Grauhörnchen

Grauhörnchen (Sciurus carolinensis) wild lebend im Toronto Zoo
© Peter Dollinger, Zoo Office Bern

Überordnung: EUARCHONTOGLIRES
Taxon ohne Rang: Nagetiere und Hasen (GLIRES)
Ordnung: Nagetiere (RODENTIA)
Unterordnung: Hörnchenverwandte (Sciuromorpha)
Familie: Hörnchen (Sciuridae)
Unterfamilie: Baum- und Gleithörnchen (Sciurinae)
Tribus: Baumhörnchen (Sciurini)

D LC 650

Invasive EU   Invasive_Art!

Grauhörnchen

Sciurus carolinensis • The Grey Squirrel • L'écureuil gris

110 002 030 007 scirurus carolinensis wild toronto PD1Grauhörnchen (Sciurus carolinensis) wild lebend im Toronto Zoo © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

110 002 030 007 sciurus carolinensis mapApproximative Verbreitung des Grauhörnchens (Sciurus carolinensis)

110 002 030 007 sciurus carolinensis map ukAnsiedlungsorte (unvollständig) und aktuelle Verbreitung des Grauhörnchens (Sciurus carolinensis) auf den Britischen Inseln

110 002 030 007 sciurus carolinensis map itVerbreitungsschwerpunkte des Grauhörnchens (Sciurus carolinensis) in Italien

110 002 030 007 sciurus carolinensis TPB KR1Grauhörnchen (Sciurus carolinensis) im Tierpark Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

110 002 030 007 sciurus carolinensis toronto PD3Schwarzes Grauhörnchen (Sciurus carolinensis) wild lebend im Toronto Zoo © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

110 002 030 007 sciurus carolinensis toronto PD4Grauhörnchen (Sciurus carolinensis) wild lebend im Toronto Zoo © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

110 002 030 007 sciurus carolinensis victoria PD2Grauhörnchen (Sciurus carolinensis) wild lebend in Stadtpark, Victoria, Vancouver Island © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

110 002 030 007 sciurus carolinensis victoria PD1Grauhörnchen (Sciurus carolinensis) wild lebend in Stadtpark, Victoria, Vancouver Island © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

110 002 030 007 sciurus carolinensis london PD1Grauhörnchen (Sciurus carolinensis) wild lebend im Regent's Park, London © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

110 002 030 007 sciurus carolinensis BotEdinbg KR1Grauhörnchen (Sciurus carolinensis) im Königlichen Botanischen Garten Edinburgh © Klaus Rudloff, Berlin

110 002 030 007 sciurus carolinensis BotEdinbg KR2Grauhörnchen (Sciurus carolinensis) im Königlichen Botanischen Garten Edinburgh © Klaus Rudloff, Berlin

110 002 030 007 sciurus carolinensis BotEdinbg KR3Grauhörnchen (Sciurus carolinensis) im Königlichen Botanischen Garten Edinburgh © Klaus Rudloff, Berlin

 

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Das Grauhörnchen ist eine in ihrem Ursprungsgebiet nicht gefährdete, nordamerikanische Art, die in Europa angesiedelt wurde, sich hier invasiv verhält und gebietsweise das einheimische Eichhörnchen verdrängt. Ihre Haltung wäre von besonderem Interesse, um über die Problematik der invasiven Arten zu informieren, soll aber, wie von der EU verordnet, in absehbarer Zeit auslaufen.

Körperbau und Körperfunktionen

Das Grauhörnchen ist deutlich größer als unser einheimisches Eichhörnchen. Die Tiere erreichen eine Kopf-Rumpflänge von 240-285 (230-300) mm, eine Schwanzlänge von (150-)190-250 mm und ein Gewicht von 300-720(-800) g. Mit 28-32 mm sind die Ohren etwa gleich lang wie beim Eichhörnchen, haben aber keine oder nur minimale Ohrpinsel. Das Fell ist dicht und weich. Seine Farbe variiert an der Oberseite von hell- bis dunkelgrau, eventuell mit zimtfarbenen Tönen. Gelegentlich gibt es melanistische und selten weiße Individuen. Der Bauch ist weiß oder weißgrau. Die Deckhhare des buschigen Schwanzes haben weiße Spitzen. Die Hände haben 4 Finger (der Daumen fehlt), die Füße 5 Zehen [3; 4].

