Braunbrustigel (Erinaceus europaeus), im Juli in Privatgarten, Liebefeld-Bern
© Peter Dollinger, Zoo Office Bern
Überordnung: Insektenfresser (INSECTIVORA / EULIPOTYPHLA)
Ordnung: Igelverwandte (ERINACEOMORPHA)
Familie: Igel (Erinaceidae)
Unterfamilie: Stacheligel (Erinaceinae)
Braunbrustigel, Westeuropäischer Igel
Erinaceus europaeus • The European Hedgehog • Le hérisson commun
- Körperbau und Körperfunktionen
- Verbreitung
- Lebensraum und Lebensweise
- Gefährdung und Schutz
- Bedeutung für den Menschen
- Haltung
- Taxonomie und Nomenklatur
- Literatur und Internetquellen
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Der Braunbrustigel ist ein einheimischer Kulturfolger, der wildlebend in vielen zoologischen Einrichtungen vorkommt. Manche Zoos päppeln pflegebedürftige Igel auf. Permanent gehalten wird er aber in Mitteleuropa nur selten. Körperbau und KörperfunktionenDer Braunbrustigel erreicht eine Kopf-Rumpflänge von (16-)25-30 cm, eine Schwanzlänge von 25 (12-44) mm und ein Gewicht von etwa 1.5 kg. Die Stacheln sind dunkelbraun mit hellen Spitzen. Der Bauch ist etwas heller, graubraun, ein weißer Brustfleck ist nicht vorhanden. Die Weibchen haben 5 Paar Zitzen [2; 3]. VerbreitungEuropa: Belgien, Dänemark, Deutschland Estland, Finnland; Frankeich; Großbritannien, Irland; Italien, Kroatien, Lettland, Liechtenstein, Luxemburg; Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Russland, Schweden, Schweiz, Slowenien, Spanien, Tschechien [1]. Lebensraum und LebensweiseBraunbrustigel sind überwiegend nachtaktive, einzeln lebende Bewohner von Parks und Gärten, Laub- und Mischwäldern und gehen im Gebirge bis auf eine Höhe von etwa 2'000 m. Sie ernähren sich von Käfern, Raupen, Würmern und anderen Wirbellosen, Fröschen, Echsen, Schlangen, Kleinsäugern, Vogeleiern, Pilzen und Obst. Sie bauen Nester aus Laub und Gras in Nischen und Höhlen. Pro Jahr wird in der Regel ein Wurf von 4-5 (3-10) blinden Jungen geboren. Diese werden mit 4-6 Wochen entwöhnt und werden mit etwa einem Jahr geschlechtsreif [3; 4]. Der Braunbrustigel ist ein echter Winterschläfer, der sich in Mitteleuropa in sein Winterquartier einwühlt und sich dort einrollt, wenn die Umgebungstempertur unter 15-17ºC absinkt. Während des Winterschlafs atmet er nur noch 5-8 mal, und sein Herz schlägt nur noch 18-22 mal pro Minute. Die Köroertemperatur kann bis auf ungefähr 5ºC (1.5-6ºC) absinken [4]. Obwohl als Kulturfolger in unmittelbarer Nähe zum Menschen lebend, blieb Vieles über die Lebensweise des Igels lange unbekannt. So enthält Conrad GESNERS Beschreibung des Igels aus dem Jahr 1563 [9] mehr Dichtung als Wahheit: "Zweierlei geschlechs deß Igels werden zu unseren zeiten gefunden / der ein hat ein rüssel gleich einer Sauw / wird genannt auf Teutsch Sauwigel: der ander aber ein schneugen wie ein Hund / wird auß der ursach genennt Hundsigel. Sie haben ein unterscheid von den orten her: dann etliche sein wild / werden in den wildnüßen und höltzeren gefunden: etliche aber bey den heüseren. Feißt als ein sauw ist der Igel so er entbestet ist oder geschunden: haben ihre hoden in dem leib / mehren sich nicht auf weiß und form als andere Thier so sie nicht aufsitzen mögen von wegen ihren dörnen / sondern mit auffrechten leib / oder stehend mit ihren beüchen. Gefährdung und SchutzDer Braunbrustigel ist eine endemische Art Europas. Er ist hier weit verbreitet und häufig. Er galt daher aufgrund einer Beurteilung aus dem Jahr 2016 nicht als gefährdet. Gemäß einer Neubeurteilung aus dem Jahr 2023 wurden aber in mehr als der Hälfte der Länder, in denen die Art vorkommt, Rückgänge der Bestände festgestellt. Aus anderen Ländern liegen keine Populationsdaten vor, es wird jedoch vermutet, dass die Art auch dort durch Lebensraumveränderungen, intensive landwirtschaftliche Praktiken und andere anhaltende Bedrohungen unter Druck steht. Seit 2024 ist sie deshalb in der Kategorie "potenziell gefährdet" (Rote Liste: NEAR THREATENED)aufgeführt [1]. Der internationale Handel ist unter CITES nicht geregelt. Der Braunbrustgel ist eine geschützte Tierart nach Anhang 3 des Berner Übereinkommens über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume. Zoogestützte Artenschutzprojekte (Beispiele):
