Schildkröten - Allgemeines

Ca. 150 Millionen Jahre alte Schildkröte in Solnhofener Plattenkalk
© Chrisi 1964. Übernommen unter der CC BY-SA 4.0 Deed-Lizenz.

Klasse: Reptilien (REPTILIA)
Unterklasse: ANAPSIDA

Ordnung:

Schildkröten

TESTUDINATA / TESTUDINES • The Tortoises and Turtles • Les tortues

301 006 001 001 dermochelys coriacea brehmDie Lederschildkröte (Dermochelys coriacea) ist mit einer Carapaxlänge von bis über 2.5 m die größte noch lebende Schildkrötenart. Ihr Panzer hat keine Hornschilder. Bild aus Brehms Thierleben (1882-1887)

301 000 000 001 carapaxCarapax-Schema. Zeichnung Urs Woy, Zürich, für CITES-ID-Manual

301 000 000 001 plastronPlastron - Schema. Zeichnung Urs Woy, Zürich, für CITES-ID-Manual

301 011 008 002 psammobates oculifer loxton PD1Manche Landschildkröten können die vordere Panzeröffnung mit ihren Vorderbeinen verschließen. Hier Stachelrand-Landschildkröte (Psammobates oculiferus) im Freiland zwischen Carnarvon und Loxton, Nordkap, Südafrika © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

301 000 000 003 halsbergerSchema Halsbergerschildkröte. Zeichnung aus GWZ (1996)

301 000 000 003 halswenderrSchema Halswenderschildkröte. Zeichnung aus GWZ (1996)

301 007 012 001 emys orbicularis juv kerzers PD1Manche Schildkrötenarten haben als Jungtiere einen Mittelkiel auf dem Rückenpanzer, der später verschwindet- Hier Europäische Sumpfschildkröten (Emys orbicularis) im Papiliorama Kerzers © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

301 011 003 009 geochelone gigantea sorede PD1Die meisten Landschildkröten pflegen gerne zu baden. Hier Aldabra-Riesenschildkröte (Aldabrachelys gigantea) in der Vallée des Tortues, Sorède © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

301 012 000 000 trionychidae gonfaron PD1Die stark ans Wasser gebundenen Weichschildkröten (Trionychidae) haben eine rüsselförmige Nase, die das Luftholen erleichtert. Village des Tortues, Gonfaron © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

301 011 003 003 chelonoidis denticulata frutigen PD1Sich paarende Waldschildkröten (Chelonoidis denticulata) im Tropenhaus Frutigen © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Im Gegensatz zu vielen anderen Reptilien werden die meisten Schikdkröten vom Publikum als Sympathieträger wahrgenommen. Sie eignen sich deshalb hervorragend als Botschafter des Arten-, Natur- oder Meeresschutzes. Zudem sind über die Hälfte der Arten selbst potenziell gefährdet bis unmittelbar vom Aussterben bedroht.

Artenspektrum und innere Systematik

Die Ordnung der TESTUDINES oder TESTUDINATA, gelegentlich auch CHELONIA (vom altgriechischen χελώνη abgeleitet) genannten Schildkröten wird in zwei Unterordnungen - Halsberger (CRYPTODIRA) und Halswender (PLEURODIRA) - mit 11 bzw. 3 Familien und zusammen 363 Arten unterteilt (Stand 2022) [9]. Schildkröten die den heutigen recht ähnlich waren, aber z.B. noch Zähne hatten, gab es schon vor rund 220 Millionen Jahren in der Oberen Trias [6; 10].

Körperbau und Körperfunktionen

Altvater BREHM leitet in seinem Thierleben (1882-1887) das Schildkrötenkapitel damit ein, dass er die deutsche Fassung der Historia Animalium (Band 2, 1554) des Zürcher Stadtarztes Conrad GESNER zitiert. Die kurze Charakteristik ist auch heute noch zutreffend, weshalb wir sie hier übernehmen: »Die Schiltkrotten sind gantz wunderbare, auch scheutzliche thier anzüschouwen, ligend in einem harten geheüß, so hardt verschlossen, daß sich an jrem leyb gantz nichts erzeigt dann der kopff, vnnd ausserste füß oder bein, doch also daß sy auch die selbigen in das harte vnnd dicke schalen oder hauß ziehen vnnd verbergen mögend, welches so dick ist, daß auch ein geladner wagen, so er darüber fart, die selbigen nit zerbrächen mag, jr kopff vnnd füß so sy härauß streckend sind gantz schüppächt wie ein Schlangen oder Nateren vnnd jrer dreyerley geschlächt. Etliche wonend allein im erdterich, etliche in süssen wasseren, etliche in dem weyten Meer.« [1]

