Nagetiere - Allgemeines

Alpenmurmeltier (Marmota marmota) im „Marmottes Paradis*, Les Rochers de Naye
© Peter Dollinger, Zoo Office Bern

Klasse: Säugetiere (MAMMALIA)
Unterklasse: Höhere Säugetiere (EUTHERIA)
Überordnung: EUARCHONTOGLIRES
Klade: Hasen- und Nagetiere (Glires)
Ordnung:

Nagetiere

Rodentia • The Rodents • Les rongeurs

110 005 001 002 castor fiber geripp BREHM„Geripp des Bibers“ aus BREHMs Thierleben (1882-1887) (= Castor fiber). Beim vergrößert dargestellten Gebiss stellt man fest, dass keine Stiftzähne vorhanden sind.

110 011 058 092 rattus norvegicus geripp BREHM Kopie„Geripp der Wanderratte“ aus BREHMs Thierleben (1882-1887) (= Rattus norvegicus). Vergrößert dargestellt die Backenzahnreihe

110 022 000 000 dasyprocta geripp BREHM„Geripp des Aguti“ aus BREHMs Thierleben (1882-1887) (= Dasyprocta sp.)

110 012 002 001 eliomys melanurus FRA KR3Wüstenschläfer (Eliomys melanurus) im Zoo Frankfurt © Klaus Rudloff, Berlin

110 002 030 024 scirurus vulgaris weeze PD1Europäisches Eichhörnchen (Sciurus vulgaris) im Tiergehege Weeze als Beispiel eines arboricolen Hörnchens © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

110 002 038 002 xerus inauris dvur PD1Kap-Borstenhörnchen (Xerus inauris) im Zoo Dvůr Kralové als Beispiel eines terrestrischen Hörnchens © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

110 005 001 002 castor fiber BRN PD1Europäischer Biber (Castor fiber) beim Benagen eines Astes im Tierpark Bern © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

110 007 001 001 pedetes capensis zooBerlin KR1Springhase (Pedetes capensis) im Zoo Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

110 016 002 006 allactaga major riga KR1Großer Pferdespringer (Allactaga major) im Zoo Riga © Klaus Rudloff, Berlin

110 008 010 002 allocricetulus curtatus Moskau KR1Mongolischer Hamster (Allocricetulus curtatus) im Zoo Moskau © Klaus Rudloff, Berlin

110 011 058 092 rattus norvegicus erlen PD1Domestizierte Wanderratte (Tattus norvegicus f. dom) im Tierpark Lange Erlen, Basel © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

110 008 092 012 meriones unguiculatus luisen PD2Mongolische Rennmaus (Meriones unguiculatus) im Luisenpark Mannheim © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

110 017 002 006 hystrix indica gotha PD1Weißschwanzstachelschwein (Hystrix indica) im Tierpark Gotha © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

110 018 003 001 erethizon dorsatum cottbus KR2Nordamerikanischer Baumstachler (Erethizon dorsatum) im Tierpark Cottbus © Klaus Rudloff, Berlin

110 019 003 001 microcavia australis PD1Zwergmeerschweinchen (Microcavia australis) bei Posadas de Qenti, Provinz Cordoba, Argentinien © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

110 019 005 002 dolichotis salinicola reutemuehle PD1Zwergmara (Dolichotis salinicola) im Bodensee-Zoo Reutemühle, Überlingen © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

110 020 001 001 hydrochoerus hydrochaeris hte touche PD1Wasserschweine (Hydrochoerus hydrochaeris) in der Réserve Zoologique de la Haute Touche © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

110 022 003 007 dasyprocta leporina worms PD1Goldaguti (Dasyprocta leporina) im Tiergarten Worms © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

110 022 001 001 cuniculus paca TPB KR1Tiefland-Paka (Cuniculus paca) im Tierpark Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

110 023 001 002 chinchilla lanigera dvur KR1Langschwanz-Chinchilla (Chinchilla lanigera) im Zoo Dvůr Králové © Klaus Rudloff, Berlin

