Coquerel-Sifaka (Propithecus coquereli) im Tierpark Berlin
© Wolfgang Dreier, Berlin
Überordnung: EUARCHONTOGLIRES
Ordnung: Affen und Halbaffen (PRIMATES)
Unterordnung: Halbaffen (Prosimiae / Strepsirrhini)
Teilordnung: Maki-Verwandte (Lemuriformes)
Familie: Makis (Lemuridae)
Coquerel-Sifaka
Propithecus coquereli • The Coquerel's Sifaka • Le propithèque, ou sifaka, de Coquerel
- Körperbau und Körperfunktionen
- Verbreitung
- Lebensraum und Lebensweise
- Gefährdung und Schutz
- Bedeutung für den Menschen
- Haltung
- Taxonomie und Nomenklatur
- Literatur und Internetquellen
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Der Coquerel-Sifaka ist ein vom Aussterben bedrohter Halbaffe aus Madagaskar. In Europäischen Zoos gibt es erst seit 2021 einen kleinen Bestand, für den ein Zuchtprogramm (EEP) eingerichtet wurde. Dieses fördert auch den Schutz der wildlebenden Populationen im Ursprungsland. Körperbau und KörperfunktionenDer Coquerel-Sifaka ist ein mittelgroßer Vertreter seiner Gattung mit langem, dichtem Fell und einer langen, schmalen Schnauze. Die Tiere erreichen eine Kopf-Rumpflänge von 42-50 cm, eine Schwanzlänge von 50-60 cm und ein Gewicht von 3.7-4.3 kg. Sifakas haben kurze Arme, ihre Hände und Füße, sind speziell für das vertikale Anklammern an Ästen und Baumstämmen geeignet. Ihre Beine sind im Verhältnis zu Rumpf und Armen extrem lang und kräftig. Das ermöglicht ihnen zwischen vertikalen Stämmen und Ästen zu springen. Sie haben große Füße, und der erste Zeh ist ein weit abstehender Greiffinger. Die Iris ist hellgelb, die Ohren sind klein, unbehaart und schwarz. Das wenig behaarte Gesicht ist schwarz mit weißen Haaren auf dem Nasenrücken. Die Grundfarbe des Fells ist weiß, stellenweise gräulich, die Innenseiten der Gliedmaßen und die Körperunterseite sind kastanienbraun [1; 7; 9; 11]. VerbreitungMadagaskar: Nordwest-Madagaskar [6]. Lebensraum und LebensweiseDer Coquerel-Sifaka besiedelt immergrüne Wälder, laubabwerfende Trockenwälder, Sekundärwälder, Mangrovenwälder und Buschland bis in Höhenlagen von 380 m. Er lebt in Gruppen bestehend aus 3-10 Tieren beiderlei Geschlechts. Die Gruppen haben Streifgebiete von 4 bis 9 ha, die sie als Territorium aggressiv gegen Artgenossen verteidigen. Die Tiere ernähren sich hauptsächlich von Blättern, Knospen, Blüten, Früchten, Rinde und Totholz [6; 9]. Typisch für Sifakas ist ihre aufrechte Fortbewegung. Die tagaktiven Baumbewohner bewegen sich senkrecht kletternd und springend von Ast zu Ast fort und können dabei Distanzen von bis zu zehn Metern zwischen den Bäumen zurücklegen. Auch am Boden sind sie meist auf zwei Beinen hüpfend unterwegs, wobei die Coquerels im Gegensatz zum Kappensifaka (Propithecus verreauxi) nicht seitwärts, sondern wie ein Känguruh vorwärts hüpfen [9]. Nach einer Trächtigkeit von etwa 162 Tagen wird in der Regel ein einzelnes Junges mit einem Gewicht von ca. 85-110 g geboren. Die Geburten fallen auf die Trockenzeit. Die Geburtsintervalle betragen bei wildlebenden Weibchen etwa 2 Jahre, können im Zoo aber kürzer sein. Die Jungen sind mit 6 Monaten unabhängig, mit einem Jahr ausgewachsen und mit 2½ Jahren geschlechtsreif [6; 7; 9]. Gefährdung und Schutz1990 wurde der Coquerel-Sifaka als "gefährdet", 1996 als "stark gefährdet" und 2020, gestützt auf eine Beurteilung aus dem Jahr 2018, als "unmittelbar vom Aussterben bedroht" eingestuft. Dies, weil davon ausgegangen wurde, dass der Bestand innerhalb von 30 Jahren um mehr als 80% abgenommen hat (Rote Liste: CRITICALLY ENDANGERED) [6]. Allerdings wird der Bestand im 1'350 km² großen Ankarafantsika-Nationalpark auf immer noch 47'000 Individuen geschätzt [7]. Der internationale Handel ist durch CITES-Anhang I eingeschränkt. Bedeutung für den MenschenTrotz offiziellem Schutz werden die Coquerel-Sifakas zur Fleischgewinnung von der lokalen Bevölkerung bejagt. Häufig werden sie auf Madagaskar - überwiegend illegal - als Heimtiere gehalten [6]. Von 1976-2020 wurden nach der CITES-Handelsstatistik keinerlei Transaktionen von lebenden Tieren registriert. Die wenigen effektiv ausgeführten Tiere wurden wohl als Propithecus verreauxi erfasst [2]. HaltungDie Ersteinfuhr nach