Zweifarbtamarin (Saguinus bicolor) mit Jungtier im Zoo Magedeburg
© Zoo Magdeburg (Pressefoto)
Überordnung: EUARCHONTOGLIRES
Ordnung: Affen und Halbaffen (PRIMATES)
Unterordnung: Affen (Simiae / Haplorrhini)
Teilordnung: Eigentliche Affen (Simiiformes)
Überfamilie: Neuwelt- oder Breitnasenaffen (Platyrrhini)
Familie: Krallenaffen (Callitrichidae)
Zweifarbtamarin, Manteläffchen
Saguinus bicolor • The Pied, or Brazilian Bar-faced, Tamarin • Le tamarin bicolore
- Körperbau und Körperfunktionen
- Verbreitung
- Lebensraum und Lebensweise
- Gefährdung und Schutz
- Bedeutung für den Menschen
- Haltung
- Taxonomie und Nomenklatur
- Literatur und Internetquellen
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Der in seiner Heimat stark gefährdete Zweifarbtamarin wird trotz internationalem Zuchtbuch und regionalem Zuchtprogramm in europäischen Zoos nicht sehr häufig gehalten. Grund dafür könnte Konkurrenz durch das sehr ähnliche, aber noch stärker vom Aussterben bedrohte und mit seinem Wuschelkopf attraktivere Lisztäffchen sein. Körperbau und KörperfunktionenZweifarbtamarine haben eine Kopf-Rumpflänge von etwa 23-24(-33 ?) cm und ein Schwanzlänge von rund 34-42 cm. Sie bringen etwa 450-550(-600) g auf die Waage. Sie haben auffallende Ohren (wie Mister Spock vom Raumschiff Enterprise) und eine sehr hohe Stirnglatze auf dem dunkelhäutigen Kopf. Zum markanten Aussehen dieser Art gehört außerdem eine braune Färbung des Rückenfelles, das sich wie ein umgehängter Mantel gegen das sonst weiße Haarkleid abzeichnet [5; 7]. VerbreitungTropisches Südamerika: Brasilien (Amazonien) in der Nähe von Manaus [3]. Lebensraum und LebensweiseZweifarbtamarine besiedeln Primär- und Sekundärwälder des Amazonas-Tieflands unterhalb von einer Höhe von 150 m. ü. M. einschließlich Waldfragmente in Vororten von Manaus. Sie sind tagaktiv, beginnen den Tag etwa um 6 Uhr und ziehen sich gegen 17 Uhr in dichtes Geäst oder Lianen zurück, wo sie die Nacht verbringen. Sie ernähren sich zum allergrößten Teil von Früchten und Samen, ergänzt durch etwas Baumexsudate, Nektar, Insekten und Spinnen. In kultiviertem Land gehören Mangos, Papayas, Bananen etc. zu Verpflegung. Sie leben typischerweise in Gruppen bis zu 12 Tieren, darunter meist nur ein adultes Weibchen und 1-2 zuchtfähige Männchen. Gelegentlich werden aber auch größere Ansammlungen angetroffen. In ihrem natürlichen Lebensraum benötigt eine Gruppe Zweifarbtamarine ein Streifgebiet ab etwa 10 ha, um ihren Nahrungsbedarf zu decken. Wo die Bestandsdichte gering ist, können die Streifgebiete bis zu 100 ha umfassen. In ihrem Ursprungsgebiet bringt das Zuchtweibchen der Gruppe nach einer Tragzeit von etwa 160 Tagen ein- bis zweimal pro Jahr in der Regel 2 Junge mit einem Geburtsgewicht von etwa 40 g zur Welt Die Geburten fallen auf März-April und Dezember [4; 6]. Gefährdung und SchutzÜber drei Generationen (18 Jahre) hat der Bestand um wenigstens 50 % abgenommen. Ursachen sind Lebensraumzerstörung und Konkurrenz durch Rothandtamarine. Das Manteläffchen galt daher seit 1990, letztmals überprüft als stark bedrohte Tierart. Ab 2019 wurde eine Bestandsabnahme um 80% während der kommenden 18 Jahre angenommen, was bedeutet, dass die Art nun als vom Aussterben bedroht gilt (Rote Liste: CRITICALLY ENDANGERED) [3]. Der internationale Handel ist durch CITES-Anhang I eingeschränkt. Bedeutung für den MenschenZweifarbtamarine werden vermutlich nicht gejagt, jedoch gelegentlich für den lokalen Heimtierhandel gefangen [4]. Von 1977-2017 bewilligte Brasilien einzig im Jahr 1996 sechs lebende Wildfänge zur Ausfuhr. Im selben Zeitraum wurden weltweit 107 Nachzuchttiere international abgegeben, wichtigste Ausfuhrländer waren Jersey und Brasilien [2]. HaltungDer heutige ex situ-Bestand geht auf zwei in den 1980er-Jahren am Centro de Primatologia do Rio de Janeiro (CPRJ) und der Universitat Bielefeld gegründete Kolonien zurück. 