110 021 001 001 dinomys branickii SD wDreier1Tagsüber meist schlafendes Pakarana (Dinomys branickii) im San Diego Zoo © Wolfgang Dreier, Berlin

110 024 001 003 capromys pilorides hof PD3Kuba-Baumratte (Capromys pilorides) im Zoologischen Garten Hof © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

110 025 001 001 myocastor coypus mgladbach PD2Nutria (Myocastor coypus) im Tiergarten Mönchengladbach-Odenkirchen © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

110 026 002 002 octodon degu worms PD2Degu (Octodon degus) im Tiergarten Worms © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

110 033 001 001 ctenodactylus gondii duesseldf KR1Gundis (Ctenodactylus gondii) im Aquazoo Düsseldorf © Klaus Rudloff, Berlin

110 032 005 001 heterocephalus glaber TPB KR1Nacktmull (Heterocephalus glaber) im Tierpark Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

 

Weitere Bilder auf BioLib

Die Nagetiere sind die mit Abstand artenreichste Ordnung der Säugetiere. Es handelt sich um ziemlich bis sehr kleine, sich innerhalb der einzelnen Familien häufig sehr ähnlich sehende Arten. Manche Arten sind für das Zoopublikum durchaus attraktiv, insgesamt steht aber die Ordnung nicht im Fokus des Interesses der Besucher.

Artenspektrum und innere Systematik

Wie bei anderen Taxa auch vergrößert sich die Artenzahl der Nagetiere durch das Wirken der Molekulargenetiker kontinuierlich. Wurden 1980 noch 1'591 Arten anerkannt, waren es 1982 bereits 1'791, 1986 deren 2'015 und bis zum Jahr 2005 kamen weitere 262 dazu [9]. In der Roten Liste von 2022 werden insgesamt 2337 noch lebende Arten aufgeführt. Davon werden 102 als potenziell gefährdet, 128 als gefährdet, 144 als stark gefährdet und 60 als vom Aussterben bedroht eingestuft. Hinzu kommen noch 38 in historischer Zeit ausgestorbene Arten [4]. Nach traditioneller Taxonomie wurden die Nagetiere in 4 Unterordnungen und 30 Familien unterteilt [2; 7], heute geht man von 5 Unterordnungen und 34 Familien aus, die etwa 460 Gattungen umfassen [8]. Nachfolgend wird nur auf jene Familien eingetreten, die im Zoo-Kontext relevant sind.

Körperbau und Körperfunktionen

Nagetiere sind relativ kleine bis sehr kleine Säugetiere. Ihre Kopf-Rumpflänge variiert von unter 4 bis 130 cm, das Gewicht von etwa 5 g bis 50 kg. Die einzelnen Familien haben sich an unterschiedliche Lebensweisen angepasst. Es gibt Baumbewohner, terrestrische, unterirdisch oder amphibisch lebende Arten. Sie kommen in so gut wie allen Klimazonen und Ökoregionen vor und es gibt reine Pflanzenfresser und Allesfresser. Dies widerspiegelt sich in ihrem Körperbau, der sehr variabel ist. Gemeinsame Skelettmerkmale finden sich am Schädel. Auch sind Elle und Speiche nie verwachsen und das Ellbogengelenk ermöglicht eine Rotation des Unterarms. Das Großhirn ist gering  entwickelt, das Riechhirn groß. Der Magen ist einhöhlig, der Blinddarm groß, der Dickdarm lang. Bei den Weibchen ist die Gebärmutter paarig angelegt (Uterus duplex), die Männchen haben zumeist einen Penisknochen, ihre Hoden liegen in der Bauchhöhle, wobei es in Zusammenhang mit der Paarung zu einem Descensus  in die Cremastersäcke kommt. Gemeinsames Hauptcharakteristikum sind aber die je zwei großen, meißelförmigen, wurzellosen Schneidezähne im Ober- und Unterkiefer, die an der Vorderseite einen dicken Schmelzüberzug tragen. Eckzähne fehlen. Es ist ein großes Diastema vorhanden, die Vorbacken-/ Backenzahnreihen zeigen eine Tendenz zur Reduktion, insgesamt können 8-28 Zähne vorhanden sein [2; 10].

