NOWAK, M. A. (2015)

Medical Training und klinische Diagnostik bei Großen Ameisenbären (Myrmecophaga tridactyla, Linné, 1758) im Zoo Dortmund

Medical Training and clinical diagnosis of Giant Anteaters (Myrmecophaga tridactyla, Linnaeus, 1758) in Zoo Dortmund

Dr. med. vet. Dissertation

178 Seiten

Ganze Arbeit

Tierärztliche Hochschule Hannover
Wissenschaftliche Betreuung:  Univ.-Prof. Dr. med. vet. H. Hackbarth, apl. Prof. Dr. rer. nat. G. Hilken
Zoo Dortmund

Zusammenfassung:

In dieser Arbeit wurden 14 Große Ameisenbären aus dem Zoo Dortmund untersucht. Myrmecophaga tridactyla ist ein Vertreter der Nebengelenktiere (Xenarthra), zu denen die Gürteltiere (Dasypodidae), die Faultiere (Folivora) und die Ameisenbären (Vermilingua) gehören.
Die Myrmecophagidae sind durch zahlreiche morphologische Besonderheiten charakterisiert, so vor allem durch zusätzliche Gelenke an den Lenden- und Brustwirbeln (sogenannte Nebengelenke), ein fehlendes Gebiss, eine wurmförmige, bis 60 cm lange Zunge, eine massive Verschmelzung des Beckens mit dem Kreuzbein („Synsacrum“), hochgradig entwickelte Speicheldrüsen, einen Uterus simplex, in der Bauchhöhle lokalisierten Hoden und Vordergliedmaßen mit großen gebogenen Krallen an der zweiten und dritten Zehe.

In dieser Arbeit wurden narkosefreie Untersuchungsmethoden bei Großen Ameisenbären erprobt. Die Tiere wurden mittels der Methodik des Medical Trainings konditioniert. Untersuchungen an Großen Ameisenbären können für den Menschen u. U. gefährlich sein, wenn die Tiere aggressiv reagieren oder sich in die Enge getrieben fühlen.

Im Rahmen dieser Studien wurden auch die Grundsätze des Medical Trainings bei Großen Ameisenbären angewendet und mehrere diagnostische Parameter untersucht, welche Auskunft über die Organgesundheit der Tiere geben können. Mit Hilfe des Trainings wurden die Ameisenbären an die regelmäßige klinische Untersuchung, Gewichtskontrolle, Blutabnahme, Uringewinnung sowie Sonographie gewöhnt.
Es wurden Laborergebnisse der Blutuntersuchung, der Harnuntersuchung, sowie der parasitologischen und mikrobiologischen Kotuntersuchung zusammengefasst.

Zeitgleich wurden drei Futtersorten, die Dortmunder Mischung und die beiden kommerziell hergestellten Insektivorenfutter Termant® (Firma Mazuri Zoo Foods, England) und Mazuri® Insectivore Diet (5MK8) (Firma Mazuri, USA) an die Tiere verfüttert und die Auswirkungen verglichen. Dabei wurde die Einwirkung der Diäten auf die Parameter Gesundheitszustand, Gewichtsentwicklung und Kotbeschaffenheit ausgewertet. Die Tiere reagierten auf die neuen Diäten mit schlechter Akzeptanz, starken Gewichtsverlusten und Inappetenz. Die Problematik der weichen Kotkonsistenz bei dieser Art wurde nicht zufriedenstellend gelöst. Daher wird derzeit weiterhin die „altbewährte“ Dortmunder Mischung eingesetzt. Die Fütterungsversuche zeigten, dass die Suche nach einem geeigneten Futter für Große Ameisenbären in Menschenobhut noch nicht beendet ist. Von zwei Tieren, die krankheits- und altersbedingt euthanasiert werden mussten, wurden in der Arbeit anatomisch-pathologische Befunde erhoben sowie die möglichen venösen Zugänge für die narkosefreie Blutabnahme präparatorisch dargestellt.

