Westaustralischer Kurzschnabeligel (Tachyglossus aculeatus acanthion) im Zoo Perth
© Peter Dollinger, Zoo Office Bern
Unterklasse: Ursäugetiere (Protheria)
Ordnung: Kloakentiere (Monotremata)
Familie: Schnabeligel (Tachyglossidae)
Kurzschnabeligel
Tachyglossus aculeatus • The Short-beaked Echidna • L'échidné à nez court
- Körperbau und Körperfunktionen
- Verbreitung
- Lebensraum und Lebensweise
- Gefährdung und Schutz
- Bedeutung für den Menschen
- Haltung
- Taxonomie und Nomenklatur
- Literatur und Internetquellen
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Der Kurzschnabeligel ist der einzige Vertreter der Kloakentiere, der gegenwärtig in europäischen Zoos gehalten wird. Körperbau und KörperfunktionenKurzschnabeligel erreichen eine Kopf-Rumpflänge von 40-50 cm, haben einen Stummelschwanz [3] und werden 2-7 kg schwer [4]. Der Bau der Augen und manches im Knochenbau, besonders im Schultergürtel entsprechen den Verhältnissen bei den Reptilien. Ohrmuscheln fehlen. Der Mund ist zahnlos. Die lange und wurmförmige Zung ist klebrig. Zum Aufsammeln von Ameisen oder Termiten kann sie bis zu 100 mal pro Minute aus dem Schnabel hervorschnellen. Am Gaumen befinden sich Hornleisten zum Zerquetschen der Nahrung. Die zweite Fußkralle ist als Putzkralle ausgebildet. Die Männchen verfügen über einen Sporn am Fersenbein. Die Harnröhre ihres enorm langen Penis dient nur dem Samentransport, da der Harn direkt in die Kloake abgegeben wird. Sie weist eine doppelte Gabelung auf und endet auf der paarig angelegten Eichel in vier Rosetten, von denen bei der Kopulation jeweils nur entweder die linken oder die rechten aktiviert werden [5]. Die Weibchen produzieren zwar Milch, haben aber keine Zitzen, sondern das Junge muss die Milch von einem Drüsenfeld ablecken [3]. VerbreitungAustralien und einige umliegende Inseln einschließlich Tasmanien, Südost-Neuguinea. Lebensraum und LebensweiseDer Kurzschnabeligel besiedelt die unterschiedlichsten Lebensräume. In Australien ist er in allen Ökoregionen vom Meeresspiegel bis zu den höchsten Berggipfeln, in Neuguinea bis auf eine Höhe von 1'675 m anzutreffen [1]. Während des Sommers sind die Tiere überwiegend dämmerungs- oder nachtaktiv, in der kühleren Jahreszeit sind die auch am Tag zu beobachten, etwa wenn sie ein Sonnenbad nehmen. Außerhalb der Paarungszeit, wenn jeweils mehrere Männchen einem Weibchen folgen und lockere Gruppen bilden, sind sie im Prinzip Einzelgänger, verhalten sich aber Artgenossen gegenüber wenig aggressiv. Sie ernähren sich überwiegend von Termiten und ihren Larven, nehmen aber auch Ameisen sowie Eier und Larven von anderen Insekten [4; 11]. Dass Schnabeligel Eier legen wurde 1884 von Johann Wilhelm HAACKE, dem damaligen Leiter des South Australian Museum in Adelaide und späteren Direktor des Frankfurter Zoos entdeckt. HAACKE schrieb zu seiner Entdeckung, die er an einem frisch auf Kangaroo Island gefangenen Schnabeligelweibchen machte: "Nur ein Tierkundiger wird meine Bestürzung begreifen können, als aus dem Beutel ein Ei hervorzog, das erste gelegte Ei eines Säugetieres ... Dieser unerwartete Fund verwirrte mich derart, dass ich die nur unter solchen Umständen erklärliche Torheit beging, das Ei heftig zwischen Daumen und Zeigefinger zu drücken und ihm so einen Riss beizubringen. Sein dünnflüssiger Inhalt war leider, wohl infolge des Einfangens und der Gefangenhaltung seiner Mutter, in Zersetzung übergegangen. Die Länge des elliptischen Eis betrug fünfzehn, seine Dicke dreizehn Millimeter, die Schale war derb pergamentartig, wie bei Kriechtieren." [3]. 