Verbreitung

Nordamerika: Kanada, USA. Angesiedelte Populationen in Großbritannien, Italien und Südafrika (West-Kap) [2]. In Deutschland und der Schweiz sind bislang keine wildlebenden Vorkommen bekannt [1; 5].

Lebensraum und Lebensweise

Das Grauhörnchen lebt in Misch- und sommergrünen Laubwäldern mit vielen alten, Mast liefernden Bäumen, wie Buchen, Eichen oder Ahornen, sowie in gemäßigten bis subtropischen Feuchtwäldern. Es ist ein Kulturfolger, der häufig in städtischen Parks und im suburbanen Siedlungsraum anzutreffen ist [2; 3; 4; 8].

Grauhörnchen sind tagaktiv. Sie sind Allesfresser, die sich überwiegend von pflanzlicher Kost ernähren. Ihr Nahrungsspektrum umfasst Baumsamen (Mast), Beeren, Obst, Baumrinde, Baumsäfte, Pilze, Vogeleier, Jungvögel und Insekten. Baumsamen werden auch als Vorrat vergraben. Sie nutzen Streifgebiete von 0.5-10 ha, die sich mit denen ihrer Nachbarn überlappen. Sie sind relativ sozial, insbesonderen verwandte Weibchen können kleine Gruppen bilden, die auch gemeinsam schlafen. Zum Schlafen bauen die Grauhörnchen "Kobel", Kugelnester mit bis zu 60 cm Durchmesser, oder richten sich in Baumhöhlen ein. Sie machen keinen Winterschlaf [3; 4; 8].

Paarungsaktivitäten fallen auf die Monate Dezember-März und Juni-August. Nach einer Tragzeit von 44 Tagen werden, meist nur einmal im Jahr, 2-4 (1-8) nackte und blinde Junge mit einem Geburtsgewicht von 13-18 g geboren. Diese werden 7-10 Wochen gesäugt. Sie können die Geschlechtsreife ab 5.5 Monaten erreichen, meist aber erst mit 15 Monaten [3; 4].

Ansiedlungen in Europa

Die Ansiedlung des Amerikanischen Grauhörnchens in Großbritannien, Irland und Italien hat in diesen Ländern zu einem dramatischen Rückgang des einheimischen Eichhörnchens geführt. Grauhörnchen konkurrieren mit der heimischen Art hauptsächlich um Nahrung, wobei sie in Laubwäldern deutlich überlegen sind. Darüber hinaus können sie Träger eines für das Eichhörnchen tödlichen Pockenvirus sein, gegen das sie selbst resistent sind [1].

In Italien erfolgten zwischen 1948 und 1994 vier Ansiedlungen, wobei eine davon scheiterte. Heute gibt es fünf Populationen: Die größte im Piemont, die auf die Freisetzung von zwei Paaren in einem privaten Garten in der Nähe von Stupinigi südwestlich von Turin im  Jahr 1948 zurückgeht, und die sich heute  bis in die Provinz Cuneo ausgedehnt hat.Die zweite in Ligurien im Stadtgebiet von Genua-Nervi zurückgehend auf die Freisetzung von 5 Tieren im Jahr 1966. Die weiteren entlang des Tessin-Flusses in der Lombardei, in der Emilia Romagna um Lodi, Cremona und Rovigo, , in Venetien in der Stadt Padua und in Umbrien um Perugia, ausgehend von einer Freisetzung um das Jahr 2'000 am Monte Malbe. Vereinzelte Grauhörnchen wurden auch im oberen Tibertal zwischen Città di Castello und Trestina gesichtet [15]. 1997 wurde in Turin ein Versuch unternommen, die Grauhörnchen zu eliminieren. Dieser wurde aber aufgrund eines gerichtlichen Streits mit Tierschützern eingestellt. Zwar wurden die eingeklagten Beamten 1999 vom Gericht freigesprochen, wobei das Urteil im Jahr 2000 vom Berufungsgericht bestätigt wurde, aber den Behörden ist seitdem die Lust vergangen, etwas gegen die invasive Art zu unternehmen [1]. In der Emila Romagna wurde 2021 ein Eradikationsplan beschlossen, der ebenfalls von der Lega Italiana Difesa Animali e Ambiente bekämpft wurde [17].

