Rotkehl-Nachtaffe

Südlicher Rotkehl-Nachtaffe (Aotus azarae boliviensis) im Zoo Berlin
© Zoo Berlin

Überordnung: EUARCHONTOGLIRES
Ordnung: Affen und Halbaffen (PRIMATES)
Unterordnung: Affen (Simiae / Haplorrhini)
Teilordnung: Eigentliche Affen (Simiiformes)
Überfamilie: Neuwelt- oder Breitnasenaffen (Platyrrhini)
Familie: Kapuzineraffen (Cebidae)
Unterfamilie: Nachtaffen (Aotinae)

D LC 650

EEPRotkehl- oder Bolivianischer Nachtaffe

Aotus azarae • The Azara’s Night (or Owl) Monkey • Le douroucouli d'Azara

106 006 001 001a aotus azarae boliviensis FRA KR1Rotkehl-Nachtaffe (Aotus azarae boliviensis) im Zoo Frankfurt © Klaus Rudloff, Berlin

 

106 006 001 001a aotus mapApproximative Verbreitung von Rotkehl-Nachtaffe (Aotus azarae - dunkelblau) und Graubein-Nachtaffe (Aotus lemurinus - rot)

 

106 006 001 001a aotus azarae zoo berlin CF2Bolivianischer Rotkehl--Nachtaffe (Aotus azarae boliviensis) im Zoo Berlin © Carlos Frey, Berlin

 

106 006 001 001a aotus azarae pilsen wDreier1Bolivianische Rotkehl--Nachtaffen (Aotus azarae boliviensis) im Zoologisch-Botanischen Garten Pilsen © Wolfgang Dreier, Berlin

 

106 006 001 001a aotus azarae boliviensis TPB KR1Bolivianische Rotkehl--Nachtaffen (Aotus azarae boliviensis) im Tierpark Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

 

106 006 001 001a aotus azarae pilsen wDreier2Bolivianische Rotkehl--Nachtaffen (Aotus azarae boliviensis) im Zoologisch-Botanischen Garten Pilsen © Wolfgang Dreier, Berlin

 

106 006 001 001a aotus azarae boliviensis TPB KR2Bolivianische Rotkehl--Nachtaffen (Aotus azarae boliviensis) im Tierpark Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

 

106 006 001 001a aotus azarae zoo berlin CFBolivianische Rotkehl--Nachtaffen (Aotus azarae boliviensis) im Zoo Berlin © Carlos Frey, Berlin

 

106 006 001 001a aotus azarae boliv olomouc olomoucJunger Bolivianischer Rotkehl--Nachtaffe (Aotus azarae boliviensis) im Zoo Olmütz © Zoologická zahrada Olomouc

 

106 006 001 001a aotus azarae boliviensis pilsen eNeideckBolivianischer Rotkehl--Nachtaffe (Aotus azarae boliviensis) im Zoologisch-Botanischen Garten Pilsen © Elias Neideck

 

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Der nicht gefährdete Rotkehlnachtaffe kann nur in einem Nachttierhaus vernünftig präsentiert werden, was die Zahl der Einrichtungen, die ihn halten, stark einschränkt. Er ist deshalb nur in wenigen Zoos zu sehen und auf das Führen eines Zuchtbuchs wird mittlerweile verzichtet.

Körperbau und Körperfunktionen

Nachtaffen sind kleine Neuweltaffen. Innerhalb der Gattung werden die Rotkehlnachtaffen am größten. Sie haben eine Kopf-Rumpflänge von 33-34 cm und eine Schwanzlänge von etwa 32cm. Das Gewicht beträgt ungefähr 990-1'580 g. Der Chromosomensatz umfasst 49 Paare bei den Männchen und 50 Paare bei den Weibchen.

Die Augen sind groß, die Ohren klein und im Fell verborgen. Der Daumen ist nur ansatzweise opponierbar. Die Hinterbeine sind verlängert, was das Springen von Ast zu Ast erleichtert. An der vierten Zehe befindet sich ein krallenähnlich geformter Nagel. Der lange, buschige Schwanz ist nicht greiffähig.