Hörnchenverwandte (Sciuromorpha)

Die Bilche (Gliridae oder Myoxidae) sind maus- bis rattengroße Tiere mit einem Körpergewicht von 15-200 g. Sie wurden früher in die Verwandtschaft der Myomorpha gestellt. Sie haben nur einen Vorbackenzahn. Tibia und Fibula sind extrem verwachsen, die Füße haben vorne und hinten 5 Strahlen. Ihr Fell ist weich, ihr Schwanz relativ lang und meist buschig. Er hat eine Sollbruchstelle, die dem Tier das Entkommen ermöglicht, wenn es von einem Beutegreifer am Schwanz gefasst wird. Bilche sind vorwiegend arboricol und nachtaktiv, sie können Fett speichern und halten in gemäßigten Klimazonen einen langen Winterschlaf [3; 10].

Die  Hörnchen (Sciuridae) sind kleine bis mittelgroße Nagetiere mit einem Körpergewicht von 30 g bis 8 kg und einem mittleren bis langen, oft buschigen Schwanz. Manche Arten mit Flughaut zwischen Vorder- und Hinterextremitäten, die ein Gleitfliegen ermöglicht. Im Gebiss, das aus 20-24 Zähnen besteht, ist stets ein Vorbackenzahn vorhanden, Tibia und Fibula sind unvollständig verwachsen, die Füße haben vorne und hinten 5 Strahlen, der Daumen ist gut ausgebildet und beweglich. Das Fell ist je nach Art weich oder rau. Es gibt arboricole und terrestrische Arten, von denen manche ausgedehnte unterirdische Baue graben. Verschiedene Arten machen eine Winterruhe oder halten einen Winterschlaf [3; 10].

Biberverwandte (Castorimorpha)

Die Biber (Castoridae) sind große, amphibisch lebende  Nagetiere mit einer Kopf-Rumpflänge bis 110 cm, einem bis 40 cm langen Schwanz und einem Gewicht bis 39 kg. Ihre Augen und Ohren sind klein. Die Schneidezähne sind extrem kräftig. Ihr Gebiss, besteht aus 20 Zähnen. Der Schwanz ist unbehaart und abgeplattet, die Füße haben vorne und hinten 5 Strahlen. Die Vorderfüße können wie Hände benutzt werden, die Zehen der Hinterfüßen sind durch Schwimmhäute verbunden. An der 2. und 3. Zehe befinden sich gespaltene Putzkrallen. Biber ernähren sich hauptsächlich von Laub und Rinde und fällen zu diesem Zweck sowie zum Bau von Dämmen und Burgen Bäume [2; 3; 10].

Dornschwanzhörnchenverwandte (Anomaluromorpha)

Die Springhasen (Pedetidae) sind hasengroße Nagetiere, die im Habitus an kleine Kängurus erinnern. Es gibt nur eine Gattung, die lange als monotypisch galt, aufgrund molekulargenetischer Untersuchungen aber in zwei Arten aufgeteilt wurde, die sich in Aussehen, Körperfunktionen und Verhalten nur minimal unterscheiden [8]. Für weitere Informationen wird daher auf das Tierartblatt für Pedetes capensis verwiesen.

Mäuseverwandte (Myomorpha)

Die Springmäuse (Dipodidae) sind eher kleine Nager, von denen einige wegen ihrer hüpfenden Fortbewegung, ihren langen Hinterbeinen und ihrem extrem langem Schwanz Mini-Kängurus ähneln. Die Kopf-Rumpflänge variiert von 4-27 cm, die Schwanzlänge von 7-31 cm, das Gewicht von 5-420 g. Es sind keine Vorbackenzähne vorhanden, das Gebiss umfasst daher nur 16-18 Zähne. Der Schwanz hat meist eine auffällige Endquaste. Die Außenstrahlen der Hinterfüße sind reduziert, die drei Mittelstrahlen teilweise verwachsen. Die Birkenmäuse (Sicista sp.) gehören auch zu dieser Familie, sind aber mausartig und passen daher nicht ganz ins Bild [2; 3; 10].