Bedeutung für den MenschenDa Igel bei Gefahr nicht flüchten, sondern sich "einigeln", werden sie häufig Opfer des Straßenverkehrs. Als Kulturfolger machen sie sich oft in Gärten bemerkbar und werden von gut meinenden Leuten behändigt und "gerettet", d.h. ins Haus genommen oder zu einem Zoo oder einer Igelstation gebracht. Dies ist grundsätzlich unzuläßig, es sei denn, das Tier benötige wirklich Hilfe. Pflegebedürftig sind verletzte oder offensichtlich kranke Igel, eindeutig mutterlose Igelsäuglinge sowie Jungigel, die Ende Oktober das notwendige Winterschlafgewicht von 700 Gramm noch nicht erreicht haben [2]. Wer Igel zur Pflege aufnimmt, muss sich darüber im Klaren sein, dass dies mit sehr viel Aufwand verbunden ist, wie Walter und Christl PODUSCHKA [4] schön beschreiben. Wildlebende Igel sind auch so gut wie immer voll von Flöhen und Zecken und leiden an Lungenwürmern (Capillaria aerophila, Crenosoma striatum) und Darmparasiten (Capillaria erinacei, Capillaria ovoreticulata, Brachylaemus erinacei, Hymenolepis erinacei, Kokzidien), die mit den entsprechenden Medikamenten anzugehen sind. Sie sind auch empfänglich für das durch Zecken übertragene Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus (FSME) und können, ohne notwendigerweise selbst zu erkranken, ein Reservoir für diese auch für den Menschen gefährliche Krankheit darstellen [6]. Igel, die in menschlicher Obhut überwintert wurden, sollen mindestens auf das Gewicht aufgefüttert werden, das sie vor dem Einwintern hatten und sollen dann ab Mitte April bis spätestens Mitte Mai an einem Abend wieder freigelassen werden, wenn immer möglich und vertretbar am Fundort. Wenn möglich, sollte man nach der Freilassung noch einige Tage abends zufüttern. Kulturelle Bedeutung: Igel sind Hauptdarsteller des bekannten Grimm-Märchens "Der Hase und der Igel". Christian Morgenstern hat ihnen ein Galgenlied gewidmet. Wilhelm Busch erwähnt den Igel in seinem Naturgeschichtlichen Alphabet: "Trau ja dem Igel nicht, er sticht, - Der Iltis ist auf Mord erpicht." und hat eine alte Fabel in ein Gedicht umgewandelt. Und dann gibt's "noch'n Gedicht" von Heinz Erhardt. Eine im deutschen Sprachraum sehr populäre Figur ist der Igel "Mecki". Diese Igelpuppe geht auf einen während des Dritten Reiches produzierten Tiertrickfilm zurück und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als Maskottchen der Programmzeitschrift Hörzu aufgebaut. Den Namen "Mecki" erhielt sie nach einem Hörzu-Redakteur namens Mecklenburg. Von 1952 bis 1964 erschien jeweils zu Weinachten ein "Mecki"-Bilderbuch im Verlag Hammerich & Lesser. Etwa während desselben Zeitraums wurden zahlreiche "Mecki"-Filme produziert. Auch die Margarethe Steiff GmbH in Giengen (Baden-Württemberg) nahm sich der Figur an und kreierte verschiedene Mecki-Puppen. HaltungDas Höchstalter im Zoo wird mit 11 Jahren und 8 Monaten angegeben [7]. Es wurde von einem Männchen erreicht, das in amerikanischen Zoos geboren und gehalten worden war. Haltung in europäischen Zoos: Die Art wird als Teil des Tierbestands in rund 45 Zoos gehalten, von denen sich nur wenige im deutschsprachigen Raum befinden. Für Details siehe Zootierliste. Mindestanforderungen an Gehege: Das Säugetiergutachten 2014 des BMEL gibt für 1-2 Tiere eine Mindestfläche von 2 m², für für jedes weitere Tier 1.5 m² zusätzlich an. In der Tierschutzverordnung der Schweiz (Stand 01.06.2024)ist der einheimische Igel von Anhang 2 ausgenommen. Die 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (2024) verlangt für ein Tier 6 m². Für jedes weitere Tier ist die Fläche um 0.6 m² zu erhöhen. Taxonomie und NomenklaturDer Braunbrustigel wurde 1758 von Carl von LINNÉ unter seinem heute noch gültigen Namen beschrieben [1; 3]. Die Art ist monotypisch. Gebietsweise überlappt sich ihr Areal mit dem des Nördlichen Weißbrustigels (E. roumanicus) [8]. |
Literatur und Internetquellen:
- GAZZARD, A. & RASMUSSEN, S.L. 2024. Erinaceus europaeus. The IUCN Red List of Threatened Species 2024: e.T29650A213411773. https://www.iucnredlist.org/species/29650/213411773. Accessed on 29 October 2024.
- FRITZSCHE, H. (1985)
- GRIMMBERGER, E. & RUDLOFF, K. (2009)
- GRZIMEK, B. (1966)
- PODUSCHKA, W. & CH. (1972)
- SCHÖNBÄCHLER, K., HATT, J.-M., SILAGHI, C., MERZ, N., FRAEFEL, C. & BACHOFEN, C. (2019)
- WEIGL, R. (2005)
- WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
- GESSNER, C., FORRER, K. & HEROLD, J. (1563)