Altstadt von Büdingen
© Peter Dollinger, Zoo Office Bern
Der Froschkrieg oder Wie die Büdinger zu ihrem Spitznamen "Die Frääsch" kamen
Der Historiker und Archivar des fürstlichen Hauses zu Büdingen, Dr. Klaus Peter Decker hat recherchiert. Hier stellen wir Ihnen die erschröckliche Geschichte des Froschkrieges vor.
|
Wir schreiben das Jahr 1522. Graf Anton zu Ysenburg und Büdingen hat in der Heimat der Braut Hochzeit gehalten und seine jungvermählte Frau Elisabeth von Wied heimgeführt. Die Stadt Büdingen hat dem Hochzeitspaar einen prächtigen Empfang bereitet: mit Hochzeitsfahnen und Ehrenpforten, Böllerschüssen und Freudenfeuern, weißgekleideten Ehrenjungfrauen und den Schützen in voller Montur. Nach den Strapazen der Reise und dem nicht weniger anstrengenden Begrüssungsritual, den Festreden und dem opulenten Bankett in der Hofstube des Schlosses kommt endlich die nächtliche Stunde, in der Graf Anton seine junge Frau über die Schwelle ins Erkerzimmer trägt, wo das Bett zu erquickendem Schlummer bereitet ist. Während Graf Anton, kaum auf den Pfühl gesunken, auch schon zu schnarchen anfängt, fährt Gräfin Elisabeth von Morpheus Armen nur leicht umschlungen, sogleich wieder hoch. Vom Schlossteich her, dem breiten Graben, der die alte Wasserburg umgibt, hat ein Konzert eingesetzt: laut und nicht unbedingt harmonisch. |
|
Das Quacken, Glucksen und Plantschen von hunderten von Fröschen. Gräfin Elisabeth stößt ihrem Gatten den Ellbogen in die Rippen, dass er erschrocken hochfährt. Elisabeth:“Das hast du mir verschwiegen! Das mache ich nicht mit. Das ist ein Scheidungsgrund!“ „Was...???“ Elisabeth:“ Das Gequake, diese Geräusche, ich bekomme Migräne, ich reise schon morgen zurück zu meinem Vater!“ Anton: “So schlimm kann es doch nicht sein, ich höre gar nichts mehr davon, ich bin’s von Kind an gewohnt, wie meine Büdinger auch. Die werden höchstens wach, wenn das Geräusch ausbleibt!“ Elisabeth:“Niemals werde ich mich daran gewöhnen! Tu etwas, oder du bist mich los! Ich lasse die Ehe annullieren, wegen Nichtvollziehung des Beilagers infolge Geräuscheterrors.“ |
|
Da erhob sich Graf Anton seufzend, läutete nach dem Kammerdiener und ließ den Hofmeister holen. Der trommelte die übernächtigten Hofräte zusammen, die untertänigst des Grafen Resolution erwarteten. „ Noch heute sollen die Bürger Büdingens für Ruhe sorgen“, rief Graf Anton aus, “und die Frösche ausrotten oder vertreiben, wie auch immer. Das ist mein Wille und Befehl!“ Da ließ der Amtmann die Schlossbrücke hochziehen, schlurfte in die Stadt und klopfte den Stadtknecht heraus. Der ließ die Bürgerglocke Sturm läuten, und halb angezogen strömten die Bürger zusammen, einige mit Armbrust und Harnisch, die meisten aber als “Spießer“ mit Piken und Hellebraden. Andere hatten Leitern und Feuereimer dabei, des Glaubens, dass ein verirrter Böllerschuß einen Brand verursacht habe. Aber nichts war zu sehen, alles war still und ruhig, nur ums Schloss quakten wie gewöhnlich die Frösche. Da trat der Stadtschultheiß vor Schöffen, Bürger und die ganze Gemeinde und verkündete den Entschluss des Grafen Anton: Um das Band ehelicher Liebe und Treue nicht schon wieder zu lockern und die so hochpolitische Verbindung zwischen den Häusern Ysenburg und Wied zu erhalten, müsse es den Fröschen, Kröten und Unken an den nassen Kragen gehen. Dazu sei die Bürgerschaft dem Stadtherrn verpflichtet. |
|