20-24 Tage nach der Paarung, die in Australien von Juni bis Mitte September stattfinden kann, und von einer halben bis zu drei Stunden dauert [4], legt das Weibchen ein einzelnes Ei, das es im Beutel ausbrütet. Das Junge schlüpft nach zehn Tagen. Es öffnet die Eischale mit Hilfe eines Eizahns, der später verloren geht. Neugeborene Schnabeligel sind nur 12 mm lang. Sie bleiben in Mutters Bauchtasche, bis sie etwa 9-10 cm lang sind und sich ihre Stacheln entwickeln [3]. Mit 45-63 Tagen, wenn die Stacheln zu sprießen beginnen, wird es in einem unterirdischen Nest abgelegt. Das Weibchen kommt in Abständen von 3-10 Tagen zum Nest, um das Junge zu säugen. Dieses nimmt dann jeweils eine Milchmenge auf, die rund 10% seines Körpergewichts entspricht. Mit 180-205 Tagen wiegt es 800-1'300 g und wird entwöhnt [4]. Gefährdung und SchutzDer Kurzschnabeligel wird nach einer Beurteilung aus dem Jahr 2015 nicht als gefährdet eingestuft, weil er weit verbreitet und häufig ist, eine große Gesamtpopulation hat, verschiedene Lebensräume nutzen kann und auch in Schutzgebieten vorkommt. In Australien sind die Bestände stabil, aber in einigen Gegenden von Neuguinea gehen sie durch die starke Bejagung teilweise zurück [1]. Der internationale Handel ist unter CITES nicht geregelt. Es gelten Ausfuhrbeschränkungen Australiens. Bedeutung für den MenschenKurzschnabeligel wurden von manchen Stämmen der Ureinwohner Australiens als Totems verehrt und wurden auf Felsmalereien und Ritzzeichnungen dargestellt [2]. Sie waren auch ein Bestandteil der täglichen Nahrung und werden auf Neuguinea heute noch so stark bejagt, dass sie stellenweise selten geworden sind [1]. HaltungErsteinfuhr: Der Londoner Zoo erhielt den ersten Kurzschnabeligel bereits 1845. Dieser lebte jedoch nur vier Tage [4]. Lebenserwartung und Zucht: Kurzschnabeligel können in Menschenobhut sehr alt werden. So wurde ein Tier des Wuppertaler Zoos 26 Jahre und 5 Monate gehalten [7], den Altersrekord hält jedoch ein Tier, das 1903 in den Zoo von Philadelphia gelangte und dort 49 Jahre und 5 Monate lebte [4]. Ein am 12.1.1913 nach dem Zoo Berlin eingeführter Schnabeligel erreichte ein Alter von 30 Jahren, 6 Monaten und 29 Tagen. Schon 1908 war im Zoo Berlin die Welterstzucht erfolgt. Das Jungtier erreichte ein Alter von ca. 14 Wochen [8]. Im Basler Zoo gab es 1955 und 1967 je ein Jungtier, die aber nicht aufgezogen werden konnten [4; 6]. Die erste Zoo-Geburt in zweiter Generation gelang 2004 dem Zoo Frankfurt, wo ein Jungtier schlüpfte, dessen Mutter 1995 im Zoo Saarbrücken zur Welt gekommen war [8]. Im Zoo Rostock wurde 2014 ein Kurzschnabeligel geboren, der nach dem Tod seiner Mutter von Hand aufgezogen wurde. Es handelte sich um die Welterstzucht der Unterart T. a. lawesii [PM Zoo Rostock vom 21.07.2014]. Im Februar 2023 kam im Tierpark Berlin zum ersten Mal ein Jungtier zur Welt. Es gehörte ebenfalls der Neuguinea-Unterart an [PM Tierpark Berlin