Freilebender Graureiher (Ardea cinerea) im Zoo Landau
© Peter Dollinger, Zoo Office Bern
Ordnung: Stelzvögel (CICONIIFORMES)
Familie: Reiher (Ardeidae)
Unterfamilie: Tagreiher (Ardeinae)
Graureiher
Ardea cinerea • The Grey Heron • L'héron cendré
- Körperbau und Körperfunktionen
- Verbreitung
- Lebensraum und Lebensweise
- Gefährdung und Schutz
- Bedeutung für den Menschen
- Haltung
- Taxonomie und Nomenklatur
- Literatur und Internetquellen
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Der Graureiher ist keine gefährdete Tierart und ist auch bei uns in Mitteleuropa häufig. In Zoos ist er sehr oft anzutreffen, wobei es sich teilweise nicht um Vögel handelt, die zum Tierbestand gehören, sondern um solche, die den Zoo als sicheren Lebensraum und Futterquelle entdeckt haben und ihn deshalb aufsuchen, zum Teil sogar im Zoo Brutkolonien bilden. Körperbau und KörperfunktionenDer Graureiher erreicht eine Gesamtlänge von 90-98 cm, eine Flügelspannweite von 175-195 cm und ein Gewicht von 1'020-2'070 g. Das Gefieder ist oberseits hell aschgrau. Stirn, Scheitel, Halsunterseite und Bauch sind weiß, der Schopf und die Handschwingen schwarz. Auf der Halsunterseite befinden sich zwei schwarze Längsfleckenbänder. Iris und Schnabel sind gelb, die Beine bräunlich [5; 6; 10]. VerbreitungDie Nominatform des Graureihers ist in der gesamten Paläarktis südlich des 60. Breitengrades sowie in Afrika südlich der Sahara weit verbreitet. Drei weitere Unterarten sind in Südostasien, auf Madagaskar und auf Inseln westlich von Mauretanien zu finden. Insgesamt kommt die Art als Jahr-, Brut- oder Gastvogel in 168 Ländern oder abhängigen Gebieten vor [1]. Lebensraum und LebensweiseDer Graureiher nutzt unterschiedliche Lebensräume als Jagdgebiet. Auf Kultur- und Brachland sowie an Straßenböschungen jagt er lauernd Kleinsäuger, in Feuchtgebieten und an Weiherufern stellt er Amphibien nach und an Flüssen und Seen fängt er Fische und Krebstiere. Außerdem frisst er Wirbellose wie Insekten, Würmer und Schnecken und fängt gelegentlich Wasservögel, vor allem junge und erwachsene Zwergtaucher, sowie Küken von Haubentauchern, Enten, Rallen, Möwen und Watvögeln. Totes Material findet er auf Müllhalden und nicht zuletzt parasitieren Graureiher oft im Zoo. Genistet wird meist kolonieweise auf Bäumen, in manchen Regionen auch im Schilf. Die Brutzeit beginnt im März und endet im Mai, gelegentlich erfolgt später eine zweite Brut. Das Gelege besteht aus 4-5 (3-7) blass blaugrünlichen, ca. 61x43 mm großen Eiern, die während 25-26 Tagen abwechselnd von beiden Eltern ausgebrütet werden. Die Küken werden mit etwa 4-5 Wochen flügge, sind aber erst mit 8-10 Wochen voll flugfähig [3; 5; 6, 7; 9; 10]. Gefährdung und SchutzDer Graureiher hat einen geschätzten Weltbestand, der irgendwo zwischen 800'000 und 3.7 Millionen Individuen liegt, und eine weite Verbreitung. Er ist nicht gefährdet (Rote Liste: LEAST CONCERN) [2]. Der internationale Handel wird durch CITES nicht geregelt. Die Art fällt unter Anhang 3 der Berner Konvention über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume und unter Anhang 2 des African-European Migratory Waterbird Agreements. (AEWA). Situation in Mitteleuropa: Im 19. Jahrhundert wurde der Graureiher, der als Fischereischädling galt, in Mitteleuropa stark verfolgt, sodass bereits ab den 1820er Jahren große Kolonien zur Seltenheit wurden. Durch staatlich gefördertes Ausschießen der Horste und Abschießen der Brutvögel ging ihre Zahl bis 1870 drastisch zurück, und es blieben nur noch kleine Restbestände übrig. In der Schweiz wurde 1911 einer der letzten größeren Brutplätze im Wauwilermoos fast vollständig zerstört, um 1920 waren im ganzen Land bestenfalls noch 50 Brutpaare übrig. Durch das revidierte Bundesgesetz über Jagd und Vogelschutz vom 10. Juni 1925 wurde der Graureiher aus der Liste der jagdbaren Arten gestrichen. Nach der Unterschutzstellung erholten sich die Bestände allmählich, auch wenn immer wieder Abschüsse von angeblich schadenstiftenden Reihern genehmigt wurden. Um 1960 gab es wieder etwa 500, um 1970 etwa 800 und 2016 1'600-1'800 Paare [8; 9; 12]. In der Bundesrepublik Deutschland gab es in den 1960er Jahren etwa 5'000 Paare, in der DDR etwas über 2'000 Paare, in Österreich wenig mehr als 100. Das Verbot des Einsatzes von DDT und ähnlicher Substanzen gab dem Bestand weiteren Auftrieb. Heute gibt es in Deutschland wieder rund 24-30'000, in Österreich 1'300-1'500, in Liechtenstein 15-20, in Luxemburg 60-70 und in ganz Europa (ohne Russland) wieder rund 140-265'000 Brutpaare [1; 2]. In Deutschland ist der Graureiher Wild im Sinne des Bundesjagdgesetzes. Eine Jagdzeit ist aber nur in Bayern festgesetzt (Mitte September – Ende Oktober) und ist dort auf den Umkreis von 200 Metern um künstlich angelegte Fischteiche beschränkt. In den anderen Bundesländern ist der Graureiher ganzjährig geschont, Abschüsse sind nur mit Erlaubnis der Unteren Jagdbehörde im Einzelfall erlaubt. Zoogestützte Artenschutzprojekte (Beispiele):