Anhand klinischer Untersuchungen wurde festgestellt, dass die Außentemperaturen die Körpertemperaturen bei Großen Ameisenbären nachweislich beeinflussen. Die Körpertemperaturwerte bei den Dortmunder Probanden lagen zwischen 32,2 °C und 35,6°C. Je höher die Außentemperatur war, desto stärker stiegen auch die Körpertemperaturen der Tiere. Die Atemfrequenz lag zwischen 7 und 20 Atemzügen und die Herzfrequenz zwischen 45 bis 86 Herzschlägen pro Minute.

Bei den drei trainierten Tieren wurden die narkosefreien Blutentnahmen aus der Vena saphena medialis durchgeführt. In den meisten Fällen konnte sie nur palpiert werden oder der Einstich musste „blind“ erfolgen. Aus 23 gewonnenen Blutproben wurden Organwerte, Blutbild, Taurin, Vitamin A, Biotin, Zink und Gerinnungsparameter bestimmt. Die auffälligsten Befunde waren, dass die Dortmunder Tiere erhöhte Leberenzymparameter und im Vergleich zu den Literaturangaben einen niedrigeren Taurin-Plasmagehalt aufwiesen.
Die Urinabnahme erwies sich bei den Großen Ameisenbären als äußerst schwierig. Das Prozedere benötigte viel Geduld, Zeit und Übung im Umgang mit den Tieren. Es konnten sechs Urinproben gewonnen werden.

Es wurden zur Zeit der Anfertigung der Dissertation Infektionen mit Giardia sp. nachgewiesen, die wahrscheinlich durch die Verseuchung der Südamerika-Wiese mit Zystenstadien verursacht wurden. In den Kotproben der Tiere wurde in den Jahren 2009 bis 2011 Campylobacter jejuni nachgewiesen. Im Jahr 2010 brach in der Zuchtgruppe eine Salmonella-Infektion aus. In dem Infektionsverlauf wurden Salmonellen der Gruppe B, C und E diagnostiziert. Ein unheilbar erkranktes weibliches Tier, musste euthanasiert werden.


Im Rahmen dieser Arbeit wurden auch die Zugänge für die transabdominale Ultraschalluntersuchung, sowie Lage und Darstellung einiger Organe untersucht. Als geeignete Zugänge erwiesen sich die linke und rechte Flanke, sowie die ventrale Bauchdecke entlang der Medianen kaudal des Nabels. Die sonographische Darstellung des Magens, der Leber, der Milz und der Nieren wurde in der Arbeit erläutert.

Abschließend wurden anatomisch-pathologische Befunde von zwei aus Tierschutzgründen euthanasierten 19 und 20 Jährigen weiblichen Großen Ameisenbären zusammengefasst. Das Verhältnis der Kammerwandstärken des Herzens rechts zu links betrug bei beiden Individuen 1:4. Histologisch wurden bei einem Tier eine geringgradige myokardiale Fibrose und myokardiale Infiltrate mit zahlreichen Granulozyten nachgewiesen. Bei beiden Tieren war die Milz gestaut. Mehrere Autoren berichten über ähnliche Befunde von Dilatativen Kardiomyopathien. Einige Autoren postulieren als Ursache einen Taurinmangel. Dieser wurde auch in dieser Studie diskutiert. Ein mögliches Vorliegen einer DKM sowie deren Pathogenese sollte bei Großen Ameisenbären in Zoohaltung in Zukunft durch regelmäßige Röntgendiagnostik, Herzsonographie und Untersuchung der Taurinkonzentration im Blut geklärt werden.

