Damhirsch (Dama damamit beinahe fertigem Bastgeweih im Tierpark Peter und Paul, St. Gallen
© Peter Dollinger, Zoo Office Bern
Überordnung: LAURASIATHERiA
Taxon ohne Rang: CETARTIODACTYLA
Ordnung: Paarzeher (ARTIODACTYLA)
Unterordnung: Wiederkäuer (Ruminantia)
Familie: Hirsche (Cervidae)
Unterfamilie: Echte Hirsche (Cervinae)
Tribus: Echthirsche im engeren Sinn (Cervini)
Europäischer Damhirsch
Dama dama • The European Fallow Deer • Le daim européen
- Körperbau und Körperfunktionen
- Verbreitung
- Lebensraum und Lebensweise
- Gefährdung und Schutz
- Bedeutung für den Menschen / Situation in Mitteleuropa
- Haltung
- Taxonomie und Nomenklatur
- Literatur und Internetquellen
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Der Damhirsch ist die häufigste in europäischen zoologischen Einrichtungen gehaltene Hirschart. Als in Europa angesiedelte Art ist der mit einem Schaufelgeweih ausgerüstete Damhirsch zoopädagogisch interessant, und ihr vertrautes Wesen in begehbaren Gehegen sorgt dafür, dass die wegen ihrer Fleckung oft als "Rehlein" apostrophierten Tiere beim allgemeinen Zoopublikum sehr beliebt sind. Körperbau und KörperfunktionenMit einer Kopf-Rumpf-Länge von 145-155(-175) cm, einer Schulterhöhe von 85-95 cm und einem Gewicht von 50-85 kg (vor der Brunft etwa 20% mehr) bei den Hirschstieren, sowie einer Kopf-Rumpf-Länge von 130-145 cm, einer Schulterhöhe von 70-80 cm und einem Gewicht von 35-50 kg bei den Hirschkühen, gehört das Damwild zu den mittelgroßen Cerviden. Der Schwanz ist zwischen 15 und 19 cm lang. Das Geweih der erwachsenen Hirsche bildet Schaufeln mit kurzen, dornenartigen Sprossen. Es wird selten mehr als 4 kg schwer. Die Kühe sind geweihlos. Auffällig ist, namentlich bei männlichen Tieren, der vorspringende Kehlkopf. Es sind Voraugendrüsen und an den Hinterläufen Metatarsaldrüsen mit Laufbürsten sowie Zwischenzehendrüsen vorhanden. Die Stiere weisen am Präputium ein großes, in der Jägersprache "Pinsel" genanntes Haarbüschel auf. Das Gesäuge der Kühe hat vier Zitzen. Das Sommerfell ist glatt und dünn, bei wildfarbenen Individuen oberseits rötlich-braun mit lebhaften weißen Flecken und dunklem Aalstrich. Kehle, Halsunterseite, Bauch und Läufe sind heller, stellenweise weißlich. Es ist ein weißer, oben schwarz eingefasster Spiegel vorhanden, der mit der schwarzen Wedeloberseite kontrastiert. Das Winterfell ist dicker, dunkel graubraun ohne oder nur mit angedeuteten Flecken und mit viel Unterwolle. Nebst wildfarbenen gibt es auch viele schwarze, weiße oder porzellanfarbene Individuen [3; 5; 9; 14]. VerbreitungEuropa und Kleinasien: Nach der Eiszeit kam der Damhirsch vermutlich in der Türkei, auf dem Balkan in Süditalien und auf Sizilien vor. Durch die Phönizier, Römer und Normannen wurde die Art in Europa weiterverbreitet, wobei die meisten gegenwärtigen Populationen auf spätere Ansiedlungen zurückgehen. Heutige Vorkommen in Europa: Albanien, Belgien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien (auf Sardinien und Sizilien ausgerottet und im 20. Jahrhundert wieder angesiedelt), Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Moldawien, Montenegro, Niederlande, Nord-Mazedonien, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Russland, Schweden, Serbien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Türkei, Ukraine, Ungarn, Weißrussland, Zypern. Ansiedlungen außerhalb Europas: Argentinien, Australien (Bestand 300-400'000 Tiere im Südosten und auf Tasmanien), Chile, Fidschi, Kanada, Neuseeland, Peru, Südafrika, USA, Uruguay [3; 7; 14; 17]. Lebensraum und LebensweiseUrsprünglich in der mediterranen Hartlaubvegetation zuhause, besiedelt der Damhirsch heute in Europa mit Lichtungen durchsetzte Laub- und Mischwälder sowie Parklandschaften des Tieflands und der Mittelgebirge mit viel Unterwuchs. Die Tiere sind hauptsächlich nacht- und dämmerungsaktiv, wo sie nicht bejagt werden aber auch tagaktiv, wobei abwechslungsweise geäst bzw. wiedergekäut und geruht wird. Sie leben in locker organisierten, nicht-territorialen, gemischten Rudeln und Herden, innerhalb derer Familiengruppen bestehen. Stiere können auch kleine Junggesellenverbände bilden, nur