Rothalsgazelle (Gazella (Nanger) dama ruficollis) im Privatzoo Michel Durand, Santiago de Chile )
© Peter Dollinger, Zoo Office Bern
Überordnung: LAURASIATHERIA
Taxon ohne Rang: CETARTIODACTYLA
Ordnung: Paarzeher (ARTIODACTYLA)
Unterordnung: Wiederkäuer (Ruminantia)
Familie: Hornträger (Bovidae)
Unterfamilie: Gazellenartige (Antilopinae)
Tribus: Gazellen (Antilopini)
Damagazelle, Mhorrgazelle
Gazella (Nanger) dama • The Dama, or Addra, Gazelle • La gazelle dama
- Körperbau und Körperfunktionen
- Verbreitung
- Lebensraum und Lebensweise
- Gefährdung und Schutz
- Bedeutung für den Menschen
- Haltung
- Taxonomie und Nomenklatur
- Literatur und Internetquellen
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Damagazellen sind die größten Gazellen. Sie sind unmittelbar vom Aussterben bedroht. Die Zoos haben deshalb Erhaltungszuchtprogramme eingerichtet und engagieren sich in Schutzprojekten- und Wiederansiedlungen in den Ursprungsländern. Körperbau und KörperfunktionenDie Damagazelle ist mit einer Kopf-Rumpflänge von 140-165 cm, einer Schulterhöhe von (88-)100-120 cm und einem Gewicht von 46-74 kg bei den Böcken bzw. 42-62 kg bei den Geißen die größte Gazelle. Beide Geschlechter haben leierartige, flach nach hinten geschwungene und quergewulstete Hörner, die bei den Böcken bis zu 43 cm lang werden können, bei den Geißen kürzer, schlanker und glatter sind. Die Voraugendrüse ist klein.Das Fell ist weiß und rot, wobei die Anteile der beiden Farbkomponenten je nach Unterart bzw. Population unterschiedlich sind, Bei Tieren aus dem Westen dominiert die rote Farbe, bei solchen aus dem Osten die weiße. Der Voraugenstreif fehlt oder ist nur angedeutet, ein Flankenstreifen fehlt. Der weiße Spiegel reicht über die Schwanzwurzel hinaus bis auf den Rücken. Der 25-35 cm lange Schwanz ist oberseits weiß und hat eine rotbraune Unterseite [5; 12]. VerbreitungNordafrika : Mali, Niger, Tschad, ausgestorben in Libyen, Mauretanien, Nigeria, eventuell auch in Algerien, Sudan und Westsahara, wiedereingeführt in Marokko, Senegal und Tunesien [7]. Lebensraum und LebensweiseDamagazellen bewohnen offene Buschsteppen, Dornbuschsavannen, Grassteppen, Halbwüsten und Wüsten. Sie sind anscheinend tagaktiv und unternehmen jahreszeitliche Wanderungen entsprechend der Verfügbarkeit von Nahrung. Sie wurden in kleineren Gruppen bestehend aus einem Bock, mehreren Geißen und deren Nachwuchs oder als Einzeltiere beobachtet. Ob es Junggesellengruppen gibt, ist nicht bekannt. Sie ernähren sich von Laub von Akazien und Sträuchern, Gräsern und Kräutern. Ihr Wasserbedarf ist gering [7; 12]. Die Kitze werden nach einer Trächtigkeitsdauer von etwa 201 (174-212, laut Literatur mit regionalen Unterschieden) Tagen sandfarben geboren und färben im Alter von 4-5 Monaten um. Das Geburtsgewicht schwankt zwischen 3.1 und 5.4 kg [9; 12]. Gefährdung und SchutzBereits in den 1950/60-er Jahren begannen die Bestände der Damagazelle abzunehmen. Zu Beginn der 1970er Jahre gab es aber allein im Ouadi Rimé Ouadi Achim-Wildschutzgebiet in Tschad noch einen Bestand von 10-12'000 Rothalsgazellen. Um 1990 hatten die Bestände im Tschad drastisch abgenommen, in Mali und Niger gab es jeweils noch einige Hundert Tiere, in Nigeria bestenfalls noch einige zeitweilig enwandernde Individuen und in Burkina Faso vielleicht noch eine Kleinstpopulation. In Mauretanien war die Art ausgestorben, ebenso in Senegal bis auf eine kleine, in einem eingezäunten Reservat wiederangesiedelte Herde [14]. Um 2000 wurde der Bestand an Mhorrgazellen in Südmarokko/West-Sahara auf weniger al 100 Tiere geschätzt. In Algerien war die Mhorrgazelle vermutlich ausgestorben und die Nominatform, die in Tunesien ausgestorben und in Libyen vermutlich ausgestorben war, kam nur noch in geringer Zahl vor [15]. 