Auf den Britischen Inseln kam es mutmaßlich 1828 zu einer ersten Auswilderung in Wales. Die erste nachweisliche Auswilderung in England fand im Jahr 1876 in der Nähe von Macclesfield in Cheshire statt, als der Bankier Thomas V. Brocklehurst sich eines Paars Grauhörnchen entledigte, das er von einer Geschäftsreise nach Amerika mitgebracht hatte. Zwischen 1902 und 1929 gab es eine regelrechte Auswilderungswelle, etwa im Londoner Regent’s Park, in Berkshire, Northamptonshire, Oxfordshire, Staffordshire, Devon, Warwickshire, Nottinghamshire, Suffolk und Bournemouth. Von einigen dieser Zentren breiteten sich Grauhörnchen in Gloucestershire und im Osten von Wiltshire, später über fast ganz England und Wales aus. Die meisten Tiere stammten entweder direkt aus den Vereinigten Staaten oder aus der Tierhaltung des Duke of Bedford in Woburn Abbey [14]. In Schottland erfolgte die erste Auswilderung 1892 am Loch Long. Die Population in Edinburgh geht vermutlich auf die absichtliche Freilassung aus einem Zoo zu Beginn des 20. Jahrhunderts zurück [11]. 1937 wurde im Vereinigten Königreih die Haltung einer Bewilligungspflicht unterstellt [12]. Gegenwärtig wird der Bestand an wildlebenden Grauhörnchen in Großbritannien auf 2.7 Millionen Tiere geschätzt, währenddem der Bestand an einheimischen Eichhörnchen auf 287'000 zurückgegangen ist [13]. In Irland setzte der Earl of Granard 1911 in Castle Forbes Grauhörnchen aus, die er vom Duke of Bedford bezogen hatte. Tiere aus einer anderen Quelle wurden in Kildare freigesetzt [14].

In geeigneten Wäldern erreichen Grauhörnchen eine Dichte von bis zu 18 Tieren pro Hektar. Nach Computermodellen dürfte sich das Grauhörnchen in den nächsten 20-30 Jahren von Oberitalien aus nach Frankreich und der Schweiz ausbreiten und dort die heimische Art großflächig zum Verschwinden bringen [1; 4].

Gefährdung und Schutz

Das Grauhörnchen hat in Nordamerika eine weite Verbreitung und einen großen Bestand, die beide zunehmen. Aufgrund einer Beurteilung aus dem Jahr 2016 gilt die Art daher als nicht-gefährdet [1].

Der internationale Handel ist durch CITES nicht geregelt. Erwerb und Abgabe, Haltung, Zucht, Aufzucht, Transport und Freilassen von Grauhörnchen sind nach Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2014 betreffend invasive Arten verboten. In der Schweiz sind Einfuhr und Haltung nach Art. 8bis der Jagdverordnung verboten, wobei in bestimmten Fällen Ausnahmegenehmigungen erteilt werden können.

Nach Anhang 2 der Jagdverordnung gilt das Grauhörnchen in der Schweiz als nicht einheimische Art, deren Einfuhr und Haltung verboten ist bzw, einer jagdrechtlichen Sondergenehmigung bedarf. Diese dürfte für Zoos in der Regel unter Auflagen erteilt werden [10].