Afrika-Mäuse oder Madagaskarratten (Nesomyidae) werden erst seit 2004 Jahren als eigenständige Familie betrachtet. Abgesehen von den in ihr zusammengefassten 21 Gattungen mit 61 Arten afrikanischer und madagassischer Mäuseverwandter gibt es in Afrika noch zahlreiche andere Mäuseartige, die anderen Familien angehören [9].

Die Blindmäuse (Spalacidae) sind extrem an eine unterirdische Lebensweise angepasst. Ihre Kopf-Rumpflänge variiert von 15-30 cm, das Gewicht von 130-300 g. Der Körper ist walzenförmig, der Schwanz zurückgebildet, die Extremitäten kurz, Hände und Füße fünfstrahlig und klein. Die Augen sind klein, funktionslos und liegen unter der Haut. Eine Ohrmuschel ist nicht vorhanden. Entlang der Kopfseite befindet sich eine harte Kante mit Tastborsten. Das Gebiss umfasst 16 Zähne [2; 3; 10].

Wühler (Cricetidae) sind die eigentlichen Wühlmäuse, die Hamster und die Neuweltmäuse, früher wurden auch die Rennmäuse dazu gezählt. Die Kopf-Rumpflänge liegt zwischen 5 und 36 cm, die Schwanzlänge zwischen 4-25 cm und das Gewicht zwischen 6–2300 g. Der Habitus ähnelt teils dem von Maulwürfen, teils dem von Mäusen oder Ratten. Die Extremitäten sind fünfstrahlig. Es sind 16 Zähne vorhanden. Wühlmäuse ernähren sich überwiegend von Pflanzenmaterial [2; 3; 10].

Zu den Mäusen (Muridae) gehören auch die Ratten, Rennmäuse und Stachelmäuse. Die Kopf-Rumpflänge liegt zwischen 4.5 und 48 cm, die Schwanzlänge zwischen 4-32 cm und das Gewicht zwischen 5 g und rund 2 kg. Die Extremitäten sind fünfstrahlig, die Großzehe hat in der Regel eine reduzierte Kralle. Das Gebiss umfasst meist 16 Zähne, ist bei einzelnen Arten aber weiter reduziert. Mäuse sind Pflanzen- oder Allesfresser [2; 3; 6; 10].

Stachelschweinverwandte (Hystricomorpha)

Wie ihr Name sagt, tragen die Stachelschweine (Hystricidae) ein Kleid aus kurzen oder bis 40 cm langen, aufrichtbaren Stacheln. Ihr Schwanz ist entweder lang (bis 25 cm) mit Quaste oder kurz (ca. 4 cm) mit Stachelbüschel. Die Kopf-Rumpflänge variiert von 35-90 cm. Als Körpergewicht wird für die größeren Arten bis 20 kg angegeben. Augen und Ohren sind klein, das kräftige Gebiss besteht aus 20 Zähnen. Die kurzen Beine sind fünfstrahlig. Stachelschweine sind bodenlebende und nachtaktive Pflanzenfresser [2; 3; 6; 10].

Die Ähnlichkeit der Baumstachler (Erethizontidae) mit den Stachelschweinen beruht auf Konvergenz, nicht auf einer näheren Verwandtschaft.  Die Tiere weisen eine Kopf-Rumpflänge von 30-86 cm und eine Schwanzlänge von 7.5-45 cm auf. Ihr Kopf ist groß, die Augen klein, die Ohren klein und im Haarkleid verborgen. Das Gebiss umfasst 20 Zähne. Die Extremitäten sind kurz, in der Regel vierstrahlig und mit langen, gebogenen Kletterkrallen versehen. Die Haare sind zum Teil in Stacheln umgewandelt, welche oft in einem Widerhaken enden. Die Baumstachler sind arboricole und nachtaktive Pflanzenfresser [2; 6; 10].

