Insektenfresser - Allgemeines

Braunbrustigel (Erinaceus europaeus) im Zoo Moskau
© Klaus Rudloff, Berlin

Klasse: Säugetiere (MAMMALIA)
Unterklasse: Höhere Säugetiere (EUTHERIA)
Überordnung: LAURASIATHERIA
Ordnung:

Insektenfresser

Insectivora (=Eulipotyphla) • The Insect-eaters • Les insectivores

103 005 008 003 erinaceus europaeus BREHM„Geripp des Igels“ aus BREHMs Thierleben (1882-1887) (= Erinaceus europaeus)

103 005 007 001 Atelerix albiventris mut priv KR1Afrikanischer Weißbauchigel (Atelerix albiventris), Zuchtform "dark grey" in Privathaltung © Klaus Rudloff, Berlin

103 005 007 002 atelerix frontalis BER KR1Kapigel (Atelerix frontalis) im Zoo Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

103 001 001 001 Solenodon cubanus BREHM„Almiqui (Solenodon cubanus)“ aus BREHMs Thierleben (1882-1887), nach der Natur gezeichnet von G. Mützel

103 001 001 0022 Solenodon paradoxus NKMBerlin KR1Haiti-Schlitzrüssler (Solenodon paradoxus), Dermoplastik im Naturkundemuseum Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

103 007 0202 009 suncus murinus pilsen KR3Moschusspitzmaus (Suncus murinus) im Zoologisch-Botanischen Garten Pilsen © Klaus Rudloff, Berlin

103 005 007 117 crocidura russula sorex araneus BREHM„Hausspitzmaus (Crocidura Araneus) und Waldspitzmaus (Sorex vulgaris)“ ) aus BREHMs Thierleben (1882-1887), gezeichnet von G. Mützel (= Sorex araneus und Crocidura russula)

103 007 005 125 crocidura suaveolens BREHMWimperspitzmaus (Crocidura suaveolens) = Gartenspitzmaus aus BREHMs Thierleben (1882-1887), gezeichnet von G. Mützel

103 007 007 001 diplomesodon pulchellum moskau KR4Gescheckte Wüstenspitzmaus (Diplomesodon pulchellum) im Zoo Moskau © Klaus Rudloff, Berlin

103 007 012 002 neomys fodiens BREHM„Wasserspitzmaus (Crossopus fodiens)“ aus BREHMs Thierleben (1882-1887), nach der Natur gezeichnet von G. Mützel (= Neomys fodiens)

103 006 011 002 talpa europaea BREHM„Maulwurf (Talpa europaea)“ aus BREHMs Thierleben (1882-1887), nach der Natur gezeichnet von G. Mützel

103 006 002 001 desmana moschata cernogolovka KR4Russischer Desman (Desmana moschata) in der Forschungsstation Cernogolovka © Klaus Rudloff, Berlin

 

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Die Insektenfresser sind primitive Kleinsäuger mit im Verhältnis zum Hirnstamm kleinem, ungefurchtem Großhirn, aber gut entwickeltem Riechhirn und stark vorspringender Schnauzenpartie mit oft rüsselartig verlängerter Nase, wogegen die Augen als Anpassung an die nächtliche oder unterirdische Lebensweise meist relativ klein oder reduziert sind.

Artenspektrum und innere Systematik

Insgesamt umfasst die Ordnung (Stand 2022) vier noch lebende Familien, 61 Gattungen mit 566 Arten (122 mehr als noch 2005), davon entfallen 10 Gattungen mit 26 Arten auf die Igel (Erinaceidae), 29 Gattungen mit 478 Arten auf die Spitzmäuse (Soricidae), 19 Gattungen mit 60 Arten auf die Maulwürfe (Talpidae) und 2 Gattungen mit je einer Art auf die Schlitzrüssler (Solenodontidae) [13]. Eine fünfte Familie, die Karibischen Spitzmäuse (Nesophontidae), ist nach der Besiedlung der Karibik durch die Europäer als Folge von  Konkurrenz und Prädation durch eingeschleppte Mäuse und Ratten ausgestorben. 491 noch lebenden Arten werden durch die Rote Liste der IUCN erfasst (Stand 2024). 12 Arten gelten als unmittelbar vom Aussterben bedroht (CRITICALLY ENDANGERED), 391 als stark gefährdet (ENDANGERED), 25 als gefährdet (VULNERABLE), 13 als potenziell gefährdet (NEAR THREATENED) und 294 als nicht gefährdet (LEAST CONCERN. Die übrigen konnten aufgrund mangelhafter Daten keiner Kategorie zugeordnet werden [4; 9; 12].