Bedeutung für den Menschen

Durch Loslösen der Baumrinde verursacht das Grauhörnchen forstwirtschaftliche Schäden z.B. an Pappeln oder Weißbuchen. Aus Italien sind auch Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen bekannt [1]. Grauhörnchen sind Gegenstand der Sportjagd und des "Hörnchenfischens" eines skurrilen anglo-amerikanischen Hobbys, bei dem es darum geht, ein Grauhörnchen mittels eines geeigneten, an einer Angelschnur befestigten Köders anzulocken und es, wenn es den Köder gegriffen hat, an der Schnur hochzuziehen bis es über dem Boden schwebt [6].

Haltung

Als Altersrekord gibt WEIGL 23 Jahre und 6 Monate an, erreicht von einem im Racine Zoo, Wisconsin, gehaltenen Tier. Angaben aus anderen Zoos liegen zwischen 11 und 16 Jahren [6].

Haltung in europäischen Zoos: Die Zahl der Haltungen hat in den letzten Jahren abgenommen. Gegenwärtig (2023) sind es noch 8, davon eine in Deutschland. Für Details siehe Zootierliste.

Mindestanforderungen an Gehege: Nach Säugetiergutachten 2014 des BMEL soll ein Außengehege für 1-2 Tiere mindestens 10 m² Grundfläche und eine Höhe von 2.5 m aufweisen. Für jedes weitere Adulttier sind 2 m² zusätzliche Fläche erforderlich.

Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2022) schreibt für 1-2 Tiere ein Gehege vor, dessen Grundfläche bei einer Höhe von 2.5 m 8 m² misst. Für jedes weitere Tier kommen 2 m² zur Basisflächen dazu.

Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2023) sind für 1-2 Tiere eine Fläche von 8 m² und eine Höhe von 2 m erforderlich, für jedes weitere Tier ist die Fläche um 0.8 m² zu vergrößern. Die Tiere sind solitär oder paarweise zu halten.

Taxonomie und Nomenklatur

Das Grauhörnchen wurde 1788 von dem aus Tübingen stammenden Arzt und Naturwissenschafter Johann Friedrich GMELIN unter seinem heute noch gültigen Namen beschrieben. Es werden 5 Unterarten anerkannt [7].

Literatur und Internetquellen

  1. BERTOLINO, S. (2009)
  2. CASSOLA, F. (2016). Sciurus carolinensis. The IUCN Red List of Threatened Species 2016: e.T42462A22245728. http://www.iucnredlist.org/details/42462/0. Downloaded on 16 April 2018.
  3. GRIMMBERGER, E. & RUDLOFF, K. (2009)
  4. LURZ, P. (2011)
  5. NEHRING, S. & SKOWRONEK, S. (2017)
  6. SQUIRREL FISHING
  7. WEIGL, R. (2005)
  8. WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
  9. Durchführungsverordnung (EU) 2016/1141 der Kommission vom 13. Juli 2016 zur Annahme einer Liste invasiver gebietsfremder Arten von unionsweiter Bedeutung ABl. L 189/4 vom 14. Juli 2016.
  10. VERORDNUNG ÜBER DIE JAGD UND DEN SCHUTZ WILDLEBENDER SÄUGETIERE UND VÖGEL (JAGDVERORDNUNG, JSV) (Schweiz) vom 29. Februar 1988 
  11. SCALER, R., GENOVESI, P., DE MAN, D., KLAUSEN, B. & DICKIE, L. (2016)
  12. THE MAMMAL SOCIETY 
  13. UK SQUIRREL ACCORD
  14. WILDLIFE ONLINE
  15. PODIS - PORTALE DISINFESTAZIONE
  16. MINISTERO DELL'AMBIENTE (2020). Piano nazionale di gestione dello Scoiattolo grigio (Sciurus carolinensis) 
  17. MODENA TODAY vom 15.10.2021