Karibische Seekuh (Trichechus manatus) im Tierpark Berlin
© Klaus Rudloff, Berlin
Überordnung: AFROTHERIA
Taxon ohne Rang: PAENUNGULATA
Ordnung: Seekühe (SIRENIA)
Familie: Manatis (Trichechidae)
Nagelmanati, Karibische Seekuh
Trichechus manatus • The West Indian Manatee • Le lamantin des Caraïbes
- Körperbau und Körperfunktionen
- Verbreitung
- Lebensraum und Lebensweise
- Gefährdung und Schutz
- Bedeutung für den Menschen
- Haltung
- Taxonomie und Nomenklatur
- Literatur und Internetquellen
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Das Nagelmanati ist der einzige Vertreter der Seekühe, der in Europa gehalten wird. Als stark ans Wasserleben angepasste Art, die sich im Gegensatz zu den Robben oder Delfinen nicht von Fischen, sondern ausschließlich von Pflanzenmaterial ernährt, ist es zoopädagogisch interessant und als gefährdete Art gibt es bei guter Präsentation einen ausgezeichneten Botschafter für den Meeres-, Natur und Artenschutz in seiner Heimatregion ab. Körperbau und KörperfunktionenNagelmanatis oder Karibische Seekühe erreichen eine Gesamtlänge von 250-390(-450) cm und dementsprechend ein Gewicht von 300-800 (-1'620 ?) kg. Ihr Kopf ist klein und geht ohne erkennbaren Hals in den walzenförmigen Körper über. Die Augen sind kein, die verschließbaren Nasenlöcher endständig und sich nach oben öffnend, die Oberlippe ist breit und beweglich. Sie trägt Borsten und dient als Greiforgan. Ohrmuscheln sind nicht vorhanden. Die Vordergliedmaßen sind zu Flossen umgewandelt, die noch rudimentäre Fingernägel tragen (daher der Name "Nagelmanati"). Die Hintergliedmaßen sind wie bei den Walen bis auf geringe Reste des Beckens verschwunden. Der Schwanz ist als runde Floße ausgestaltet [4; 7]. VerbreitungKaribik, Nord- Mittel- und Südamerika von Florida (und saisonal weiter nördlich bis auf die Breite von New York) bis Brasilien: Bahamas, Belize, Brasilien, Cayman Islands, Costa Rica, Dominikan. Republik, Fanzösisch Guiana, Guatemala, Guyana, Honduras, Jamaika, Jungferninseln (Britische und amerikanische), Kolumbien, Kuba, Mexiko, Niederländische Antillen (Bonaire, Curaçao), Nikaragua, Panama, Puerto Rico, Surinam, Trinidad und Tobago, Venezuela, Vereinigte Staaten. Regional ausgestorben auf Anguilla, Antigua und Barbuda, Aruba, Barbados, Dominica, Grenada, Guadeloupe, Martinique, Montserrat, Saint Barthélemy, Saint Kitts und Nevis, Saint Lucia, Saint Martin, Saint Vincent und Grenadinen, sowie vermutlich Turks und Caicos [1]. Lebensraum und LebensweiseKaribische Seekühe besiedeln flache Meeresküsten, Lagunen, Ästuare und stehende oder langsam fließende Süßgewässer, die eine ausreichende Nahrungsgrundlage bieten. Sie unternehmen saisonale Wanderungen. Gefressen werden Seegräser (Thalassia-, Halodule-, Halophila-, Syringodium-Arten), Süßwasserpflanzen, Mangrovenblätter und vom Wasser aus erreichbare Ufervegetation. Die Tiere werden mit (3-)4-5 Jahren geschlechtsreif. Nach einer Tragzeit von 11-14 Monaten wird ein einzelnes Junges geboren, sehr selten Zwillinge. Die Jungtiere haben ein Geburtsgewicht von 18-25 kg und eine Länge von etwa 120 cm. Sie werden nach 1-2 Jahren entwöhnt. Die Geburtsintervalle betragen 2.5 Jahre [1; 4; 7]. Gefährdung und SchutzDie Karibische Seekuh gilt seit 