Zu den Meerschweinchen (Caviidae) werden neben den kleinen, gedrungen gebauten eigentlichen Meerschweinchen und den hochbeinigen, hasenartigen Maras heute auch die größten Nagetiere, die amphibisch lebenden Wasserschweine (früher Hydrochoeridae) gerechnet. Die Kopf-Rumpflänge innerhalb der Familie variiert somit von 17-130 cm, das Gewicht von 140 g bis 50 kg. Bei allen Arten sind der Schwanz rudimentär, die Vorderfüße vier- und die Hinterfüße dreistrahlig. Das Gebiss dieser reinen Pflanzenfresser umfasst 20 Zähne [2; 8; 10].

Die Agutis (Dasyproctidae) sind eine recht homogene Gruppe terrestrischer Nagetiere, die im Habitus etwas an Ducker erinnern. Ihre Kopf-Rumpflänge variiert von 30-76 cm, die Schwanzlänge von 2-5.5 cm und das Gewicht von 800 g bis 6 kg. Der Kopf ist lang und ramsnasig, Augen und Ohren sind mittelgroß, das Gebiss hat 20 Zähne. Die Beine sind lang und schlank, vorne mit 4, hinten mit 3 Zehen, die hufähnliche Nägel tragen. Die Agutis sind überwiegend tagaktive Pflanzenfresser [2; 8; 10].

Die früher mit den Agutis zusammengefassten nachtaktiven Pakas (Cuniculidae) werden heute als eigene Familie angesehen. Im Habitus ähneln sie den Agutis, sind aber mit 50-80 cm Kopf-Rumpflänge etwas größer, plumper und daher mit 3-14 kg auch schwerer. Es ist ein kurzer, dünner Schwanz von 13-35 mm Länge vorhanden. Gebiss und Anzahl Zehen sind gleich wie bei den Agutis [8; 10]. Anders als bei jenen zeigt das Fell von Hals und Rumpf mehrere Längsreihen weißer Flecken und Bänder, was als Kennzeichen für niedrig differenzierte, makrosmatische Säugetiere angesehen wird [5].

Die Chinchillas (Chinchillidae) sind bodenlebende Grasland und Fels bewohnende, herbivore Tiere von gedrungener Gestalt. Sie weisen eine Kopf-Rumpflänge von 22-66 cm, eine Schwanzlänge von 7.5-32 cm und ein Gewicht von etwa 0.5-7 kg auf. Sie haben einen großen Kopf mit breiter Schnauze, große Augen und abgerundeten Ohren. Ihr Gebiss umfasst 20 Zähne. Ihre Füsse haben vorne 5 Strahlen, wobei der Daumen klein ist, und hinten 3-4 [2; 10].

Die Pakaranas (Dinomyidae) sind eine im Oligozän entstandene Schwesterfamilie der Chinchillas mit heute nur noch einer einzigen, im Zoo selten gezeigten Art (Dinomys branickii). Über 20 Gattungen mit rund 50 Arten sind im Lauf der Erdgeschichte ausgestorben.

Die Baum- oder Ferkelratten (Capromyidae) sind recht ursprüngliche Nager mit einer Kopf-Rumpflänge von 30-50 cm, einer Schwanzlänge von 3.5-30 cm und einem Gewicht von etwa 4-7 kg. Die kurzen Extremitäten sind fünfstrahlig. Das Gebiss umfasst 20 Zähne. Sie sind Pflanzen- oder Allesfresser [2; 10].

Die amphibisch lebenden  Biberratten (Myocastoridae) wurden von manchen Autoren mit den Baumratten zu einer Familie zusammengefasst [10]. Nach aktueller Systematik besteht bildet sie eine eigene Familie mit nur einer rezenten Art, der Nutria (Myocastor coypus).

