Aspekte des Verhaltens und der Physiologie männlicher Flachlandgorillas (Gorilla g. gorilla) in Familien- und Junggesellengruppen.
Behavioural and physiological aspects of male lowland gorillas (Gorilla g. gorilla) in family- and all male groups.
Vet. med. Dissertation
148 Seiten
Fachgebiet Tiergartenbiologie und Zootiermedizin der Tierärztlichen Hochschule Hannover und Abteilung für Reproduktionsbiologie des Deutschen Primatenzentrums in Göttingen
Wissenschaftliche Betreuung: Prof. Dr. Michael Böer und Prof. Dr. J. Keith Hodges
Zoo Köln, Zoo Krefeld, Zoo Heidelberg, Loro Parque (Spanien) und Paignton Zoo (UK) sowie verschiedene andere Europäische Zoos
Zusammenfassung:
Informationen zur Haltung von männlichen Flachlandgorillas (Gorilla g. gorilla) in Jung-gesellengruppen in Menschenobhut sind rar. Im Gegensatz zu Gruppen dieses Typus im Freiland sind die Gruppen in Menschenobhut künstlich zusammengesetzt. Zusätzlich steht ihnen ein eingeschränktes Platzangebot zur Verfügung. Des weiteren sind die für diesen Gruppentyp im Freiland charakteristischen, häufigen Migrationen in Menschenobhut nicht in dieser Form möglich. Bisher ist kaum bekannt, inwieweit diese Einschränkungen Auswirkungen auf das Verhalten sowie die Physiologie der Gorillas haben.
Um diesbezügliche Informationen zu gewinnen, wurden im Rahmen dieser Studie verschiedene Aspekte des Verhaltens sowie endokrinologische Parameter bei in Junggesellengruppen lebenden Gorillas charakterisiert und mit parallel aufgenommenen Daten von männlichen Gorillas aus Familiengruppen verglichen. Zu diesem Zweck wurden zum einen Verhaltensdaten aus den Bereichen Solitär-, Sozialverhalten und räumliche Distanzen aufgenommen und zum anderen mit Hilfe von Androgen- und Glucocorticoidanalysen aus Urin die endokrine Gonaden- und Adrenalfunktion der Tiere nicht-invasiv erfaßt. Detaillierte Verhaltensbeobachtungen und die Erfassung der hormonphysiologischen Parameter wurden dabei über einen Zeitraum von jeweils zwei bis vier Monaten bei 15 männlichen Fokustieren aus jeweils zwei Familien- und Jung-gesellengruppen durchgeführt. Zur Schaffung einer größeren Vergleichsbasis bezüglich der endokrinologischen Daten wurden zusätzlich von 12 weiteren männlichen Gorillas aus elf Familiengruppen sowie von vier Tieren aus einer weiteren Junggesellengruppe Proben gesam-melt. Darüber hinaus wurden weitere Proben von acht Gorillas für eine vorangestellte Validierung der endokrinologischen Nachweisverfahren gesammelt.
Beim Vergleich der ausgeübten solitären Verhaltensweisen zeigten sich vor allem Unterschiede in der Dauer von Futteraufnahme und Ruheverhalten. Diese Unterschiede waren hauptsächlich management- und altersbedingt, standen aber nicht im Zusammenhang mit dem Gruppentyp. Im Gegensatz dazu gab es deutliche Unterschiede im Sozialverhalten, in den Dominanzverhältnissen und im Distanzverhalten zwischen den Männchen aus Familien- und Junggesellengruppen. Gorillas aus Junggesellengruppen führten einen niedrigeren Anteil an Sozialverhalten aus, was interessanterweise sowohl affiliative als auch agonistische Interaktionen betraf. Dabei zeigte nur ein Teil der dominanten Gorillas aus Junggesellengruppen ähnlich häufig agonistische Interaktionen wie Männchen aus Familiengruppen. Im Gegensatz zu Familiengruppen, in denen die Dominanzverhältnisse unter den Männchen eindeutig waren, lagen in Junggesellengruppen häufig unklare Dominanzbeziehungen und daher eine eher instabile Gruppensituation vor. In bezug auf die räumliche Verteilung der Gorillas zeigt sich, daß die Tiere in Junggesellengruppen generell größere interindividuelle Distanzen zueinander einnahmen, und sich insbesondere ältere Männchen überwiegend außerhalb des Gruppenkreises aufhielten. Trotz der deutlichen Unterschiede im Verhalten zeigten sich in bezug auf die endokrinologischen Parameter keine klaren Unterschiede zwischen Männchen aus Familien- und Junggesellengruppen. Sowohl die Androgen- als auch die Glucocorticoidkonzentrationen waren zwischen Tieren gleicher Altersstufen aus den beiden Gruppentypen vergleichbar, so daß weder eine negative Be-einflussung der männlichen endokrinen Gonadenfunktion noch eine erhöhte endokrine Adrenalaktivität bei Gorillas aus Junggesellengruppen nachgewiesen werden konnte.
Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse dieser Arbeit, daß die Haltung von Gorillas in Junggesellengruppen zwar einen deutlichen Einfluß auf die interindividuellen Beziehungen zwischen den Männchen sowie das gezeigte Verhaltensmuster hat, was sich jedoch nicht in meßbaren Veränderungen der untersuchten endokrinen Parameter niederschlägt. Obwohl die Ergebnisse durch weiterführende Untersuchungen abgesichert werden sollten, lassen sie vermuten, daß trotz der deutlichen Verhaltensunterschiede keine generelle physiologische Belastung der in Junggesellengruppen lebenden Tiere gegeben ist. Die Haltung überzähliger Männchen in Junggesellengruppen kann damit als adäquate Haltungsform beurteilt werden. Da die Verbände jedoch nicht stabil sind und zumindest zeitweise sehr hohe Aggressionsraten auftreten können, stellt die Haltung dieses Gruppentyps hohe Anforderungen an die Haltungsbedingungen.
Abstract:
Information about the housing of male lowland gorillas (Gorilla g. gorilla) in all male groups in captivity is rare. In contrast to wild gorilla groups of this type, groups in captivity are established artificially. Additionally, space is limited in captivity and frequent emigrations, which are characteristic for wild groups, cannot take place. So far little is known if, and to what extend, these limitations, have any effect on the behaviour and physiology of the gorillas involved. In order to address the questions, different aspects of the behaviour as well as endocrine parameters of males living in all male groups have been characterised in the present study and compared to data recorded in parallel from males living in family groups. Behavioural observations focused on the collection of data on solitary and social behaviour as well as distance parameters. In addition adrenal and gonadal function were assessed non-invasively based on androgen and glucocorticoid analysis from urine. Behavioural data collection and determination of endocrine parameters were carried out over a period of two to four months on 15 male gorillas, living in two family and two all male groups. To achieve a more solid basis for comparison concerning the endocrine data, urine samples were collected from additional 12 male lowland gorillas from eleven family groups, as well as from additional four gorillas, living in an all male group. Furthermore, additional samples from eight gorillas were collected for a biological validation of the endocrine methodology.
Comparison of the pattern of solitary behaviour revealed differences in the duration of feeding and resting time. These differences were mainly related to effects of husbandry and age, but not to the type of group. In contrast, clear differences in social behaviour, dominance relations and distance behaviour existed between males living in family and all male groups. Gorillas in all male groups performed a lower rate of overall social behaviour which, interestingly, affected both the affiliative as well as the agonistic interactions. Only some of the dominant gorillas in the all male group showed similar frequent agonistic interactions as males living in family groups. Contrary to family groups, in which clear dominance relationships between males existed, in all male groups dominance relations were often unclear, resulting in a rather unstable group situation. Regarding the dispersal of the gorillas, males in all male groups generally showed greater interindividual distances and in particular older males stayed mainly outside the group.
Despite the clear differences in the behaviour no clear differences in endocrine parameters between males in family and all male groups were found. Androgen and glucocorticoid concentrations were comparable between gorillas of the same age class in both group types. Thus neither a suppression of male endocrine gonadal function, nor an elevated endocrine adrenal function of gorillas in all male groups was detected. To sum up, housing of gorillas in all male groups has a clear influence on the interindividual relationships between males, as well as on the behaviour which, however, is not reflected in the tested endocrine parameters.
Although the results should be substantiated through future studies on this topic, the data suggest, despite the clear differences in the behaviour, that gorillas housed in all male groups are generally not physiologically stressed. The housing of surplus males in all male groups can therefore be considered an adequate form of husbandry. However, as these groups are less stable and high levels of aggression may occur, maintaining gorillas in this group type makes high demands on the management and housing conditions.
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