Brauner Wollaffe (Lagothrix lagotricha) im Zoo Dresden
© Elias Neideck, Hannover
Überordnung: EUARCHONTOGLIRES
Ordnung: Affen und Halbaffen (PRIMATES)
Unterordnung: Affen (Simiae / Haplorrhini)
Teilordnung: Eigentliche Affen (Simiiformes)
Überfamilie: Neuwelt- oder Breitnasenaffen (Platyrrhini)
Familie: Klammerschwanzaffen (Atelidae)
Unterfamilie: Klammer- und Wollaffen (Atelinae)
Brauner Wollaffe
Lagothrix lagotricha • The Common Woolly Monkey • Le singe laineux commun
- Körperbau und Körperfunktionen
- Verbreitung
- Lebensraum und Lebensweise
- Gefährdung und Schutz
- Bedeutung für den Menschen
- Haltung
- Taxonomie und Nomenklatur
- Literatur und Internetquellen
Weitere Bilder auf BioLib |
Gehaltene Wollaffen können zwar im Einzelfall hohe Lebensalter erreichen. Es treten aber immer wieder gesundheitliche Probleme auf und die Zucht ist problematisch, was damit zusammenhängen mag, dass, in der Regel unabsichtlich, verschiedene Arten zusammengehalten wurden. Die heutige europäische Zoopopulation besteht überweigend aus Art- bzw. Unterartehybriden. Zudem besteht ein starker Männerüberschuss und der Gesamtbestand hat abgenommen, weshalb das Europäische Erhaltungszuchtprogramm aufgegeben wurde. Körperbau und KörperfunktionenBraune Wollaffen sind große, stämmige Neuweltaffen mit kräftigen Gliedmaßen und langem Greifschwanz. Maße und Gewichte der Männchen und der Weibchen überlappen sich weitgehend, es werden Kopf-Rumpf-Längen von 46-65 cm, Schwanzlängen von 53-77 cm und mittlere Gewichte von 5-7 kg angegeben, wobei dominante Männer massiv an Gewicht zulegen und 10 kg erreichen können. Das unbehaarte Gesicht ist dunkel pigmentiert, der Kopf ist rundlich und die Ohren sind klein. Das wollige Fell ist in verschiedenen Brauntönen gefärbt. Die Klitoris der Weibchen ist penisartig verlängert, allerdings nicht so auffällig wie bei den Klammeraffen [8; 11]. VerbreitungTropisches Südamerika: Bolivien, Brasilien, Ekuador, Kolumbien, Peru, ev. Venezuela [2; 5; 6; 7; 9]. Lebensraum und LebensweiseDer Braune Wollaffe besiedelt primäre und sekundäre, zeitweilig überschwemmte oder auf der terra firma stehende Tieflandregenwälder sowie Galeriewälder und Gebirgswälder bis auf eine Höhe von 3'000 m. Die Tiere sind tagaktive Baumbewohner, die sich meist in der oberen und mittlerem Kronenschicht des Waldes aufhalten. Sie bilden gemischtgeschlechtliche Gruppen von 20-30 Tieren, die von mehreren geschlechtsreifen männlichen Tieren angeführt werden und sich zur Nahrungssuche häufig aufteilen. Die Nahrung besteht überwiegend aus reifen Früchten, daneben fressen sie junge Blätter, Baumexsudate, Samen, Palmnüsse, gelegentlich auch Insekten. Zur Deckung ihres Nahrungsbedarfs benötigen die Gruppen sehr große Streifgebiete von etwa 170-800 ha [5; 8; 11]. Wollaffen vermehren sich langsam. Die Weibchen werden mit 6 Jahren geschlechtsreif, gebären zum ersten Mal aber meist erst mit 9 Jahren. Die Tragzeit beträgt 223-225 Tage. In der Regel wird ein einzelnes Junges geboren, selten Zwillinge. Die Jungen werden etwa ein Jahr lang gesäugt. Die Geburtsintervalle betragen rund 3 Jahre [11]. Gefährdung und SchutzDer Braune Wollaffe ist zwar relativ häufig aber er kommt meist nur in geringer Dichte vor. Da er bejagt