Hoatzin

Hoatzin (Opisthocomus hoazin), Cocha Blanco, Peru
© Thomas Althaus†, Detligen (https://www.thomas-althaus-zoologe.net/bildergalerien/)

Ordnung: Hoatzins (OPISTHOCOMIFORMES)
Familie: Hoatzins (Opisthocomidae)

D LC 650

Hoatzin, Schopf- oder Zigeunerhuhn

Opisthocomus hoazin • The Hoatzin • Le hoazin huppé

214 004 001 001 opisthocomus hoazin rioNapo foubisterHoatzin (Opisthocomus hoazin) am Río Napo in Ekuador © Murray Foubister (www.flickr.com/photos/mfoubister/26592958760/). Übernommen aus der Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 Generic-Lizenz

 

 

 

214 004 001 001 opisthocomus hoazin mapApproximative Verbreitung des Hoatzins (Opisthocomus hoazin)

 

 

 

214 004 001 001 opisthocomus hoazin amazonas timmHoatzin (Opisthocomus hoazin) in der Amazonas-Region Brasiliens © Cláudio Dias Timm, Rio Grande do Sul. Übernommen aus Flickr / Wikimedia Commons unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 Generic-Lizenz.

 

 

 

214 004 001 001 opisthocomus hoazin bronx zoochatHoatzin (Opisthocomus hoazin), 2003 im Bronx Zoo, New York. Quelle: ZooChat (https://www.zoochat.com/community/media/hoatzin-opisthocomus-hoazin-2003.467992/#media)

 

 

 

214 004 001 001 opisthocomus hoazin stamp boliviaBriefmarke mit Hoatzin (Opisthocomus hoazin) als Motiv, Bolivien (2007)

 

 

 

214 004 001 001 opisthocomus hoazin stamp surinameBriefmarke mit Hoatzin (Opisthocomus hoazin) als Motiv, Surinam (1995)

 

 

 

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Der in seinem südamerikanischen Ursprungsgebiet nicht gefährdete Hoatzin ist ein hochinteressanter Vogel, der etliche Besonderheiten in Körperbau, Körperfunktionen und Verhalten aufweist. Er ist ein Nahrungsspezialist, der nur selten - und noch seltener mit langfristigem Erfolg - in Zoos gehalten wird und in Europa seit Jahrzehnten nicht mehr zu sehen ist.

Körperbau und Körperfunktionen

Hoatzins erreichen eine Gesamtlänge von 62-70 cm und ein Gewicht von 700-900 g. BREHM beschreibt das Schopf- "oder besser Zigeunerhuhn" als schlank mit kleinem Kopf und mittellangem, dünnem Hals, an der Spitze etwas nach unten gebogenem, an der Basis von einer Wachshaut überkleidetem Schnabel, kurzen Läufen, 4 langen Zehen und langen, starken, ziemlich gebogenen und scharf zugespitzten Krallen. Die Flügel sind ziemlich lang, der Schwanz besteht aus zehn langen, abgerundeten Federn. Auf dem Kopf sitzt eine aus schmalen, spitzen Federn bestehende Haube. Das Gefieder weist braune, schillernd grüne, rostrote, gelblichweiße und schwarze Komponenten auf. Die Iris ist rotbraun, die nackten Gesichtspartien sind blau, Schnabel und Füße schwärzlich. Der in Brasilien tätige Schweizer Zoologe Emil A. GOELDI veröffentlichte 1895 die Erkenntnis, dass Hoatzins in ihrer Jugend am 1. und 2. Finger beider Flügel je eine Kralle haben, wie sie auch der Archaeopteryx aufgewiesen hatte [2; 3; 5; 7].

Verbreitung

Tropisches Südamerika: Bolivien, Brasilien, Ekuador, Französisch Guyana, Guyana, Kolumbien, Peru, Surinam, Venezuela [1].

Lebensraum und Lebensweise

Hoatzins leben östlich der Anden im Uferbereich von Flüssen, Altwässern, Lagunen und Seen des tropischen Tieflandregenwalds in Höhen bis zu 500 m, meist aber unterhalb von 200 m, sowie in Mangrovenwäldern. Sie sind schlechte Flieger, und Läufer, die sich fast nur im Geäst aufhalten und als Erwachsene auch das Wasser meiden. Geruht wird auf der Brust liegend, wo sich bei älteren Individuen eine Schwiele bildet. Die Vögel sind tagaktiv und gesellig. Sie bilden Gruppen bis zu 40, bisweilen 100 Individuen, die mit unterschiedlichsten Lauten miteinander kommunizieren. Nur während der Fortpflanzungsperiode besetzen die Paare kleine Territorien, in denen sie sich mit ein paar zumeist männlich Helfervögel aufhalten. Die Nahrung ist ausschließlich pflanzlich. Sie besteht hauptsächlich aus grünen Blättern, zu einem kleineren Teil aus Blüten und Früchten. Zu den wichtigsten Futterpflanzen gehören Aronstabgewächse (Caladium sp., Montrichardia sp.) und Mangroven (Avicennia sp.). Die Nahrung wird im Maul zusammengeballt, in großen Bissen abgeschluckt und während 24-28 Stunden im riesigen, mit Hornleisten versehenen, sehr muskulösen und in verschiedene Abschnitte gegliederten Kropf fermentiert und zu einem feinen Brei zerrieben, der dann den winzigen Muskelmagen und den kurzen Darm passiert [3; 6; 7].