1982, letztmals überprüft 2008, als gefährdete Tierart (Rote Liste: VULNERABLE), weil der Bestand an erwachsenen Tieren unter 10'000 Individuen liegt und abnimmt. Die beiden gegenwärtig anerkannten Unterarten werden jede für sich als stark gefährdet (ENDANGERED) taxiert. In Teilen ihres ursprünglichen Verbreitungsgebiets ist die Art bereits ausgestorben [1]. Der internationale Handel ist durch CITES-Anhang I eingeschränkt. Ferner fallen die zwischen Honduras und Panama zirkulierenden Populationen unter die Anhänge I und II des Bonner Übereinkommens über wandernde Tierarten. Zoogestütztes Artenschutzprojekt (Beispiel):
Bedeutung für den MenschenManatis sind durch nationale Gesetzgebungen geschützt, werden aber im karibisch-südamerikanischen Raum immer noch - aber mit abnehmender Tendenz - zur Fleischgewinnung gejagt [25]. HaltungSeekühe wurden früher als träge angesehen und in Becken gehalten, in denen sie kaum schwimmen konnten, was ihnen nicht unbedingt gut bekam. Die Welterstzucht, von bereits trächtig eingefangenen Tieren einmal abgesehen, gelang daher erst 1975 im Miami Seaquarium. Heute erfolgt die Haltung in der Regel in geräumigen Becken, oft vergesellschaftet mit Fischen und Wasserschildkröten, eventuell mit wasserlebenden Vögeln [5]. Karibische Seekühe sind sehr langlebig. Ein im Miami Seaquarium geborenes Tier starb im Alter von 56 Jahren im Parker Manatee Aquarium in Bradenton FL [6]. Haltung in europäischen Zoos: Das Nagelmanati ist seit über 40 Jahren die einzige in Europa gezeigte Seekuhart. Es wird in rund 10 Zoos gehalten, darunter der Tiergarten Nürnberg. Die europäische Erstzucht gelang 1977 im Artis-Zoo Amsterdam, die Erstzucht in Deutschland 1981 im Tiergarten Nürnberg. Für Details siehe Zootierliste. Seit 2008 gibt es ein Europäisches Erhaltungszuchtprogramm (EEP), das vom Tiergarten Nürnberg koordiniert wird. Bis 2019 wurden 24 Kälber geboren, von denen 17 noch lebten, womit die EAZA-Population Stand November 2019 auf 36 anstieg. 2023 umfasste das Programm 59 (33.26) Exemplare in 12 Zoos (davon 2 außereuropäische). Der Bestand geht auf nur 6 Gründertiere zurück [9]. Wie Manatis gehalten werden - Beispiele:
Im Manatihaus des Tiergartens Nürnberg steht den Tieren eine Wasserfläche von ca. 350 m² und ein Wasservolumen von 700'000 l zur Verfügung. Die Wassertemperatur beträgt 26-28°C, die Lufttemperatur 24-32°C. Die Manatis sind vergesellschaftet mit Perlmutt-Buntbarschen (Geophagus brasiliensis), Schwarzen Pacus, Schwarzen Dornwelsen und Waben-Schilderwelsen [3; 11]. Forschung im Zoo (Beispiele): Mit dem Ziel zu allgemeingültigen Richtlinien zur Haltung von Seekühen und zur Grundlagenforschung im Bereich der akustischen Kommunikation beizutragen, wurde im Tiergarten Nürnberg anhand von Verhaltensbeobachtungen und der Aufnahme von akustischer Kommunikation der Seekuh-Gruppe analysiert, ob die Tiere in der neuen Anlage angemessen gehalten werden und inwiefern Wechselwirkungen zwischen der akustischen Kommunikation, der Sozialstruktur und der circadianen Rhythmik der Tiere, auftraten [3]. Ebenfalls in Nürberg wurde ein Ethogramm der Karibischen Seekuh unter den Haltungsbedingungen der neuen Anlage erstellt [2]. Mindestanforderungen an Gehege: Für manche der Vorgaben