und sein Lebensraum zunehmend in Agrarflächen umgewandelt wird, wird dem Bestand ein Rückgang von 30% in den nächsten drei Generationen (45 Jahre) vorausgesagt. Die Art wurde deshalb aufgrund einer Beurteilung aus dem Jahr 2008 als gefährdet eingestuft (Rote Liste: VULNERABLE). Dies wurde für die Nominatform 2021 bestätigt. Die Unterarten cana und poeppigii werden als stark gefährdet (ENDANGERED) beurteilt, weil angenommen wird, dass ihr Bestand von 2018 bis 2063 um mehr als 50% abnehmen wird, die Unterart lugens als vom Aussterben bedroht (CRITICALLY ENDANGERED), weil von einer Bestandsabnahme um 80% ausgegegangen wird. Die Unterart tschudii konnte aufgrund ungenügender Datenlage nicht beurteilt werden [2; 5; 6; 7]. Der internationale Handel ist nach CITES-Anhang II geregelt. Bedeutung für den MenschenWollaffen werden zur Gewinnung von Fleisch bejagt [2; 5; 6] und wohl auch für die lokale Heimtierhaltung gefangen. Früher wurden sie sogar in europäischen Zoohandlungen gelegentlich als Heimtiere angeboten. Von 1977 bis 2017 wurden bei der Ausfuhr nebst etwas Teilen und Erzeugnissen 52 lebende Wildfänge mehrheitlich aus Kolumbien registriert. Im selben Zeitraum wurden 64 Nachzuchttiere grenzüberschreitend abgegeben, Hauptexportländer waren die Schweiz und Großbritannien [1]. HaltungWEIGL gibt als ältestes Tier einen in amerikanischen Zoos gehaltenen Wildfang an, der nach einer Haltung von über 24 Jahren im Alter von etwa 31 Jahren gestorben war [10]. Wollaffen lassen sich mit anderen Primaten vergesellschaften. Seit 1998 teilen sich im Zoo Basel Wollaffen und Totenkopfäffchen (Saimiri boliviensis) gemeinsam ihren Lebensraum und immer wieder ergeben sich zwischen den Arten Freundschaften, manchmal reiten Saimiris gar auf den Wollaffen mit. Das Zusammenleben im Zoo besteht nicht nur darin, dass die Tiere ihre arteigenen Bedürfnisse nebeneinander leben können, sondern bietet auch Verhaltensanreicherungen für die Tiere und eröffnet neue Beobachtungswelten für die Besucher. Die beiden Arten haben im Zoo Basel die Wahl, ob sie ihren Lebensraum mit der anderen teilen, oder ob sie sich in nur für sie zugänglichen Aussen- und Innenanlagen aufhalten wollen [PM Zoo Basel 2008]. Haltung in europäischen Zoos: Die Art wird in weniger als 10 Zoos gehalten, von denen sich einzelne im deutschsprachigen Raum befinden. Für Details siehe Zootierliste. Das Europäische Erhaltungszuchtprogramm (EEP) wurde 2018 aufgegeben. Es umfasste damals 30 Tiere in 8 Institutionen. Forschung im Zoo (Beispiel): Am Zoo Basel wurde eine Arbei zur Verhaltensdifferenzierung und sozialen Position in einer Wollaffengruppe durchgeführt [3]. Mindestanforderungen an Gehege: Im Säugetiergutachten 2014 des BMEL wird für die Haltung von bis zu 5 erwachsenen Tieren ein Außen- und ein Innengehege von je 30 m² / 105 m³ gefordert und für jedes zusätzliche Adulttier jeweils 3 m² / 10.5 m³ mehr. Dies ist eine Erhöhung des Raumangebots um mehr als das Doppelte gegenüber dem Gutachten’96, das 16 m² / 48 m³ vorsah. Die Tierschutzsachverständigen der Zoos hielten eine Erhöhung des Platzangebots ebenfalls für angebracht schlugen aber im Differenzprotokoll vor, dass für 5 Tiere außen 30 m² / 120 m³ und innen 25 m² / 75 m³ angeboten werden sollten. Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2024) schreibt für 5 Wollaffen ein Außen- und ein Innengehege mit einer Grundfläche von je 15 m² bei 3 m Höhe und für jedes weitere Tier jeweils 3 m² Fläche zusätzlich vor. Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2024) muss die Haltung paarweise oder in kleinen Familiengruppen erfolgen und es sind für 5 Adulttiere ein Außen- und ein Innengehege mit einer Grundfläche von je 30 m² bei 3 m Höhe erforderlich. Für jedes weitere Adulttier sind die Flächen um 3 m² zu erweitern. Taxonomie und NomenklaturDer Braune Wollaffe wurde 1812 von Alexander von HUMBOLDT unter dem Namen "Simia lagotricha" erstmals beschrieben. Im selben Jahr stellte ihn Étienne GEOFFROY SAINT-HILAIRE, der Begründer des ersten bürgerlichen Zoos, der Ménagerie im Jardin des Plantes von Paris, als Typusart in die neue Gattung Lagothrix. Hinsichtlich des Artnamens begegnet man sowohl der Schreibweise lagotricha als auch lagothricha. 2001 wurden die zuvor als Unterarten angesehene Formen zu Arten aufgewertet. Daran werden heute insofern Zweifel laut, als manche Autoren lagotricha und lugens, zwischen denen es in Zoos häufig Hybriden gab, als Unterarten einer einzigen Art ansehen. poeppigii und cana werden in der Ausgabe der Roten Liste der IUCN von 2021 wieder als Unterarten gewertet. Bei tschudii ist fraglich, ob es sich überhaupt um eine Unterart handelt. Nebst dem Braunen gibt es noch den Gelbschwanz-Wollaffen, der in eine eigene Gattung (Oreonax) gestellt wird [2; 4; 5; 6; 9;11]. |
Literatur und Internetquellen
- CITES TRADE DATA BASE
- CORNEJO, F.M. et al. (2021). Lagothrix lagothricha cana (amended version of 2020 assessment). The IUCN Red List of Threatened Species 2021: e.T39962A192308612. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2021-1.RLTS.T39962A192308612.en. Downloaded on 26 April 2021.
- FREY, J. (1982)
- HONACKI, J.H., KINMAN, K.E. & KOEPPL, J.W. (1982)
- SHANEE, S. et al. (2021). Lagothrix lagothricha poeppigii (amended version of 2020 assessment). The IUCN Red List of Threatened Species 2021: e.T39927A192308336. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2021-1.RLTS.T39927A192308336.en. Downloaded on 26 April 2021.
- STEVENSON, P.R. et al. (2021). Lagothrix lagothricha lagothricha. The IUCN Red List of Threatened Species 2021: e.T11175A179072201. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2021-1.RLTS.T11175A179072201.en. Downloaded on 26 April 2021.
- STEVENSON, P.R. et al. (2021). Lagothrix lagothricha lugens (amended version of 2020 assessment). The IUCN Red List of Threatened Species 2021: e.T39926A192308084. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2021-1.RLTS.T39926A192308084.en. Downloaded on 26 April 2021.
- SCHRÖPEL, M. (2010)
- VERMEER, J., WALLACE, R. & SHANEE, S. (2021). Lagothrix lagothricha ssp. tschudii (amended version of 2020 assessment). The IUCN Red List of Threatened Species 2021: e.T39963A192308920. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2021-1.RLTS.T39963A192308920.en . Downloaded on 26 April 2021.
- WEIGL, R. (2005)
- WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019) und Pressemitteilungen Zoo Basel
Weiter zu Meerkatzenartige (Cercopithecidae)