alte Hirsche sind Einzelgänger. Damhirsche sind vorzugsweise Grasäser. Ihr Speiseplan ist aber vielseitig und variiert jahreszeitlich und regional. Er umfasst Gräser, Kräuter, Laub, Zwergsträucher, Nadeln, Knospen, Triebe und Rinde. Im Gegensatz zu Rot- und Sikahirschen suhlen Damhirsche nicht [3; 9]. Im April oder anfangs Mai werfen die Hirsche ihr altes Geweih ab. Kurz danach setzt das Wachstum des von einer gut durchbluteten, behaarten Basthaut bedeckten neuen Geweihs ein, das bis Ende August abgeschlossen ist. Die Hirsche streifen dann die Basthaut durch Fegen an Zweigen und Ästen ab und machen sich anschließend auf zu ihren traditionellen Brunftplätzen. Die Brunft fällt hauptsächlich auf den Oktober, die Fortpflanzungsstrategie kann je nach Geschlechtsverhältnis und Konkurrenzsituation variieren. In der Regel teilen die starken Hirsche den Brunftplatz unter sich auf, markieren das Zentrum ihres Territoriums mit einer flachen, nach Urin und Sekreten riechenden Brunftkuhle, machen auf ihre Präsenz durch knarrende Brunftscheie, die höher und eintöniger sind als die der Rothirsche, aufmerksam und warten hier auf vorbeiziehende Kühe. Bisweilen besteht aber auch ein Haremssystem, indem die Stiere einem Kahlwildrudel folgen und dieses gegen Rivalen verteidigen. Während der Brunft wird das Geweih als Waffe im Vorstoß und anschließenden Schiebekampf eingesetzt. Als Schutz gegen seitliche Schläge verdickt sich die Haut starker Hirsche im Bereich von Hals und Schulter während dieser Zeit bis auf 1 cm. Nach einer Tragzeit von (215-)229-234 Tagen wird von Mai bis Juni meist ein einzelnes Kalb gesetzt, selten Zwillinge. Die Jungen wiegen etwa 4.-4.7 (2-5.5) kg. Sie sind Ablieger, die sich während der ersten 10 Lebenstage in dichter Vegetation verstecken und erst danach der Mutter folgen. Sie werden mit etwa (5-)8-9 Monaten entwöhnt. Laktierende Kühe lassen auch fremde Kälber an ihr Euter. Weibliche Tiere werden mit etwa 16-18 Monaten geschlechtsreif, sind dann aber bei der Aufzucht noch wenig erfolgreich. Die Reproduktionsrate ist bei Kühen vom 2.-7 Lebensjahr am höchsten. Stiere haben erst ab dem 4. Jahr gute Fortpflanzungschancen [3; 9; 10; 14]. Gefährdung und SchutzIn ihrem Ursprungsland Türkei ist die autochthone Population hoch bedroht. Da die Art aber in vielen Ländern Europas und anderer Weltregionen eingebürgert wurde, ist sie gemäß einer Beurteilung aus dem Jahr 2008 global nicht gefährdet (Rote Liste: LEAST CONCERN) [7]. Der internationale Handel ist unter CITES nicht geregelt. Nach Anhang 1 der Jagdverordnung gilt der Damhirsch in der Schweiz als nicht einheimische Art, deren Einfuhr und Haltung nebst der veterinärrechtlichen einer jagdrechtlichen Bewilligung bedarf [16]. Bedeutung für den Menschen / Situation in MitteleuropaDamhirsche werden zur Gewinnung von Fleisch, Häuten sowie Bastgeweihen und anderen Körperteilen für die Zwecke der traditionellen orientalischen Medizin gejagt und in Gattern gehalten. Sie sind auch Ziel der Trophäenjagd [7]. Rund die Hälfte des auf etwa 10 Millionen Tiere geschätzten Weltbestands auf Hirschfarmen lebt in Neuseeland [17]. Die meisten europäischen Damhirsche leben in Wildgattern und dies schon seit langer Zeit. So hat die Tierwelt Herberstein ihren Ursprung im Jahr 1675 als Damwildgatter. Durch das intensive Management über viele Generationen treten vermehrt Farbmutationen auf - Schwärzlinge, Weißlinge, Isabellen - die oft rein gezüchtet werden. In Deutschland werden jährlich über 60'000 Stück Damwild erlegt (2019/20: 69'211, Vorjahr 65'422), die meisten in Niedersachsen und Schleswig-Holstein, in Österreich etwa 1'000 (2020/21: 980, Vorjahr 1'034), die meisten in Niederösterreich. In der Schweiz, wo es keine Jagdgatter gibt, kommt der Damhirsch nicht vor, von einzelnen eingewanderten oder aus Privathaltungen entwichenen Tiere abgesehen. Die Jahresstrecken der letzten Jahre lagen hier zwischen 1 und 10 Tieren [1; 2; 12]. Aus bescheidenen Anfängen in den 1970er-Jahren entwickelte sich die Damtierhaltung in Mitteleuropa zu einem beachtlichen landwirtschaftlichen Erwerbszweig. Im Jahr 2000 betrug die Zahl der landwirtschaftlichen