vom 05.04.2023]. Zoopädagogik: Als Eier legendes Säugetier ist der Kurzschnabeligel besonders geeignet, um über die Evolution zu informieren. Anhand des Stachelkleids kann dabei über konvergente Entwicklungen gesprochen werden. Haltung in europäischen Zoos: Der Bestand an Kurzschnabeligeln in europäischen Zoos hat durch Importe und Zuchterfolge in den letzten Jahren zugenommen. Gegenwärtig (2022) wird die Art in 17 Einrichtungen gehalten. Die EAZA überwachte den Bestand mit einem Monitoring EEP. 2020 zählte sie 29 Tiere. 2024 wurde das Programm in ein vom Zoo Budapes koordiniertes New Style-EEP umgewandeltFür Details siehe Zootierliste. Mindestanforderungen an Gehege: Eine Erhöhung der im deutschen Säugetiergutachten von 1996 vorgegebenen Mindestfläche von 4 m² pro Paar war angezeigt. Allerdings gibt es für die im Säugetiergutachten 2014 des BMEL vorgesehenen 16 m²/Paar keine Grundlage. Die Tierschutzverordnung der Schweiz (Stand 01.06.2024) schreibt 6 m²/Paar, die 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2024) 10 m²/Paar vor. Der Verband der Zoologischen Gärten hält es für angemessen dass die ganzjährig benutzbare Gehegefläche pro Tier 6 m² nicht unterschreitet. Gehege für zwei und mehr Tiere sollen unterteilbar oder es soll ein Ausweichgehege gegeben sein, um einzelne Tiere bei Bedarf trennen zu können. Zugang zu einem Außengehege während der warmen Jahreszeit ist empfehlenswert, aber nicht unabdingbar. Schnabeligel sind keine Tunnelbauer, sondern buddeln sich nur ein, um zu schlafen [9]. Daher ist eine Substratstärke von 30 cm, wie im Säugetiergutachten 2014 vorgegeben, nicht im ganzen Gehege erforderlich. Taxonomie und NomenklaturDer Schnabeligel wurde 1802 von dem englischen Arzt und Naturforscher George SHAW, dem wir auch die Erstbeschreibung des Schnabeltiers verdanken, anhand eines Exemplars aus der Gegend von Sydney als "Myrmecophaga aculeata" erstmals wissenschaftlich beschrieben und benannt. Er stellte ihn also in dieselbe Gattung wie den Großen Ameisenbären. Die heute gültige Gattungsbezeichnung Tachyglossus wurde 1811 von dem in Berlin tätigen Zoologen Johann Karl Wilhelm ILLIGER eingeführt [11]. Der Gattungsname "Tachyglossus" bezieht sich auf die schnellen Zungenbewegungen (Altgriechisch: ταχύς = schnell, γλῶσσα = Zunge), mit der die Tiere ihre Nahrung aufnehmen, aculeatus bedeuted auf Lateinisch "stachelig". Es werden gegenwärtig fünf Unterarten unterschieden: T. a. aculeatus und T. a. acanthion auf dem australischen Festland, T. a. multiaculeatus auf Kangaroo Island, T. a. setosus auf Tasmanien und den Inseln der Bass-Straße sowie T. a. lawesii auf Neuguinea [10; 11]. |
Literatur und Internetquellen
- APLIN, K., DICKMAN, C., SALAS, L. & HELGEN, K. (2016). Tachyglossus aculeatus. The IUCN Red List of Threatened Species 2016: e.T41312A21964662. http://www.iucnredlist.org/details/41312/0. Downloaded on 16 March 2017.
- AUSTRALIAN MUSEUM
- GRZIMEK, B. (1966)
- JACKSON, S. M. (2003)
- JOHNSTON, S. D., SMITH, B., PYNE, M., STENZEL, D. J. & HOLT, W. (2007)
- PUSCHMANN, W., ZSCHEILE, D., & ZSCHEILE, K. (2009)
- SCHÜRER, U. (1993)
- SICKS, F. (2014)
- TROUGHTON, E. (1967)
- WILSON, D. E. & REEDER, D. M. (2005)
- WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)