im Säugetiergutachten 2014 des BMEL gibt es keine wissenschaftlichen Grundlagen. Seekühe sind in beliebiger sozialer Konstellation extrem verträglich und konkurrieren nicht um den Platz. Eine Abtrennung einzelner Tiere ist nur in medizinischen Notfällen nötig. Für diesen Zweck muss neben dem Hauptbecken ein abtrennbares Becken vorhanden sein. Aufgrund von Tierhaltererfahrung sind nach Ansicht der Tierschutzsachverständigen der Zoos folgende Dimensionen für das Hauptbecken ausreichend: Für bis zu 4 Tiere (anstatt für 2) eine Wasserfläche von mindestens 150 m² und ein Volumen von 270 m³. Für jedes weitere erwachsene Tier sollen mindestens 25 m² mehr bereitgestellt werden. Die Wassertiefe muss im Mittel 1,8 m und zumindest teilweise bis zu 2,5 m betragen, und der tiefe Bereich muss den Tieren ausreichende Bewegungsmöglichkeiten bieten. Diese Dimensionen übertreffen jene der Vereinigten Staaten (Fläche pro Tier 14.47 m², Tiefe 1.52 m) und der Schweiz. Die Wasserqualität bedarf laufender Kontrolle, Luftqualitätsmessungen sind dagegen überflüssig. Die Möglichkeit einer getrennten Entleerung einzelner Beckenbereiche sowie eine flache Strandzone sind wünschenswert. Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2024) schreibt für die Haltung von 2 Seekühen ein Becken mit einer Fläche von 80 m² und einer mittleren Tiefe von 2 m vor. Für jedes weitere Tier ist die Beckenfläche um 20 m² zu erhöhen. Die Anforderungen der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2024) fordert für je 2 Paare mit je einem Jungtier drei abtrennbare, um eine Insel angeordnete Wasserareale mit zusammen einer Wasserfläche von mindestens 300 m² und Tiefen von 40 cm bis 4 m. Für jedes weitere erwachsene Tier sind 10% der Fläche zusätzlich vorzusehen. Taxonomie und NomenklaturDie Art wurde 1758 von Carl von LINNÉ unter ihrem heute noch gültigen Namen beschrieben, Es werden zwei Unterarten anerkannt: die Nominatform in Mittel- und Südamerika und der Karibik sowie T. m. latirostris an der Küste Nordamerikas und Binnengewässern Floridas [7; 8]. LINNÉ stellte in der 12. Auflage seines Systema Naturae die Gattung Trichechus, zu der er neben dem Manati auch das Walross zählte, zusammen mit Elefant, Faultier, Ameisenbär, Schuppen- und Gürteltier in die Ordnung "Brutae" (brutus = schwer, aber auch blöde). Bei manatus verwies er darauf, dass die Oberlippe mit starren Borsten besetzt sei, was ja auch für das Walross zutrifft. Dies dürfte der Grund dafür gewesen sein, die Gattung "Trichechus" zu nennen. θρίξ ("thríx") bedeutet auf Altgriechisch Haar oder Borste, ἔχειv ("échein") haben, besitzen. |
Literatur und Internetquellen
- DEUTSCH, C.J. et al. (2008). Trichechus manatus. The IUCN Red List of Threatened Species 2008: e.T22103A9356917. http://www.iucnredlist.org/details/22103/0. Downloaded on 23 May 2018
- HÜTTNER, T. (2012)
- KAPPEL, I. (2012)
- MOHR, E. (1957)
- PUSCHMANN, W., ZSCHEILE, D., & ZSCHEILE, K. (2009)
- WEIGL, R. (2005)
- WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
- WILSON, D. E. & REEDER, D. M. (2005)
- ZOOQUARIA 106: 6-7 und 2022 EAZA Regional Collection Pland Marine Mammals
- LINNÉ, Carl von (1735-1768)
- TIERGARTEN NÜRNBERG
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