Die Fortpflanzung fällt in die Regenzeit. Die Paare bauen wenig über dem Wasser Nester aus Zweigen. Die 2-3(-5) ca. 46x33 mm großen und 30 g schweren Eier sind cremefarben mit dunkbraunen und violetten Flecken. Sie werden während 28-31 Tagen nicht nur von den Eltern, sondern auch von den Helfervögeln ausgebrütet. Die Jungen sind beim Schlupf fast nackt. Bei Gefahr springen sie ins Wasser und schwimmen mittels aller vier Gliedmaßen. Danach klettern sie mithilfe ihrer langen Krallen wieder ins Gebüsch. Die Nestlingszeit dauert 14-21 Tage, Flugfähigkeit wird mit 60 Tagen erreicht, Geschlechtsreife mit 2-3 Jahren [3; 7].

Gefährdung und Schutz

Der Hoatzin wird seit 2004, letztmals überprüft 2016, trotz negativem Bestandstrend als nicht-gefährdet eingestuft (Rote Liste: LEAST CONCERN). Er hat eine sehr weite Verbreitung und die dem Schwund des Lebensraums geschuldete Bestandsabnahme scheint nicht dramatisch zu sein [1].

Der internationale Handel ist nicht unter CITES geregelt.

Bedeutung für den Menschen

Laut IUCN werden die Vögel lokal und national als Heimtiere gefangen oder dienen als Nahrungsmittel [1]. Dies ist allerdings regional unterschiedlich. Währenddem gebietsweise von indigenen Völkern Eier gesammelt und Vögel zur Fleischgewinnung erlegt werden, gelten sie in anderen Gebieten wegen ihres üblen Geruchs als nicht essbar [3].

Haltung

Als Nahrungsspezialisten sind Hoatzins nicht einfach zu halten, aber im New Yorker Bronx Zoo, der 1989 sechs Vögel aus Venezuela importiert hatte, konnten sie während eines Jahres an eine Ersatzdiät gewöhnt und während über einem Jahrzehnt in einer 20 m² großen Voliere gezeigt werden. Sie legten mehrfach Eier, die aber oft zerbrachen. 1994 schlüpften jedoch vier Küken und konnten erfolgreich aufgezogen werden. Für 1997 wurden noch 0.3 Vögel ausgewiesen, etwa 2007 soll der Bestand erloschen sein [3; 4; 6; 10; IZY 36].

Haltung in europäischen Zoos: Die Ersteinfuhr nach Europa tätigte der Londoner Zoo 1931. Die Vögel überlebten nur wenige Monate. 1955 erhielt London nochmals zwei Hoatzins. Seitdem gibt es in Europa keine mehr [6; 10; Zootierliste].

Mindestanforderungen an Gehege: In Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt es keine konkreten Mindestanforderungen an Gehege für Hoatzins.

Taxonomie und Nomenklatur

Der Hoatzin wurde 1776 vom deutschen Universalgelehrten Philipp Ludwig STATIUS MÜLLER als "Phasianus hoazin" erstmals wissenschaftlich beschrieben. 1811 stellte ihn der in Berlin tätigen Zoologe Johann Karl Wilhelm ILLIGER in die heute noch gültige Gattung Opisthocomus. Familie und Gattung sind monotypisch. Die Stellung der Familie ist umstritten, sie wurde schon in die nähere Verwandtschaft der Hühner-, Tauben-, Kranich-, Maus- und Kuckucksvögel gestellt. Gegenwärtig wird von einer unabhängigen Ordnung Opisthocomiformes ausgegangen, wie sie von dem französischen Botaniker und Zoologen Ferdinand Joseph L'HERMINIER 1837 aufgestellt und 1934 von dem aus Dresden stammenden deutschen Ornithologen Erwin Friedrich Theodor STRESEMANN befürwortet worden war [3].

Fossile Verwandte des Hoatzins sind nicht nur aus Südamerika (Hoazinavis) bekannt, sondern auch aus Namibia und Kenia (Namibiavis) sowie Frankreich (Protoazin). Diese Arten lebten im Oligo- bis Miozän, vor etwa 15-34 Millionen Jahren. Es wird angenommen, dass die nur schlecht fliegenden Vögel mit Treibgut nach Südaerika verdriftet wurden. Auch in Nordamerika gab es im Eozän (vor etwa 50 Millionen Jahren), einen Vogel, der möglicherweise mit dem Hoatzin verwandt ist [8; 9].

Literatur und Internetquellen

  1. BIRDLIFE INTERNATIONAL (2016). Opisthocomus hoazin. The IUCN Red List of Threatened Species 2016: e.T22684428A93028795. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2016-3.RLTS.T22684428A93028795.enDownloaded on 21 October 2020.
  2. BREHM, A. E. (1882-1887)
  3. DEL HOYO, J., ELLIOTT, A. et al. (eds., 1992-2013)
  4. ENCYCLOPEDIA.COM
  5. GOELDI, E. A. (1895). Ornithologische Monatsberichte 3: 69—71.
  6. GRUMMT, W. & STREHLOW, H. (2009)
  7. GRZIMEK, B. (Hrsg. 1970)
  8. SENCKENBERG PRESSEMITTEILUNG VOM 22.01.2014
  9. TAXONOMY IN FLUX
  10. ZOOCHAT

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