Und so zogen Männlein, Weiblein und das junge Volk, noch ohne Frühstück, in den Hain und zu den Schlossgräben, ausgerüstet mit Eimern, Körben, Fallen, Reusen, Netzen, Seilen, Haken und Dreschflegeln, denn man kann ja nie wissen, was noch alles so auftaucht. Die Frösche blinzelten zunächst erstaunt, kannten ihre Büdinger nicht mehr, klamm von der Morgenkälte sahen sie noch keinen Grund, ihre Lauerstellung auf die ersten Fliegen in der Morgensonne aufzugeben. Da aber brach das Unheil über sie herein: In enger Kette wateten Männlein und Weiblein durch die Schlossgräben, was zappelte, wurde gegrapscht, die Körbe und Eimer füllten sich mit dem grünen Getier, alles wurde zum Marktplatz geschafft und streng bewacht. Unter der Aufsicht des Stadthauptmanns gab es kein Entrinnen! Langsam wurde das Gequake um das Schloss dünner, und als die Mittagssonne über dem Schlossturm stand, war nichts mehr zu hören. Gräfin Elisabeth räkelte sich, rief nach ihrer Kammerjungfer und ließ sich ihren Zopf flechten, ehe sie dem Grafen Anton ein Versöhnungsküsschen gab, dass er über beide Backen strahlte und murmelte: “Auf meine Büdinger ist halt doch Verlaß!“ Dafür war der Geräuschpegel auf dem Marktplatz ins Unerträgliche gewachsen, der Marktmeister Mörschel wurde der großen Sprünge des grünen Gewimmels kaum noch Herr. Es musste etwas geschehen, und mit Sorgenfalten zog sich der Stadtrat ins Wirtshaus “Zum Schwanen“ zur Beratung zurück. Es musste ja etwas geschehen, aber was? Wie sich die Frösche nun vom Halse schaffen? |
|
Überlasst das doch der Feuerwehr, sagte jemand. Viel zu feucht das Material für einen Scheiterhaufen, und gegrillte Froschschenkel sind sowieso out. Dann müssen die Metzger ran, sagte der Wirt. Die aber beriefen sich höflich auf ihre Zunftordnung, die der Graf höchstpersönlich gewährt hatte und wo von Fröschen nicht die Rede war. Dann bleiben nur die Schützen, hieß es in der Runde, aber der Schützenmeister winkte erschrocken ab: Man habe nur das Scheibenschiessen geübt, die Armbrustbolzen seien für die Verteidigung der Stadt abgezählt, und wo solle man - bitte schön - die Froschleichen entsorgen, da die Biotonne noch nicht eingeführt sei. Daraufhin zog sich der Rat nochmals ins Nebenzimmer zurück, man spürte die Köpfe förmlich rauchen, bis der Beschluss verkündet wurde. Die Bürgermeister der Alt- und Neustadt traten auf den Markt hinaus: Wir haben eine ökologisch einwandfreie Problemlösung gefunden, die auch den Stadtsäckel nicht weiter belastet. Wir werden die Frösche im Seemenbach ertränken! – Den Bürgern fällt es wie Schuppen von den Augen. Warum ist man nicht gleich darauf gekommen! Eine weise Entscheidung! Und so schickte man den Stadtboten aus dem Fanfarenzug ins Schloss und bittet das hohe Grafenpaar ganz untertänig, sich per Sänfte an die Mühltorbrücke zu begeben, um an dem Spektakel teilzunehmen. Wieder werden die Körbe, Eimer, Schnappsäcke und Jutetaschen gefüllt und geschultert und ab geht es mit dem zappeligen Inhalt zur Mühltorbrücke. Hier am Schlaghaus öffnet man die Behältnisse und lässt den Inhalt in den Seemenbach klatschen. Ein kurzes Zappeln im Wasser, und nichts mehr ist zu sehen. „Es klappt, es klappt!“, jubeln die Büdinger! |
|
Abends erhob sich dann doch wieder ein leichtes Gequake. Das kann nur das Echo von den wenigen überlebenden Fröschen sein, die in Richtung Düdelsheim abgetrieben wurden, behaupteten Bürgermeister und Rat und ließen die Aktion im Stadt- und Gerichtsbuch als vollen Erfolg protokollieren. Und die Gräfin Elisabeth! Irgendwie hatte sie die Aktion doch überzeugt, denn es ist nicht bekannt, dass sie sich jemals wieder durch die Frösche gestört fühlte - oder sie hat sich vielleicht doch an die nächtlichen Laute gewöhnt und ist so zu einer echten Büdingerin geworden. Denn seit dieser Zeit, als sich die Büdinger auf den umliegenden Jahrmärkten und Schützenfesten gern damit brüsteten, dass die „Schönste Stadt Deutschlands“ auch die von Fröschen sauberste sei, seitdem werden sie von ihren Nachbarn nur noch die „Frääsch“ genannt. Und die Büdinger fassen dies als Ehrentitel auf und sind nicht wenig stolz auf ihre Aktion, denn darauf muss man erst einmal kommen. Nur die Frösche spielen seit dieser Zeit die Beleidigten, daher auch die Büdinger Redensart:“Nun sei kein Frosch!“ |
Quelle:
Weiter zu Schutz für heimnische Amphibien