Das Fell ist weich und dicht. Halsseiten, Halsunterseite, Bauch und Innenseiten der Gliedmaßen sind kräftig orangerot gefärbt. Der Rücken ist graubraun. Die Schwanzfärbung variiert je nach Unterart. Das Gesicht ist auffällig schwarz und weiß gezeichnet [5; 7].

Verbreitung

Tropisches Südamerika: Argentinien, Bolivien, Brasilien, Paraguay, Peru [2].

Lebensraum und Lebensweise

Der Rotkehl-Nachtaffe besiedelt zeitweilig überflutete oder auf der terra firma stehende primäre Regenwälder und Sekundärwälder des Tieflands, Galeriewälder, teilweise laubabwerfende Trockenwälder, Buschsavannen sowie submontane and montane Nebelwälder bis auf eine Höhe von 3'200 m.

Die Tiere sind dämmerungs- und nachaktive Fruchtfresser, die aber auch Nektar, Blüten, Blätter, Pilze und Insekten zu sich nehmen. Sie bilden kleine Gruppen, bestehend aus einem monogamen Paar und 1-4 Nachkommen unterschiedlichen Alters. Die Gruppen nutzen Streifgebiete von 5-18 ha, die sich mit denen von Nachbargruppen überlappen [2; 7].

Die Fortpflanzung ist saisonal. Nach einer Tragzeit von 120-130 Tagen wird jeweils ein einzelne Junges geboren, in Argentinien im November-Dezember, in Paraguay im Januar-Februar. Die Jungtiere verklammern sich anfangs fest am weichen Bauchfell der Mutter und sind so kaum auszumachen. Doch schon nach wenigen Tagen übernimmt der Vater die Hauptverantwortung für das Kleine, um es zu tragen und nur noch zum Säugen der Mutter zu übergeben. Durch die gemeinsame Fürsorge minimieren die Elterntiere die Säuglingssterblichkeit [7; PM Zoo Berlin].

Gefährdung und Schutz

Obwohl in vielen Teilen seines Verbreitungsgebiets die Wälder gerodet werden (vor allem in Brasilien), wird der Rotkehl-Nachtaffe aufgrund einer Beurteilung aus dem Jahr 2015 nicht als gefährdet eingestuft, da er immer noch recht häufig ist. Die Bestände nehmen allerdings ab und die landwirtschaftliche Entwicklung (Anbau von Soja und anderen Produkten) könnte zu einem größeren Problem für diese Art werden (Rote Liste: LEAST CONCERN). Die Unterart infulatus wird als potenziell gefährdet angesehen [2].

Der internationale Handel ist nach CITES-Anhang II geregelt.

Bedeutung für den Menschen

Nachtaffen werden häufig für den lokalen Markt als Heimtiere gefangen [2]. Von 1977 bis 2017 wurde aus den Ursprungsländern nur die Ausfuhr von Wissenschaftsmaterial registriert. Im selben Zeitraum wurden weltweit 33 Nachzuchttiere grenzüberschreitend abgegeben. Ausfuhrländer waren die Niederlande, Deutschland und Lettland [1].

Haltung

Als ältestes bekanntes Tier gibt WEIGL ein im Zoo Frankfurt geborenes Männchen an, das im Alter von 21 Jahren und 2 Monate im Zoo Riga noch am Leben war [6].

In manchen Zoos (z.B. Braunschweig, Frankfurt, Gettorf) wurden Rotkehl-Nachtaffen mit anderen Primaten (Callithrix jacchus, C. penicillata) und weiteren Tieren (Iguana iguana) vergesellschaftet [8].

Haltung in europäischen Zoos: Die Art wird in rund 20 Zoos gehalten, von denen sich über ein Drittel im deutschsprachigen Raum befinden. Alle gehaltenen Tiere gehören der Unterart boliviensis an Seit 2007 pendelt der Gesamtbestand um die 35 Individuen [3]. Für Details siehe Zootierliste.