Nordamerika erfolgte 1962 zum Duke University Lemur Center, Durham (NC), wo es 1970 zur Welterstzucht kam. 1988 wurde der letzte Wildfang aus Madagaskar in die USA eingeführt [7]. Der Altersrekord für Coquerel-Sifakas in Menschenobhut wird von WEIGL mit 30 Jahren und 6 Monaten angegeben [8]. Seit 1992 gibt es ein Internationales Zuchtbuch für Propithecus diadema, Propithecus coquereli und Propithecus coronatus, das am Duke University Lemur Center, Durham (NC), geführt wird. Haltung in europäischen Zoos: Währenddem Coquerel-Sifakas in nordamerikanischen Zoos gut vertreten sind (z.B. Cincinnati, Houston, Jacksonville, Maryland, San Diego, San Francisco, Saint Louis) wurden sie erst im Juni 2021 erstmals nach Europa eingeführt, als der Tierpark Berlin, der Kölner Zoo und der Chester Zoo je ein Paar aus dem Duke University Lemur Center erhielten. Der Import ging einher mit der Schaffung eines "New Style"-EEP, das vom Tierpark Berlin koordiniert wird [3; 5]. 2022 wurden Haltungsempfehlungen herausgegeben [11]. 2024 gab es drei Haltungen. Für weitere Informationen siehe Zootierliste. Mindestanforderungen an Gehege: Für die Vorgabe des Säugetiergutachten 2014 des BMEL von 35 m²/ 120 m³ bei 4 m Höhe für das Außengehege sowie 35 m²/ 120 m³ bei 3.5 m Höhe für das Innengehege (Kopfrechnen sollte man können!) für die Haltung eines Paars mit bis zu 2 Nachzuchten (was im Widerspruch zu Ziffer 1.6 der Allgemeinen Bestimmungen des Gutachtens steht) und 4 m²/ 14 m³ bzw. 2 m²/ 7 m³ für jedes weitere Tier liegt keine wissenschaftliche Begründung vor. Aufgrund tierhalterischer Erfahrung stellten die Tierschutzsachverständigen der Zoos fest, dass Dimensionen von 20 m²/ 60 m³ außen und 15 m²/ 45 m³ innen für eine Gruppe bis zu fünf Tieren ausreichend seien. Ferner stipuliert das Säugetiergutachten, dass männlicher Nachwuchs nach Erreichen der Geschlechtsreife aus der Gruppe zu entfernen sei. Faktisch sind Weibchen unter sich ebenso aggressiv und müssen sogar früher aus der Gruppe genommen werden als die Männchen [9]. Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2024) schreibt für bis zu 5 adulte Sifakas ein Innen- und ein Außengehege mit einer Fläche von je 25 m² und einer Höhe von 3 m vor. Für jedes weitere erwachsene Tier sind die Flächen um 4 m² zu erweitern. Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2024) muss die Haltung paarweise oder in kleinen Familiengruppen erfolgen. Dazu sind ein Innengehege mit einer Fläche von 30 m² und ein Außengehege von 60 m² bei einer Höhe von je 4 m erforderlich. Taxonomie und NomenklaturDer Coquerel-Sifaka wurde 1867 vom französischen Naturforscher Alfred GRANDIDIER, der ab 1865 ausgedehnte Forschungsreisen auf Madagaskar unternommen hatte, unter der Bezeichnung "Cheirogalus (sic!) coquereli) erstmals wissenschaftlich beschrieben. Das Artepitheton erinnert an seinen Kollegen Jean Charles COQUEREL, der am 12. April 1967 auf Réunion verstorben war. Später wurde die Art in die bereits 1832 von dem englischen Zoologen Edward Turner BENNETT für den Diademsifaka aufgestellte Gattung Propithecus eingeordnet. Bis 2001 wurde sie meistens als Unterart von Propithecus verreauxi behandelt, seitdem als eigene, monotypische Art. Wie bei anderen Primaten auch, hat sich die Zahl der Sifaka-Arten durch das Wirken der modernen Taxonomen auf wundersame Weise vermehrt: 1970 wurde von 2 Arten (mit 12 Unterarten) ausgegangen, 2005 waren es schon 7 Arten und 2013 deren 9 [4; 9; 10]. |
Literatur und Internetquellen
- BERGER, G. & TYLINEK, E. (1984)
- CITES TRADE DATA BASE
- FREUNDE HAUPTSTADTZOOS - Pressemitteilung vom 06.07.2021
- GRZIMEK, B. (Hrsg. 1970)
- KÖLNER ZOO - Pressemitteilung vom 22.06.2021
- LOUIS, E.E. et al.. (2020). Propithecus coquereli. The IUCN Red List of Threatened Species 2020: e.T18355A115572275. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2020-2.RLTS.T18355A115572275.en. Downloaded on 25 July 2021.
- SAN DIEGO ZOO WILDLIFE ALLIANCE LIBRARY
- WEIGL, R. (2005)
- WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
- WILSON, D. E. & REEDER, D. M. (2005)
- UNGER, B. (ed. 2022) Best Practice Guidelines for the Crowned Sifaka and the Coquerel Sifaka