Haltungen in Deutschland 5'670 und die Zahl der gehaltenen Tiere 104'250 [11]. HaltungVielen Zoobesuchern ist der Unterschied zwischen Reh und Hirsch nicht geläufig. Viele meinen "das Reh ist dem Hirsch seine Frau", was Heini HEDIGER veranlasste, im Tierpark Bern wie im Zoo Basel ein negatives Namensschild mit dem Text "Wir sind keine Rehlein, sondern Damhirsche" anzubringen [6]. Eine Gemeinschaftshaltung mit anderen Tierarten ist möglich und wird in größeren Gehegen häufig praktiziert, z.B. mit Wisenten, Rot- und Sikawild, Mufflons (das Damwild ist gegenüber Bösartigem Katarrhalfieber relativ resistent) oder jungen Wildschweinen. Kahlwild und Hirsche ohne gefegtes Geweih lassen sich auch in Gehegen halten, die für das Publikum zugänglich sind und wo das Füttern erlaubt ist. Angriffe auf Tierpfleger durch brünstige Hirsche sind selten. In größeren Gehegen ist die Haltung gemischtgeschlechlicher Gruppen möglich [8; 10]. WEIGL gibt als Höchstalter für eine im New Yorker Staten Island Zoo gehaltene Damhirschkuh 21 Jahre und 1 Monat an [13]. Haltung in europäischen Zoos: Der Europäische Damhirsch wird in 880 Zoos, Tier- und Wildparks gehalten und ist damit die häufigste Cervidenart in europäischen Einrichtungen. Im deutschsprachigen Raum werden Europäische Damhirsche in über 340 Tier- und Wildparks und vielen kleinen Wildgehegen gehalten. Die größeren Zoos verzichten deshalb zunehmend auf die Haltung dieser Art. Für Details siehe Zootierliste. Mindestanforderungen an Gehege: Das Säugetiergutachten 2014 des BMEL gibt für eine Gruppe bis zu 5 Tieren ein Gehege von 200 m² vor und für jedes weitere Adulttier 10 m² mehr. Bei extensiver Haltung zur Grünlandnutzung sind bei einer minimalen Gehegefläche von 1 ha pro erwachsenes Tier 1'000 m² vorzuhalten, was in etwa der gängigen Praxis entspricht. Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2024) schreibt für bis zu 8 Tiere ein Gehege von 600 m² mit Abtrennmöglichkeit und natürlichen oder künstlichen, allen Tieren gleichzeitig Platz bietenden Unterständen vor. Für jedes weitere Adulttier ist die Fläche um 60 m² zu erweitern. Bei Haltung auf Naturboden wie gewachsen sind die Flächen zu verdreifachen. Ergänzend hat das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen 2017 eine Fachinformation "Landwirtschaftliche Hirschhaltung" herausgegeben. Danach gelten für die die rund 11'000 in landwirtschaftlichen Haltungen lebenden Damtiere besondere Anforderungen: Die Weideflächen müssen so groß sein, dass die Grasnarbe ganzjährig erhalten bleibt. Ein Unterstand muss allen Tieren gleichzeitig Schutz vor Witterung bieten. Ein solider Zaun muss das Entweichen der Hirsche und das Eindringen fremder Tiere verhindern. Die Hirsche sowie der Zustand der Gehegeeinrichtungen müssen mindestens einmal täglich kontrolliert werden. Absperrgehege müssen für tierärztliche Behandlungen eingerichtet werden können. Die 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs regelt die Haltung von einheimischem Schalenwild nicht. Taxonomie und NomenklaturDer Damhirsch wurde 1758 von Carl von LINNÉ unter der Bezeichnung "Cervus dama" erstmals wissenschaftlich beschrieben. Die heute gültige Gattungsbezeichnung Dama wurde 1775 von Johann Leonhard FRISCH in seinem Werk "Das Natur-System der vierfüssigen Thiere" erstmals verwendet [4; 15]. |
Literatur und Internetquellen
- DEUTSCHER JAGDVERBABD
- EIDG.JAGDSTATISTIK
- GRIMMBERGER, E. & RUDLOFF, K. (2009)
- GROVES, C.P. & GRUBB, P. (2011)
- GRZIMEK, B. (ed., 1970)
- HEDIGER, H. (1951)
- MASSETI, M. & MERTZANIDOU, D. (2008). Dama dama. The IUCN Red List of Threatened Species 2008: e.T42188A10656554. http://www.iucnredlist.org/details/42188/0 . Downloaded on 26 May 2018.
- MATZAT, T. (2012)
- MOSLER-BERGER, C. (1998)
- PUSCHMANN, W., ZSCHEILE, D., & ZSCHEILE, K. (2009)
- SCHUBERT, B. (2006)
- STATISTIK AUSTRIA
- WEIGL, R. (2005)
- WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
- WILSON, D. E. & REEDER, D. M. (2005)
- VERORDNUNG ÜBER DIE JAGD UND DEN SCHUTZ WILDLEBENDER SÄUGETIERE UND VÖGEL (JAGDVERORDNUNG, JSV) (Schweiz) vom 29. Februar 1988
- CHAKANYA, C., DOKORA, A. MUCHENJE, V. & HOFFMAN L. C. (2016)