Körperbau und Körperfunktionen

Die einzelnen Familien der Insektenfresser haben sich an unterschiedliche Lebensweisen angepasst, was sich in ihrem Aussehen niederschlägt. Allen gemeinsam sind spitzhöckrige Backenzähne und dass sie sich hauptsächlich von tierischem Eiweiß, vorab Wirbellosen, ernähren und eine hohe Stoffwechselaktivität haben. Die Gebärmutter ist zweihörnig, die Hoden befinden sich im Körperinnern oder in einem Scrotum, das vor dem Penis liegt. Die Jungen sind Nesthocker. Die meisten Arten leben solitär, manche können in einen Torpor verfallen oder einen Winterschlaf halten, um Energie zu sparen [2; 10].

Die Igel haben eine Kopf-Rumpflänge von 13.5 bis 30 cm und ein Gewicht von 400-1100 g. Ihr Körper ist gedrungen der Schwanz sehr kurz, äußerlich oft nicht sichtbar. Verglichen mit anderen Insektenfressern sind ihre Augen und Ohrmuscheln relativ groß. Sie haben 36-44 Zähne. Alle Igel sind Sohlengänger, sie haben vorne 5, hinten meist 5, einige Arten 4 Zehen. Die Weibchen haben 2-5 Paar Zitzen. Bei den Echten Igeln (Erinaceinae) ist der Rücken zur Feindvermeidung mit Stacheln besetzt, und bei Gefahr oder zum Schlafen können sie sich zusammenkugeln. Die Haar- oder Rattenigel (Echinosoricinae) haben kein Stachelkleid und wehren sich gegen Fressfeinde mit dem übelriechenden Sekret ihrer Duftdrüsen. Igel sind überwiegend nachtaktiv und bodenlebend, einzelne Haarigeln klettern auch im Geäst [2; 10].

Die Schlitzrüssler sind rattenähnliche Tiere mit einer Kopf-Rumpflänge von rund 30 cm und einem Gewicht von etwa 1 kg. Der beschuppte, beinahe haarlose Schwanz ist 17.5-25.5 cm lang. Sie haben eine lange Rüsselschnauze, 40 Zähne, ein borstiges Haarkleid und an jedem Fuß 5 Zehen. Beim Gehen setzen sie bei den Vorderfüssen die Sohlen, bei den Hinterfüßen nur die Zehen auf. An den Körperseiten befinden sich in der Achsel und Leistengegend Duftdrüsen, die Speicheldrüsen sind sehr groß und produzieren ein Neurotoxin-haltiges Sekret, das über eine Furche an der Innenseite der 2. unteren Schneidezähne in Beutetiere injiziert werden kann. Die Weibchen haben ein Paar Zitzen. Schlitzrüssler sind dämmerungs- und nachtaktive Bewohner von Bergwäldern, die den Tag, zumeist in kleineren Gruppen, in Felsspalten oder Baumhöhlen verbringen. Sie leben hauptsächlich auf dem Boden, können aber auch etwas klettern [2; 5; 10].

Unter den Spitzmäusen  findet sich das kleinste Säugetier, die Etrukserspitzmaus (Suncus  etruscus) mit einer Gesamtlänge von 6 bis 8 cm, wovon bis zu 3 cm auf den Schwanz entfallen, und einem Gewicht von bis zu 2 Gramm. Die grössten Formen erreichen eine Kopf-Rumpflänge von bis zu 18 cm und eine Schwanzlänge bis zu 11 cm. Spitzmäuse haben 26-32 Zähne, ein kurzes, dichtes Fell und an jedem Fuß 5 Zehen. An den Körperseiten befinden sich Drüsen, die ein nach Moschus duftendes Sekret ausscheiden, bei manchen Arten, etwa den Wasserspitzmäusen (Neomys spp.) oder den Amerikanischen Kurzschwanzspitzmäusen (Blarina spp.) produzieren die Speicheldrüsen ein Nervengift. Die Weibchen haben 2-5 Paar Zitzen. Bei manchen Arten bilden die Jungen von der Mutter angeführte Karawanen, indem sie sich oberhalb der Schwanzwurzel des Vordertiers festbeißen und sich so im Gänsemarsch fortbewegen. Die meisten Arten leben terrestrisch, einige sind aquatil und haben Schwimmhäute oder Borstensäume an den Füßen, die ihnen die Fortbewegung im oder auf dem Wasser erleichtern [1; 2; 10].

