Weiblicher Kondor (Vultur gryphus) im Tiergarten Nürnberg
© Tiergarten Nürnberg
Ordnung: Taggreife(Falconiformes)
Unterordnung: Neuweltgeier (Cathartae)
Familie: Neuweltgeier (Cathartidae)
Kondor, Andenkondor
Vultur gryphus • The Andean Condor • Le condor des Andes
- Körperbau und Körperfunktionen
- Verbreitung
- Lebensraum und Lebensweise
- Gefährdung und Schutz
- Bedeutung für den Menschen
- Haltung
- Taxonomie und Nomenklatur
- Literatur und Internetquellen
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Der Andenkondor ist nächst seinem Kalifornischen Verwandten der größte Geier. Nicht zuletzt wegen seiner großen kulturellen Bedeutung - dem auf traditioneller Volksmusik basierenden, 1913 komponierten Musikstück "El Cóndor Pasa" kann man bekanntlich kaum ausweichen - ist er von zoopädagogischem Interesse und wird in europäischen Zoos in mittlerer Häufigkeit gezeigt Körperbau und KörperfunktionenMit einer Gesamtlänge von 100-130 cm und einer Flügelspannweite von 290-320 cm ist der Andenkondor der größte aller Geier. Sein Gefieder ist überwiegend schwarz, die Halskrause und die Flügeldecken sind grauweiß, Kopf und Hals gelblich bis rötlich grau. Als einziger Neuweltgeier zeigt er einen ausgeprägten Geschlechtsdimorphismus, indem nur die Hähne einen großen, fleischigen Stirnkamm haben und ihre Halsklunkern deutlich größer sind als bei den Hennen. Hähne werden 11-15 kg schwer, Hennen nur 8-11 kg [4; 6; 7]. VerbreitungAnden Südamerikas: Argentinien, Bolivien, Chile, Kolumbien, Peru, Venezuela. Irrgäste auch in Paraguay und Brasilien [1]. Lebensraum und LebensweiseDer Kondor steigt in den Anden bis auf eine Höhe von 5'000 m. Er hält sich aber auch an der Küste auf, wo er sich von toten Fischen, Walen und Seelöwen ernährt. Das Gelege besteht aus nur einem Ei, das während 55-60 Tagen ausgebrütet wird. Kondore werden mit frühestens 6 Jahren geschlechtsreif [6]. Gefährdung und SchutzMit einem geschätzten Bestand von 6'700 erwachsenen Vögeln galt der Kondor ab 2004 als potenziell gefährdet. Vergiftungsfälle haben sich in letzter Zeit in Argentinien Kolumbien und Peru gehäuft ind kamen möglicherweise auch in Ekuador und Bolivien vor. Die Art wurde deshalb 2020 als gefährdet beurteilt (Rote Liste: VULNERABLE) [1]. Der internationale Handel wird durch CITES-Anhang I eingeschränkt. Die Art fällt unter Anhang II des Bonner Übereinkommens über wandernde Tierarten(CMS). Zoogestützte Artenschutzprojekte:In mehreren südamerikanischen Ländern sind Wiederansiedlungsprogramme unter Verwendung von Nachzuchtvögeln aus Zoos am Laufen. Beispiele:
Bedeutung für den MenschenAndenkondore werden laut IUCN für den internationalen Tierhandel gefangen [1] allerdings wurden von 2001-2018 lediglich 6 Wildfänge von Chile an einen kolumbianischen Zoo geliefert. Im selben Zeitraum wurden weltweit 66 Nachzuchtvögel bei der Ausfuhr registriert. Wichtigste Herkunftsländer waren die USA und Peru [3]. Kondore spielten eine bedeutende kulturelle Rolle im präkolumbianischen Amerika und sind heute Schildhalter der Wappen von Bolivien, Chile, Ekuador und Kolumbien [4]. Über eine weniger schöne Seite der Mensch-Kondor-Beziehung berichtet BREHM [2]: "Die Indianer fangen viele Kondore, weil es ihnen Vergnügen gewährt, sie zu peinigen. Man füllt den Leib eines Aases mit betäubenden Kräutern an, welche den Kondor nach dem Genusse des Fleisches wie betrunken umhertaumeln machen, legt in den Ebenen Fleisch inmitten eines Geheges nieder, wartet, bis er sich vollgefressen hat, sprengt, so schnell die Pferde laufen wollen, herbei und schleudert die Wurfkugeln unter die schmausende Gesellschaft" oder fängt sie lebend und trägt "sie ins Dorf, woselbst sie für Stierhetzen aufgespart werden. Eine Woche vor Beginn dieses grausamen Vergnügens erhalten die Kondoren nichts zu fressen. Am bestimmten Tage wird je ein Kondor einem Stier auf den Rücken gebunden, nachdem dieser mit Lanzen blutig gestochen worden. Der hungrige Vogel zerfleischt nun mit seinem Schnabel das gequälte Thier, welches zur großen Freude der Indianer wüthend auf dem Kampfplatze herumtobt." Die wissenschaftliche