Abstract:

In this study, fourteen Giant Anteaters from Dortmund Zoo (Germany) were examined.
The Giant Anteater, Myrmecophaga tridactyla, is a representative of the superorder Xenarthra, which includes the armadillos (Dasypodidae), sloths (Folivora), and anteaters (Vermilingua).
Myrmecophagidae are characterized by numerous morphological features: additional joints of the lumbar and thoracic vertebrae (so-called accessory joints/xenarthry), missing teeth, a worm-shaped, up to 60 cm long tongue, massive fusion of the pelvis with the sacrum ("Synsacrum"), highly developed salivary glands, uterus simplex, testicles located in the abdominal cavity and forelimbs with large curved claws on the second and third toe.
In this study anesthesia-free examination methods have been tested for the first time on Giant Anteaters. The animals were conditioned using the methodology of the so called Medical Training. Examination of giant anteaters could be fatal to humans, if animals react aggressively or feel cornered.
In these studies the principles of Medical Training were worked out with Giant Anteaters. Several diagnostic parameters were examined to provide information about organ health and physical development of the animals. The anteaters were accustomed with the help of training to regular clinical examination, weight management, blood collection, urine collection, and abdominal sonography.
The laboratory results of blood tests, urine tests, parasitological-, and microbiological fecal examination were presented.
At the same time three different diets, "The Dortmund Mixture" and the two commercially produced Insectivore Termant® (Mazuri Zoo Foods, England) and Mazuri® Insectivore Diet (5MK8) (Mazuri, USA) were fed to the animals and the effects were compared. The effects of the diets on such parameters as health, weight gain, and fecal consistency were evaluated.
The administration of different diets showed that the search for an appropriate diet for the zoo animal husbandry of Giant Anteaters has to be accomplished.
The animals responded to the new diets with poor acceptance, severe weight loss, and anorexia. The problem of a soft stool consistency by this species is also not solved yet. Therefore the well-tried “Dortmund Mixture” is continuing to be used.
In these studies, the anatomical-pathological findings of two animals that had to be euthanized due to reasons of poor health or age were examined and the possible venous access for anesthesia-free blood collection dissection was evaluated.
Based on clinical studies, it was shown that outside temperatures strongly influence the body temperatures of Giant Anteaters. The body temperature values at the Dortmund specimens ranged from 32,2°C up to 35,6°C. The higher the ambient temperature, the more elevated was the body temperature of the animals. The respiratory rate was 7-20 breaths per minute and the heart rate was between 45 and 86 beats per minute.
Anesthesia-free blood sampling was performed successfully upon three trained animals, taken from the medial saphenous vein. In most cases, this vein could only be palpated, or the blood-sampling had to be done "blind."
From 23 obtained blood samples, the organ parameters, complete hemogram, taurine, vitamin A, biotin, zinc, and coagulation parameters were determined. The most striking findings were that the Dortmund specimens had elevated liver enzyme parameters and a low plasma taurine content in comparison to literature data.
Urine collection from the Giant Anteaters was extremely difficult. The entire procedure of dealing required a lot of patience, time, and practice. Only six urine samples could be obtained.
A significant parasitological exposure to Giardia sp. was detected in anteaters of the Zoo Dortmund, which probably was caused by the contamination the “Südamerika-Wiese” (“South American Exhibit”) with Giardia cysts.
The Campylobacter jejuni bacterium was detected a number of times microbiologically in the feces of the animals in the period 2009 to 2011. A Salmonella infection broke out in the breeding group in 2010. Salmonella groups B, C and E were diagnosed. One terminally-diseased female animal had to be euthanized.
In this work, the access for transabdominal ultrasound examination and the position and representation of some organs were described.
The most appropriate locations were the left and right flank and the ventral abdominal wall along the midline caudal the umbilicus.
The sonographic evaluation of the stomach, liver, spleen, and kidneys was discussed in this work.
Finally, some anatomical/pathological findings from two euthanized 19 and 20 year old female Giant Anteaters were summarized. In both individuals the ratio of the atrium wall thickness right-to-left was 1: 4. Histological (by necropsy) mild myocardial fibrosis and myocardial infiltrates with numerous granulocytes were detected. In both animals the spleen was congested. Several authors reported similar findings of dilated cardiomyopathy. Some authors postulate a taurine deficiency as an explanation for this phenomen. This was also discussed in this study. The possible presence of dilated cardiomyopathy in Giant Anteaters kept in zoos and its pathogenesis should be clarified by use of regular radiological diagnostics, cardiac sonography and examination of taurine concentration in the blood.

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