Freilaufender, flugfähiger Pfauhahn (Pavo cristatus) im Tierpark Lange Erlen, Basel
© Peter Dollinger, Zoo Office Bern
Replik auf einen Artikel im Magazin des Zürcher Tages-Anzeigers
Früher leisteten sich Kaiser und Könige Hofnarren, heute leistet sich die Universität Basel einen Tierrechtler, der die Tarn- (oder Narren-)kappe eines „Tierethikers“ übergezogen hat. Dieser Philosoph schlägt Wild um sich, wenn es darum geht, seine Weltanschauung zu verteidigen. So auch in seinem Artikel „Der Zoo als PräsenTierTeller“, einer Replik auf ein Gespräch mit Zoodirektor Olivier Pagan im Magazin No. 37.
In dem Artikel lässt er sich über Tierverhalten und Tierhaltung aus, wo er mangels eigenen fachlichen Hintergrunds in Biologie oder Tiermedizin kritiklos nachbetet, was auf den Internetseiten von Tierrechtsorganisationen vorgegeben wird. Nur einer seiner Punkte soll hier diskutiert werden, zu anderen gäbe es ebenso viel zu sagen:
Markus Wild setzt das „Einsperren“ von Tieren in einem Gehege dem Aufenthalt von Menschen in einem Gefängnis gleich. Dabei hätte er besser HEDIGER gelesen. Dann wüsste er nämlich, dass die Tiere ein gut konzipiertes Gehege nicht als Gefängnis, sondern als Heim und gegebenenfalls Territorium empfinden, das sie markieren, gegen Eindringlinge verteidigen und im Fall vieler Arten nicht freiwillig verlassen. So ist z.B. im Tierpark Bern während eines nächtlichen Sturms ein Baum auf einen Gehegezaun gefallen. Die Rehe sind in der Aufregung geflüchtet, kamen aber von sich aus wieder zurück, nachdem sich das Wetter beruhigt hatte. Im Wildpark Langenberg schnitten 2006 in einer nächtlichen Aktion „Tierbefreier“ 35 Meter des Zauns des Rotwildgeheges weg. Die Hirsche dachten aber gar nicht daran, in den Weiten der Albiskette zu verschwinden, sondern blieben brav in ihrem sicheren Gehege. Im Zoo Hannover wurden vor rund einem halben Jahrhundert die Zäune der Antilopengehege durch 1.80 m breite Gräben ersetzt. Dabei handelte es sich um eine symbolische Begrenzung, denn manche der gehaltenen Arten springen gut und gerne neun Meter weit. Die Tiere dachten aber gar nicht daran, die Gräben zu überspringen, und wenn es in einer aussergewöhnlichen Situation doch einmal passierte, versuchten sie bei nächster Gelegenheit wieder in ihr Gehege zurück zu hüpfen (DITTRICH, 1977). Im Basler Zolli landete 2008 ein halbwüchsiger Gepard beim Versuch, eine Ente zu fangen, auf der falschen Seite des Grabens. Er war heilfroh als ihm der Tierpfleger die Tür zum Gehege aufmachte und er zurück ins sichere Heim konnte. Natürlich gibt es gerade bei Raubtieren und Affen, die ein ausgeprägtes Neugierdeverhalten haben und wenig standorttreu sind, gelegentlich mal ein Tier, das entweicht und nicht mehr zurückkommt. Andererseits stieg eine Wölfin des Tierparks Bern während längerer Zeit nächtens aus ihrem Gehege aus und streunte im Diplomatenquartier umher. Das blieb lange unbemerkt, weil sie jeweils vor Arbeitsbeginn der Tierpfleger wieder zurück in ihrem Gehege war. Ferner leben auch manche Affen problemlos frei auf dem Gelände von Zoos. So in Salzburg die Kattas, in Eberswalde die Weisskopfmakis, Weissbüscheläffchen und Kattas, in München und Perleberg die Totenkopfaffen oder in Zürich die Löwenäffchen bzw. Springtamarine. Alles Tiere, die den Außenzaun des Zoos ohne Schwierigkeiten überklettern oder über die Baumkronen in die umliegenden Wälder verschwinden könnten. Pfauen, Silber- oder Ohrfasanen werden in vielen Zoos frei fliegend gehalten ohne dass sie den Zoo verlassen. Während der Fortpflanzungsperiode suchen sich die Hähne ein Revier aus, wo sie ihre Balzplätze haben, und das sie gegen Artgenossen verteidigen. Jeder Rivale, der sich dem Territorium nähert, wird sofort angegriffen. Die einzelnen Reviere sind viel kleiner als die Gesamtfläche des Zoos. Viele Zoos, so auch Basel, sind davon abgekommen, die Flugfähigkeit ihrer Weißstörche einzuschränken. Im Herbst ziehen die Störche nach Spanien oder Nordwestafrika und kehren im Frühjahr in den Zoo zurück, um zu brüten. Die Zoos wurden so zu einem Eckpfeiler der Wiedereinbürgerung des Weißstorchs. Die im Freiflug gehaltenen Streifengänse des Zolli, die in ihrem natürlichen Lebensraum von Zentralasien nach Indien ziehen würden, um zu überwintern, hatten sich während Jahren ein an die Zoosituation angepasstes Zugverhalten zugelegt: sie flogen im Herbst zum Botanischen Garten Brüglingen, der vom Zolli gerade mal drei Kilometer entfernt ist, und kamen zur Brutzeit zurück in den Zoo.
Professor Wild schliesst seine Polemik damit, dass es Alternativen zu Zoos gäbe. Vielleicht müsste man sich fragen, ob es nicht auch Alternativen zu gewissen Professoren gibt.
29.09.2014
Dr. med. vet. Peter Dollinger, Liebefeld-Bern