Bedeutung für den MenschenIn früheren Jahrhunderten wurden Graureiher als Sport oder zur Fleischgewinnung gejagt, obwohl das Fleisch nicht überall geschätzt und ihm gar nachgesagt wurde es sei ungesund. Die Jagd wurde hauptsächlich mit Falken betrieben, wobei der Reiher vielerorts zum "Hochwild" gehörte. Damit war seine Bejagung dem Adel vorbehalten, der zur Erhaltung jagdbarer Bestände auch für ausreichend Schutz sorgte und bisweilen sogar Graureiher zwecks Auswilderung importierte. Mit der Abschaffung der Adelsprivilegien im Zuge der französischen Revolution wurde der Graureiher gebietsweise als Fischereischädlinge verfolgt. Außerhalb Europas wird er heute noch zur Gewinnung von Fleisch oder von Körperteilen für die Zwecke der traditionellen afrikanischen Medizin gejagt oder, laut IUCN, für den internationalen Tierhandel gefangen [2]. HaltungSofern man Graureiher überhaupt halten will, sollte man sie nach Ansicht von Tierschutzsachverständigen der Zoos nicht flugunfähig auf Freianlagen, sondern in geschlossenen Volieren halten, wo sie problemlos mit anderen koloniebildenden Reiherarten, mit gesellig lebenden Ibissen, Löfflern und Störchen sowie mit Kormoranen, Möwen und großen Wat- und Wasservögeln gehalten werden können [4; 6]. Das Höchstalter wird mit 24 Jahren angegeben [6]. Haltung in europäischen Zoos: Die Zahl der Haltungen hat in den letzten Jahren deutlich abgenommen, weil es in vielen Zoos wildlebende Graureiher gibt. Von den noch etwa 65 Haltungen, befinden sich etwa 15 im deutschsprachigen Raum. In der Schweiz gibt es keine gehaltenen Vögel mehr, jedoch freifliegende Kolonien in mindestens 5 Zoos. Für Details siehe Zootierliste. Mindestanforderungen an Gehege: In Deutschland gibt es keine konkreten Mindestanforderungen an Gehege für Reiher. Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand01.06.2022) schreibt für bis zu 6 große Reiher ein Gehege mit einer Grundfläche von 100 m² oder eine Voliere mit einer Größe von 100 m²/500 m³, jeweils mit Wasserbecken und Aufbaummöglichkeiten, vor. Für jeden weiteren Adultvogel ist die Grundfläche um 5 bzw. 3 m² zu erweitern. In Fällen, wo ein Innenraum erforderlich ist, muss dieser eine Grundfläche von 1 m² pro Vogel haben. Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2023) sind Reiher mindestens paarweise zu halten. Die Gehege sind mit Naturboden und natürlicher Bepflanzung einzurichten, es sind Aufbaummöglichkeiten und mindestens ein Wasserbecken anzubieten. Arten aus gemäßigten Breiten dürfen ganzjährig auf der Außenanlage gehalten werden. Für bis zu 6 große Reiher ist eine Außenanlage mit einer Fläche von 50 m² erforderlich, die für jeden weiteren Adultvogel um 5 m³ zu erweitern ist. Taxonomie und NomenklaturDer Graureiher wurde 1758 von Carl von LINNÉ unter seinem heute noch gültigen Namen erstmals wissenschaftlich beschrieben. Es werden vier Unterarten anerkannt [3]:
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Literatur und Internetquellen
- BEZZEL, E. (1985)
- BIRDLIFE INTERNATIONAL (2019). Ardea cinerea. The IUCN Red List of Threatened Species 2019: e.T22696993A154525233. https://www.iucnredlist.org/species/22696993/154525233 und 2015. Ardea cinerea. The IUCN Red List of Threatened Species 2015: e.T22696993A60152140. Downloaded on 19 December 2019.
- DEL HOYO, J., ELLIOTT, A.. & SARGATAL, J. (eds., 1992)
- DOLLINGER, P., PAGEL, T., BAUMGARTNER, K., ENCKE, D. ENGEL, H. & FILZ, A. (2014)
- GINN, P.J., McILLERON, W.G. & MILSTEIN, P. le S. (1999)
- GRUMMT, W. & STREHLOW, H. (2009)
- GRZIMEK, B. (Hrsg. 1970)
- KNAUS, P., MÜLLER, C., SATTLER, T., SCHMID, H. & STREBEL, N. (2019)
- MAUMARY, L. et al. (2007)
- PFORR, M. & LIMBRUNNER, A. (1991)
- BAUR, B., BILLEN, W. & BURCKHARDT, D. (2008)
- BÖHME, K. (2021)
- SÄCHSISCHE ZEITUNG VOM 02.06.2020
- TIERPARK UECKERMÜNDE - FACEBOOK -EINTRAG VOM 06.05.2020