Zu den Maulwürfen gehören neben den typischen unterirdisch lebenden Eigentlichen Maulwürfen, dem chinesischen Langschwanzmaulwurf (Scaptonyx fusicaudus) und dem amerikanischen Sternmull (Condylura cristata), deren Hände zu Grabschaufeln umfunktioniert sind, spitzmausähnliche, hautsächlich oberirdisch lebende Formen sowie die an das Wasserleben angepassten Desmane (Desmana moschata, Galemys pyrenaicus). Die Kopf-Rumpflänge liegt zwischen 6.5 und 21.5 cm, das Gewicht zwischen 9 und 170 Gramm. Die Schwanzlänge variiert je nach Art. Das Fell der Maulwürfe ist kurz und dicht. Sie haben an jedem Fuß 5 Zehen, bei grabenden Formen kann das Sichelbein (Os falciforme) an den Händen einen sechsten Strahl bilden. Die Weibchen verfügen über 3-4 Paar Zitzen [2; 5; 10].

Verbreitung

Die Igel kommen in Afrika, Europa und Asien vor, die Schlitzrüssler sind auf Kuba und Haiti beschränkt, die Spitzmäuse sind beinahe weltweit verbreitet, sie fehlen nur in Australien, der Antarktis und Teilen Südamerikas, und die Verbreitung der Maulwürfe erstreckt sich von Nordamerika über Eurasien bis in die orientalische Region hinein.

Haltung im Zoo

Insektenfresser sind aus verschiedenen Gründen keine beliebten Zootiere. Die Zootierliste führt 2024 lediglich sechs Arten auf, die in europäischen Zoos gehalten werden.

Am häufigsten sind noch einheimische Igel (Erinaceus spp.), für welche Zoos bisweilen als Auffangstation dienen, Weißbauchigel (Atelerix spp.) und Langohrigel (Hemiechinus spp.), wobei allerdings die Zahl der Haltungen bescheiden ist. Von den Spitzmäusen, die eine natürlicherweise kurze Lebenserwartung haben und hinsichtlich Attraktivität nicht mit z.B. Rüsselspringern konkurrieren können, trifft man nur wenige Arten sporadisch an. Wegen ihrer besonderen Haltungsanforderungen noch seltener sind die Maulwürfe, von denen, wenn schon, fast nur die einheimischen Arten gehalten werden. Schlitzrüssler sind seit über vier Jahrzehnten in Europa nicht mehr zu sehen [5; 11].

Taxonomie und Nomenklatur

In seinem grundlegenden Werk über die Taxonomie der Säugetiere fasste der amerikanische Palaeontologe und Zoologe George Gaylord SIMPSON sieben Familien in der seit 1821 bestehenden Ordnung Insectivora zusammen [6]. Bisweilen wurden auch noch die Spitzhörnchen und die Flattermakis dazugerechnet. Nachdem die Tenrekartigen (mit den Otterspitzmäusen) und die Goldmulle als eigenständige Ordnung Afrosoricida und die Rüsselspringer als Macroscelidea den Afrotheria zugeordnet wurden [7; 8], blieben noch vier lebende Familien bei den zu Eulipotyphla umbenannten Insectivoren.

Nach einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2000 [3] wurden die Igelverwandten (Erinaceomorpoha) zu einer eigenen Ordnung erhoben und die restlichen drei Familien zur Ordnung Soricomorpha zusammengefasst [9]. Dies ist jedoch nicht unumstritten [5] und wird z.B. im Rahmen der Roten Liste der IUCN oder im HANDBOOK nicht nachvollzogen [4; 12].

Literatur und Internetquellen

  1. GRIMMBERGER, E. & RUDLOFF, K. (2009)
  2. HERTER, K. & THENIUS, E. (1970). In GRZIMEKs TIERLEBEN.
  3. MOUCHATY, S.K., GULLBERG, A., JANKE, A. & ARNASON, U. (2000)
  4. IUCN Red List of Threatened Species. Version 2022-2. Downloaded on 06 January 20123.
  5. PUSCHMANN, W., ZSCHEILE, D., & ZSCHEILE, K. (2009)
  6. SIMPSON, G. G. (1945)
  7. SPRINGER, M. S., CLEVEN, G. C. et al. (1997)
  8. STANHOPE, M. J., WADDELL, V. G. et al. (1998)
  9. WILSON, D. E. & REEDER, D. M. (2005)
  10. ZISWILER, V. (1976)
  11. ZOOTIERLISTE
  12. WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
  13. ASM MAMMAL DIVERSITY DATABASE