Das Europäische Zuchtbuch (ESB) erfasste die lebende Population ab 2007 [3]. Es wurde 2017 aufgegeben, mit der Empfehlung, die Art nicht weiter zu halten, sondern sich stattdessen auf den Graubein-Nachtaffen zu konzentrieren. Zu diesem Zeitpunkt umfasste das Zuchtbuch noch 35 Tiere in 9 Zoos [9].

Mindestanforderungen an Gehege: Im Säugetiergutachten 2014 des BMEL wird für die Haltung eines Paars oder einer Familiengruppe mit bis zu 5 erwachsenen Tieren ein Innengehege von 15 m² / 45 m³ gefordert und für jedes zusätzliche erwachsene Tier 2 m² / 6 m³ mehr. Dies ist beinahe eine Vervierfachung des Raumangebots gegenüber dem Gutachten’96, das 6 m² / 12 m³ vorsah. Die neue Anforderung ist aber weder durch konkrete wissenschaftliche Daten noch durch Tierhaltererfahrung erhärtet.

Die Vorgabe, des Säugetiergutachtens 2014 des BMEL, dass bei der Haltung in Nachttierhäusern in der Nachtphase die Beleuchtungsstärke unter  0,3 Lux ist nicht praktikabel und mit dem Betrieb einer öffentlich zugänglichen Anlage nicht zu vereinbaren (Sichtbarkeit der Tiere, Diebstahl, sexuelle Übergriffe). Tierhalterische erfahrung zeigt, dass bei  Beleuchtungsspitzen bis 4-6 Lux in den Gehegen keine negativen Auswirkungen beobachtet werden können [4].

Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2024) schreibt für 5 Tiere ein Innengehege mit einer Grundfläche von 6 m² bei 2 m Höhe und für jedes weitere Tier jeweils 1 m² Fläche zusätzlich vor.

Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2024) muss die Haltung paarweise oder in kleinen Familiengruppen erfolgen und es ist ein Innengehege mit einer Grundfläche von 20 m² bei 3 m Höhe erforderlich.

Taxonomie und Nomenklatur

Der Südliche und der Nördliche Nachtaffe wurden 1811/12 von Alexander von HUMBOLDT als "Simia azarae" bzw. "Simia trivirgata" erstmals beschrieben. Der heute gültige Gattungsname Aotus wurde 1811 von dem aus Braunschweig stammenden Zoologen Johann Karl Wilhelm ILLIGER verliehen. Da sich die verschiedenen Nachtaffen äußerlich nicht eindeutig bestimmen lassen, wurden sie zu einer einzigen Art (Aotus trivirgatus) zusammengelegt, später aber aufgrund unterschiedlicher Chromosomenzahlen wieder getrennt. Heute werden sie als ein Komplex von 8 bis 12 Arten angesehen, der bisweilen als eigene Familie (Aotidae), bisweilen als Unterfamilie der Neuweltaffen (Cebidae) betrachtet und von anderen Autoren in die Unterfamilie Cebinae gestellt wird. Drei Arten sind gefährdet. Von Aotus azarae werden gegenwärtig drei Unterarten anerkannt [2; 5; 7].

Literatur und Internetquellen

  1. CITES TRADE DATA BASE
  2. FERNANDEZ-DUQUE, E. et al. (2008). Aotus azarae. The IUCN Red List of Threatened Species 2008: e.T41539A10494975. http://www.iucnredlist.org/details/41539/0. Downloaded on 18 May 2018.
  3. PARKES, S. (2011)
  4. SCHERPNER, C. (1982)
  5. SCHRÖPEL, M. (2010)
  6. WEIGL, R. (2005)
  7. WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
  8. WILSON, D. E. & REEDER, D. M. (2005)
  9. ZIEGLER, T. (2002)
  10. RÜEGG, P. (2018) MON-P annual report 2018 - Red-legged douroucouli. Stiftung Papiliorama.