Die Trugratten (Octodontidae) sind terrestrisch oder unterirdisch lebende Tiere. Sie weisen eine Kopf-Rumpflänge von 12-31 cm und eine Schwanzlänge von 4-18 cm auf. Der Kopf ist recht groß mit stumpfer Schnauze. Augen, Ohren und Schwanzbehaarung sind je nach Lebensweise unterschiedlich ausgebildet. Die Extremitäten sind fünfstrahlig, der Daumen ist klein [2; 6; 10].

Die Kammfinger oder Gundis (Ctenodactylidae) sind meerschweinchenähnliche, tagaktive, sozial lebende Felsenbewohner mit einer Kopf-Rumpflänge von 16-20 cm und einer Schwanzlänge von 1-4 cm. Das Gebiss umfasst 20-24 Zähne. Die Extremitäten sind vierstrahlig, an den inneren Strahlen der Hinterfüße befinden sich Kämme aus Borstenhaaren, die als stützen beim Klettern dienen [2; 6; 10].

Die Sandgräber (Bathyergidae) sind unterirdisch lebende, Kolonien bildende Nagetiere mit einer Kopf-Rumpflänge von 8-33 cm und einer Schwanzlänge von 1-7 cm. Körper- und Schädelbau sind an ihre grabende Lebensweise angepasst. Augen und Ohren sind rückgebildet. Die Schneidezähne sind riesig, im Ganzen sind 8-28 Zähne vorhanden. Tibia und Fibula sind ganz verwachsen. Die Krallen sind lang bis sehr lang. Das Fell ist kurz, eine Art ist unbehaart [2; 6; 10].

Verbreitung

Natürlicherweise kamen die Nagetiere auf allen Kontinenten mit Ausnahme der Antarktis sowie auf allen großen Inseln außer Grönland und Neuseeland und auf vielen kleineren Inseln vor. Im Gefolge des Menschen haben sie ihre Verbreitung dank den Kommensalen Hausmaus (Mus musculus), Wander- und Hausratte (Rattus norvegicus, R. rattus) noch weiter ausdehnen können. Heute gibt es Bestrebungen, zum Schutz der endemischen Fauna kleinere Inseln wieder frei von invasiven Nagern zu machen.

Haltung im Zoo

In europäischen Zoos werden rund 200 Nagetierarten gehalten, im deutschsprachigen Raum allerdings nur etwa die Hälfte davon, also wenig mehr als 4% aller Arten. Große Nagetier-Kollektionen haben insbesondere der Zoologisch-Botanische Garten Pilsen mit über 70 sowie die Zoos von Prag und Moskau mit je rund 40 Arten. In Deutschland ist die größte Artenvielfalt im kleinen Tierpark „Bierer Berg“ in Schönebeck mit 30-40 Arten zu bewundern [11].

Es gibt für keine einzige Nagetierart ein europäisches Erhaltungszuchtprogramm, und nur für 6 Arten ein Zuchtbuch. 5 Arten, darunter zwei für Zoos sehr relevante, die Nutria und das Sibirische Streifenhörnchen, sind auf der 2016 veröffentlichten Liste invasiver gebietsfremder Arten von unionsweiter Bedeutung aufgeführt und dürfen danach in Zukunft nicht mehr gehalten werden [12].

Tiergesundheit: Nagetiere sind empfänglich für eine Vielzahl von Parasitosen und Infektionskrankheiten. Sie können daran erkranken und sterben oder sie auf andere Tierarten im Bestand oder auf Menschen übertragen, wobei namentlich das Tierpflegepersonal gefährdet ist. Einige Beispiele;

  • Wildlebende Murmeltiere, Ziesel, Ratten etc. sowie, in Südamerika, Hausmeerschweinchen sind ein Reservoir für die Pest (Yersinia pestis), die überwiegend durch Flöhe auf den Menschen übertragen werden kann.