1986 wurde die Art als gefährdet, 1990 als stark gefährdet und 2006, letztmal überprüft 2016, als unmittelbar vom Aussterben bedroht eingestuft (Rote Liste: CRITICALLY ENDANGERED). Es gibt noch fünf isolierte, aus wenigen Tieren bestehende Populationen und der gesamte Wildesamtbestand beläuft sich auf nur noch 100-200 erwachsene Tiere. Ursache für den massiven Rückgang sind die Zerstörung des Lebensraums und vor allem die unkontrollierte Jagd. Eine weitere Abnahme der Bestände ist leider anzunehmen und es könnte der Damagazelle gleich ergehen wie der Säbelantilope, welche in der Natur ausgestorben ist [1; 7]. Die Art ist nach Anhang I des Bonner Übereinkommens über wandernde Tierarten geschützt und unterliegt in diesem Rahmen einem "CMS Sahelo-Saharan Antelopes Action Plan". Der internationale Handel wird nach CITES-Anhang I eingeschränkt. Die Einfuhr lebender Tiere aus den Ursprungsländern ist zudem wegen der restriktiven Veterinärbestimmungen der EU so gut wie ausgeschlossen. Zoogestützte Artenschutzprojekte (Beispiele):
Bedeutung für den MenschenDie Damagazelle wird zur Gewinnung von Fleisch oder zum Vergnügen geschossen, letzteres oft durch Arabische Jagdtouristen, welche die Tiere mit Geländefahrzeugen verfolgen. Gebietsweise sind Gallensteine als Talismane gesucht [7]. Von 1977-2017 wurde von den Ursprugsländer lediglich die Ausfuhr einer Jagdtrophäe gemeldet. Im selben Zeitraum wurden weltweit 494 Nachzuchttiere bei der Ausfuhr rgistriert. Davon stammten 250 aus den USA, 105 aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und 77 aus Deutschland [4]. Damagazellen werden auch auf texanischen Jagdfarmen gehalten. Dort werden Abschüsse zu 10'000 USD verkauft [Online-Inserat 2019]. HaltungIn ausreichend großen Gehegen können Dama-/Mhorrgazellen zusammen mit der im Freiland sympatrisch vorkommenden Dorkasgazelle gehalten werden, ohne dass Probleme auftreten [11]. Gemeinschaftshaltungen gibt es auch mit Spornschildkröten, Heiligen Ibissen, Paradies- und Kronenkranichen, Spitzmaulnashörner, Arabischen Oryx und weiteren Antilopen. Als Altersrekord gibt WEIGL für eine Rothalsgazelle 19 Jahre und 3 Monate, für eine Mhorrgazelle 16 Jahre und 8 Monate an [10]. Haltung in europäischen Zoos: Früher wurden alle drei Unterarten in europäischen Zoos gehalten. In den letzten Jahren hat aber eine Aufgabenteilung stattgefunden: die amerikanischen Zoos kümmern sich hauptsächlich um die Rothalsgazelle (Gazella (Nanger) dama ruficollis), die europäischen Zoos um die Mhorrgazelle (Gazella (Nanger) dama mhorr). Gegenwärtig (2023) halten 31 europäische Zoos Tiere der Unterart mhorr, ein weiterere solche der Unterart ruficollis. Vier Haltungen befinden sich im deutschsprachigen Raum. Für Details siehe Zootierliste. Für die Mhorrgazelle gibt es ein Europäisches Erhaltungszuchtprogramm (seit 1989 EEP, seit 2023 