang es mir zu zeigen, das Bd auf Individuenebene ein ernst zu nehmender Krankheitserreger sein kann und hohe Mortalität bewirkt. Auf Populationsebene jedoch beobachten wir keine negativen Auswirkungen von Bd. Entweder können die Verluste kompensiert werden oder die Mortalität ist gering, da die Umweltbedingungen keine Krankheitsausbrüche begünstigen. Da die Abundanz des Erregers von den Umweltbedingungen abhängt, kann die Manipulation des Lebensraums der Geburtshelferkröte eine sinnvolle Massnahme zur Verringerung der Auswirkungen von Bd in Zukunft darstellen.
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