  • Pseudotuberkulose, verursacht durch Yersinia pseudotuberculosis, ist eine bei Zoo-Nagetieren häufig vorkommende Infektionskrankheit, die akut, subakut, chronisch oder latent verläuft.

  • Salmonellosen, verursacht hauptsächlich durch Salmonella typhi-murium und Salmonella enteritidis können akute Septikämien mit tödlichem Ausgang zur Folge haben. Infektionsquelle sind häufig wilde Hausmäuse oder Wanderratten.

  • Wildlebende Wanderratten sind auch der wichtigste Überträger der Weilschen Krankheit, einer durch Leptospira icterohaemorrhagiae verursachten, auf den Menschen und andere Tierarten, im Zoo namentlich auf wasserlebende Säugetiere wie Biber oder Fischotter, übertragbaren Zoonose.

  • Auch Kuhpocken können von Ratten auf Zootiere übertragen werden, wobei auch aus dem Handel bezogene tiefgefrorene Futterratten als Infektionsquelle in Betracht kommen.

Taxonomie und Nomenklatur

Ursprünglich bildeten die heutigen Nagetiere als Unterordnung Simplicidentata zusammen mit den Duplicidentata genannten Hasen die Ordnung Rodentia. Erst ab 1912 wurden die beiden Gruppen als eigene Ordnungen anerkannt [1; 7].

In seinem grundlegenden Werk über die Taxonomie der Säugetiere fasste sie der amerikanische Palaeontologe und Zoologe George Gaylord SIMPSON 1945 in der Kohorte oder Überordnung Glires zusammen [7]. Später wurden die offensichtlichen Ähnlichkeiten auf Konvergenz zurückgeführt und eine nähere Verwandtschaft zwischen Nagern und Hasen ausgeschlossen [10].

Heute werden die Hasen und Nagetiere wieder als Schwestertaxa mit gemeinsamen Vorfahren angesehen [9], die als „Klade“ oder „Taxon ohne Rang“ zusammengefasst werden, weil der Begriff Überordnung durch die Molekularbiologen besetzt wurde, welche die beiden Ordnungen mit den Riesengleitern (Dermoptera), Spitzhörnchen und Primaten zur Überordnung Euarchontoglires vereinigten [8].

Wie zu erwarten ist, hat es auch innerhalb der Ordnung laufend Reorganisationen gegeben. So wurden z.B. in der von Johann Friedrich von BRANDT 1855 begründeten Taxonomie der Nagetiere der Unterordnung der Hörnchenartigen acht Familien zugeordnet [2]. 2005 erfolgte eine provisorische Neueinteilung der Ordnung, nach der nur noch drei Familien zu den Hörnchenartigen gerechnet werden [9].

Literatur und Internetquellen

  1. CHAPMAN, J. A. & FLUX, J. E. C. (1990)
  2. FREYE, H. A. & THENIUS, E. et al.. In GRZIMEK, B. (Hrsg. 1970)
  3. GRIMMBERGER, E. & RUDLOFF, K. (2009)
  4. IUCN Red List of Threatened Species. Version 2022-2. Downloaded on 04 February 2023.
  5. PORTMANN, A, (1959)
  6. PUSCHMANN, W., ZSCHEILE, D., & ZSCHEILE, K. (2009)
  7. SIMPSON, G. G. (1945)
  8. WILSON, D. E. et al. eds. (2016)
  9. WILSON, D. E. & REEDER, D. M. (2005)
  10. ZISWILER, V. (1976)
  11. ZOOTIERLISTE
  12. Durchführungsverordnung (EU) 2016/1141 der Kommission vom 13. Juli 2016 zur Annahme einer Liste invasiver gebietsfremder Arten von unionsweiter Bedeutung ABl. L 189/4 vom 14. Juli 2016.
  13. DOLLINGER, P. et al. (1999)
  14. GÖLTENBOTH, R. & KLÖS, H.-G. (1995)

Weiter zu Hörnchenverwandte - Übersicht