New Style-EEP), das von der Estación experimental de Zonas Áridas in Almería koordiniert wird. Diese führt auch das seit 1990 bestehende Internationale Zuchtbuch. Die EEP-Population der Mhorrgazelle wird für 2019 mit 389 Individuen in 29 Haltungen angegeben [12]. Das amerikanische Programm für die Rothalsgazelle umfasste 2013 134 Individuen in 22 Einrichtungen [2]. Forschung im Zoo: Damagazellen sind gelegentlich Gegenstand von Forschungsarbeiten. So wurde z.B. die Möglichkeit der Zyklus- und Graviditätsdiagnostik durch Bestimmung der Gestagene im Kot von Rothals- und Mhorrgazellen abgeklärt [8]. Mindestanforderungen an Gehege: Nach Säugetiergutachten 2014 des BMEL soll für bis zu 5 Tieren ein Gehege von mindestens 200 m² zur Verfügung stehen. Für jedes weitere Tier kommen 20 m² zur Basisfläche dazu. Zudem wird ein Stall von etwa 3 m²/Tier vorgegeben. Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2024) schreibt für bis zu 10 Tieren ein Gehege mit Trenn- oder Absperrmöglichkeit vor, dessen Grundfläche 500 m² misst. Für jedes weitere Tier kommen 40 m² zur Basisfläche dazu. Ferner ist ein Stall mit einer Fläche von 4 m²/Tier erforderlich. Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2024) ist für 1-5 Tiere ein Außengehege von 500 m² erforderlich, für jedes weitere 50 m² mehr. Zudem ist ein beheizter Stall mit einem Mindestausmaß von 4 m² pro Tier mit einer Mindesttemperatur von 10°C vorgeschrieben. Die Haltung hat in Gruppen mit einem erwachsenen Männchen, mehreren Weibchen und deren Nachwuchs zu erfolgen. Taxonomie und NomenklaturDie Damagazelle wurde 1776 vom Berliner Naturforscher Peter Simon PALLAS, den Katharina die Große als Professor nach Petersburg berufen hatte als "Antilope dama" erstmals wissenschaftlich beschrieben. Der französische Zoologe Henri Marie Ducrotay de BLAINVILLE stellte 1816 die Gattung Gazella auf, in der auch dama plaziert wurde. 1833 beschrieb der englische Arzt und Zoologe Edward Turner BENNETT die später als Unterart von dama angesehene Mhorrgazelle als "Antilope mhorr". Diese diente dem französischen Zoologen Fernand LATASTE aus Cadillac in der Gironde als Typusart für die Beschreibung der neuen Gattung Nanger, die in der Folge aber nur als Untergattung angesehen und erst im Jahr 2000 wieder als Gattung hergestellt wurde. Es wurden mehrere Unterarten beschrieben, von denen im Allgemeinen 3 anerkannt werden [3]:
Molekulargenetisch lassen sich die drei Formen aber nicht sicher unterscheiden. Möglicherweise handelt es sich eher um eine Kline als um Unterarten [6; 7; 12]. |
Literatur und Internetquellen
- BEUDELS, R.C. et al. (2005)
- BRO-JØRGENSEN, J. & MALLON, D. P. (eds. 2016)
- CANO PEREZ, M. (1984)
- CITES TRADE DATA BASE
- GRIMMBERGER & RUDLOFF (2009)
- GROVES, C.P. & GRUBB, P. (2011)
- IUCN SSC Antelope Specialist Group (2016). Nanger dama. The IUCN Red List of Threatened Species 2016: e.T8968A50186128. http://www.iucnredlist.org/details/8968/0. Downloaded on 14 June 2018.
- KALLERT, G. (2004)
- PUSCHMANN, W., ZSCHEILE, D., & ZSCHEILE, K. (2009)
- WEIGL, R. (2005)
- WIESNER, H. (1984)
- WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
- EAZA AGTAG Aridland Sub-group (2019) Species status reports. Antelope & Giraffe TAG meeting Valencia.
- EAST, R. (1988-1990)
- MALLON, D.P. & KINGSWOOD, S. C. (2001)