Artbezeichnung nimmt Bezug auf den Vogel Greif, altgriechisch "γρύψ", lateinisch "gryps" oder "gryphus", ein Fabelwesen der Antike mit Löwen- oder Pferdeleib, Flügeln und Adlerkopf, das heute noch im Brauchtum der Stadt Basel als Schildhalter der seit mindestens 1409 bestehenden Gesellschaft zum Greifen, einer der drei Kleinbasler Ehrengesellschaften, eine Rolle spielt. Das dazu gehörende Volksfest, "dr Vogel Gryff" wird jährlich im Januar gefeiert [8]. Haltung im ZooIn größeren Volieren ist eine Vergesellschaftung mit anderen Neuweltgeiern oder sonstigen, nicht-aggressiven Greifvögeln, aber auch mit anderen Vögeln wie Maguaristörchen, Enten oder Hokkos möglich. Für die Zucht ist ein Abtrennen der Paare von Vorteil, da diese sehr störanfällig sind. Als Höchstalter werden über 67 Jahre und 4 Monate angegeben [6]. Haltung in europäischen Zoos: Die Art wird in etwa 60 Zoos und Greifvogelstationen gehalten, von denen sich über ein Viertel im deutschsprachigen Raum befinden. Für Details siehe Zootierliste. Es gibt es ein "New Style"-EEP, das vom ZooParc de Beauval koordiniert wird. Einer der erfolgreichsten Kondorzüchter in Europa ist der Tiergarten Nürnberg. Das alte Zuchtpaar des Tiergartens hatte bereits 1984 seinen ersten Nachwuchs erfolgreich aufgezogen. In den Folgejahren stritten sich die beiden allerdings derart um das Brutgeschäft, dass die Eier aus Sicherheitsgründen zur Bebrütung und Aufzucht in die Obhut der Tierpfleger übergeben wurden, die dann auch die Jungen aufzogen. Die Nachzucht aus dem Jahr 1989, ein Weibchen, verblieb im Tiergarten und wurde 1992 mit einem 1986 im Zoo Berlin ebenfalls von Hand aufgezogenen Männchen verpaart. Bei diesem Paar schlüpfte dieses Jahr am 23. Mai 2009 der erste Nachwuchs. Bemerkenswert ist, dass die beiden handaufgezogenen Eltern ihr Küken perfekt betreuen. Hier zeigt es sich, dass eine behutsame Handaufzucht nicht zu Verhaltensdefiziten führen muss. Das 20-jährige Weibchen wurde übrigens schon damals mit einem Spiegel am Nest aufgezogen, damit es immer einen "Artgenossen" bei sich hat und nicht auf Menschen geprägt wird [PM Tiergarten Nürnberg]. Mindestanforderungen an Gehege: 1995 veröffentlichte das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (BMELF) Mindestanforderungen an die Haltung von Greifvögeln und Eulen. Diese werden gegenwärtig (November 2024) überarbeitet und sollen als Leitlinien zur Haltung von Greifvögeln (Accipitriformes, Falconiformes) und Eulen (Strigiformes) neu herausgegeben werden. Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2024) schreibt für 1-2 große Geier eine Voliere mit einer Grundfläche von 60 m² und einem Volumen von 240 m³ vor. Für jeden weiteren adulten Vogel ist die Grundfläche um 15 m² zu vergrößern. Die Vorgängerverordnung sah halb so große Dimensionen vor. Die Erhöhung erfolgte ohne Angabe von Gründen. Für Schauflüge eingesetzte Vögel dürfen nur im nicht öffentlich zugänglichen Bereich der Tierhaltung an der Fessel gehalten werden. Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2024) ist für die Haltung von 1-2 Kondoren eine Voliere mit einer Grundfläche von 60 m² bei 3 m Höhe erforderlich. Für jedes weitere Adulttier ist die Fläche um 15 m² zu erweitern. Für die falknerische Haltung gelten besondere Anforderungen. Taxonomie und NomenklaturDer Andenkondor wurde 1758 von Carl von LINNÉ unter seinem heute noch gültigen Namen erstmals wissenschaftlich beschrieben. Er bildet eine monotypische Gattung (Der Kalifornische Kondor gehört zur Gattung Gymnogyps) und die Art hat keine Unterarten [4]. |
Literatur und Internetquellen
- BIRDLIFE INTERNATIONAL (2020). Vultur gryphus. The IUCN Red List of Threatened Species 2020: e.T22697641A181325230. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2020-3.RLTS.T22697641A181325230.en . Downloaded on 18 December 2020.
- BREHM, A. E. (1882-1887)
- CITES TRADE DATA BASE
- DEL HOYO, J., ELLIOTT, A.. & SARGATAL, J., eds. (1999)
- GLOBAL RAPTOR INFORMATION NETWORK
- GRUMMT, W. & STREHLOW, H. (2009)
- GRZIMEK, B. (Hrsg. 1970)
- VOGEL GRYFF
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