Auffälligstes Charakteristikum der Schildkröten ist ihr Panzer, bestehend aus Carapax und Plastron, die durch seitliche Brücken verbunden sind. Der Panzer besteht aus Skelettelementen des Axialskeletts und der Gliedmaßengürtel sowie aus großen Hautknochen und darüber liegenden epidermalen Hornschildern oder, bei drei Familien, einer derben lederartigen Haut. Die Konturen der Knochenplatten und der Hornschilder sind nicht deckungsgleich. Der Schädel ist kompakt und weist keine Schläfenfenster auf (anapsider Schädelbau). Es sind 8 Hals- und 10 starr in den Panzer eingebaute Brustwirbel vorhanden, ein Brustbein fehlt, die Schlüsselbeine sind, ebenso wie der Becken- und Schultergürtel, in den Panzer eingebaut. Mit wenigen Ausnahmen können die Halsberger Kopf und Hals ganz unter den Panzer zurückziehen. Im Rücken-, wie im Bauchpanzer befinden bei manchen  Arten knorpelig-bindegewebige Gelenke, die ermöglichen, die Panzeröffnungen  zu schließen. Andere Arten verschließen die Panzeröffnungen mit ihren Beinen, die mit starken Honschuppen ausgestattet sind. Die Halswenderschildkröten legen Kopf und Hals sowie den Schwanz seitlich zwischen die Panzerränder. Die Kieferränder der Schildkröten sind mit kräftigen, scharfen Hornscheiden überzogen. Sie haben aber keine Zähne und können daher abgebissene Nahrung nicht weiter zerkleinern. Die Gliedmaßen sind bei Land-, Süßwasser- und Meerersschildkröten in Anpassung an  ihre Lebensweise unterschiedlich ausgebildet [2; 5; 7; 10].

Alle Schildkröten sind eierlegend. Die Eier sind kugelig oder oval und haben je nach Art eine harte oder pergamentartige Schale. Die Größe der Gelege variiert von 1 bis über 150. Je nach Art kann es zwischen männlichen und weiblichen Tieren erhebliche Größenunterschiede geben. Männchen haben zumeist einen dickeren und längeren Schwanz, da darin der Penis eingebettet ist. Dieser ist unpaar und kann in erigiertem Zustand sehr groß werden [5; 6; 7].

Schildkröten orientieren sich hauptsächlich mit dem Gesichtssinn. Auch der Geruchssinn ist gut entwickelt und Erschütterungen werden gut wahrgenommen [5; 7].


Verbreitung

Von den polaren und subpolaren Zonen abgesehen sind Schildkröten praktisch weltweit verbreitet, wobei sie vom Regenwald und Feuchtgebieten bis zur Wüste alle Lebensraumtypen besiedeln.  Sie kommen auch in allen Ozeanen und ihren Rand- und Nebenmeere der tropischen bis gemäßigten Breiten vor [10].

Haltung im Zoo

In europäischen Zoos werden nach Zootierliste rund 230 Arten gehalten, d.h. ca. 2/3 aller Arten, allerdings viele davon nur in wenigen Exemplaren.

Schildkröten sind wechselwarme Tiere. Bei der Haltung sind daher die im natürlichen Lebensraum herrschenden tages- und jahresperiodischen Schwankungen von  Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Lichtintensität, Tageslänge und Erdfeuchtigkeit soweit abzubilden, dass die Anpassungsfähigkeit der Tiere nicht überfordert wird. Je nach Art ist ihnen die Möglichkeit zu einer Winter- oder Sommerruhe zu geben [4; 7].

Kastration: Männliche Schildkröten können sexuell sehr aggressiv werden. Bei der Haltung von Landschildkröten wird daher ein Geschlechtsverhältnis von 1 Männchen auf mindestens 3 Weibchen empfohlen und es sind genügend Ausweich- und Versteckmöglichkeiten anzubieten. Bei mediterranen Landschildkröten sind aber männliche Tiere meist in der Überzahl und bedrängen und verletzen nicht nur andere Weibchen sondern auch andere Männchen. Deshalb bieten spezialisierte Tierkliniken die endoskopische Kastration von männlichen Schildkröten an. Für den Eingriff wird die narkotisierte Schildkröte seitlich gelagert und vor dem Hinterbein ein kleiner Schnitt gemacht, durch den das Endoskop und die zur Unterbindung der Blutgefäße und Entfernung der Hoden erforderlichen Instrumente eingeführt werden. Eine sexuelle Beruhigung des kastrierten Tiers tritt nach etwa einem Monat ein. Bezüglich der Unterdrückung der Fortpflanzung ist festzustellen, dass weibliche Schildkröten Sperma über Jahre lagern können. Somit können auch nach der Kastration des Männchens noch befruchtete Eier gelegt werden [8].

Als Folge des der Aufnahme vieler Arten in die Anhänge von CITES  hat sich die Verfügbarkeit und Wertschätzung der Schildkröten verändert. Vermehrt werden Anstrengungen unternommen, die Tiere zu züchten und sie möglichst lange am Leben zu erhalten [3].

Bezüglich "Mindestanforderungen an Gehege" ist zu beachten, dass das Reptiliengutachten 1997  des BMELF revisionsbedürftig ist und dass in der 2. Österreichischen Tierhaltungsverordnung offensichtlich nur die im Tiergarten Schönbrunn gehaltenen Arten mit den dort angebotenen Gehegen aufgeführt worden sind. Sowohl das Reptiliengutachten als auch die Verordnungen der Schweiz [3] und Österreichs enthalten weitere Angaben, die hier nicht aufgeführt sind.

Literatur und Internetquellen

  1. BREHM, A. E. (1882-1887)
  2. CITES IDENTIFICATION MANUAL
  3. DOLLINGER, P., PAGAN, O., JERMANN, T., BAUMGARTNER, R., & HONEGGER, R.E. (1997)
  4. GWZ (1996)
  5. NIETZKE, G. (1969)
  6. OBST, F. J. (1985)
  7. ROGNER, M. (2008)
  8. SANDMEIER, P. (2019)
  9. THE REPTILE DATA BASE
  10. ZISWILER, V. (1976)

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