1996, konnte das CPRJ weitere Wildfänge beschaffen um die Zuchtbasis zu verbreitern. Davon wurden einige Tiere an europäische Zoos abgegeben. Seit 1997 gehören alle weltweit in Menschenobhut gepflegten Zweifarbtamarine ihrem ursprünglichen Heimatland Brasilien, auch wenn sie schon seit Generationen in Zoos geboren wurden. Über ein internationales Komitee und die brasilianische Naturschutzbehörde werden Tiere von den Zoos an andere, die sich in der Pflege von Krallenaffen verdient gemacht haben, leihweise weitergegeben [7]. Der nach WEIGL älteste bekannte Zweifarbtamarin war ein Wildfang, der nach einer Haltung von 17 Jahren im Alter von ungefähr 19 Jahren starb. Das älteste Nachzuchttier wurde 18 Jahre und 5 Monate alt [5]. Nach den "Best practice"-Leitlinien der EAZA soll Tamarinen tagsüber ein Gesamtvolumen (innen / außen) von 32.5 m³ (3+10 m² / 2.5 m hoch) zur Verfügung stehen, wobei das Gehege unterteilbar sein soll [1]. Seit 1995 gibt es ein Internationales Zuchtbuch (ISB), das am Philadelphia Zoo geführt wird. Dieses umfasste im Dezember 2012 insgesamt 178 lebende Individuen in 41 Einrichtungen [IZY 52]. Haltung in europäischen Zoos: Die Art wird in rund 30 Zoos mit über 150 Tieren gehalten, von denen sich ein paar wenige im deutschsprachigen Raum befinden [9]. Für Details siehe Zootierliste. Es gibt ein Europäisches Erhaltungszuchtprogramm ("New Style"-EEP), das am Zoo von Jersey koordiniert wird. Wie Zweifarbtamarine gehalten werden (Beispiel):
Mindestanforderungen an Gehege: Das Säugetiergutachten 2014 des BMEL fordert für alle Tamarine ein Innen und ein Außengehege von je 10 m² Grundfläche und 2.5 m Höhe für jeweils ein Paar mit bis zu zwei Nachzuchten. Für jedes weitere Tier ist die Grundfläche um 1,5 m² zu erweitern. Diese Anforderungen sind weder durch konkrete wissenschaftliche Daten noch durch Tierhaltererfahrung erhärtet. Dagegen wird die Position der Tierschutzsachverständigen der Zoos, wonach die Raummaße des Gutachens '96 von 5 m²/10 m³ beibehalten werden sollten durch die auf den Erfahrungen des Jersey Wildlife Trust beruhenden „Best practice“-Leitlinien der EAZA gestützt. In Jersey bestanden die Innenquartiere der Tamarine ursprünglich aus zwei einander gegenüberliegenden Reihen, mit sehr kleinen Käfigeinheiten. Dies hatte zu Problemen geführt, einerseits weil sich Tiere bei Streitereien innerhalb der Gruppe nicht ausweichen konnten, andererseits weil sich die einzelnen Gruppen gegenseitig störten. Nach einem Umbau haben die Tiere nun kein Gegenüber mehr die Gehegedimensionen wurden auf 3.45 m² / 7.74 m³ erhöht und es wurden Rückzugsmöglichkeiten geschaffen. Dies erlaubte im Extremfall die Haltung von bis zu 11 Tiere in einer Gruppe [1]. Einzeltiere oder Kleingruppen bis 3 Individuen können in kleineren Einheiten von rund 1-1.5 m² und Volumina bis etwa 3 m³ abgetrennt werden. Unter der Prämisse, dass das Gebäude nicht für störende Besucher zugänglich ist, wird die Haltung als befriedigend angesehen. Die Tiere verfügen über Außengehege, unterschiedlicher Größe, welche die Mindestanforderungen deutlich übertreffen [1]. Das Säugetiergutachten empfiehlt ferner die Gemeinschaftshaltung verschiedener Krallenaffenarten. Hierbei ist im Fall der Zweifarbtamarine Vorsicht angebracht. In Jersey konnten einzelne Zweifarbtamarine oder jeweils zwei Tiere des gleichen Geschlechts erfolgreich mit Löwenäffchen, Silberäffchen und Springtamarinen vergesellschaftet werden. Mit Zuchtgruppen (die während der Jungenaufzucht sehr aggressiv sein können) bestehen dagegen keine Erfahrungen [7]. Bei ZIEGLER [8] werden keine Vergesellschaftungen mitgeteilt. Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2024) schreibt für bis zu 5 Tieren ein Innengehege mit einer Fläche von 3 m² und 2 m Höhe vor. Für jedes weitere Adulttier ist die Fläche um 0.5 m² zu ergänzen. Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2024) muss die Haltung paarweise oder in kleinen Familiengruppen erfolgen. Dazu ist ein Innengehege mit einer Fläche von 10 m² und einer Höhe von 2.5 m erforderlich. Taxonomie und NomenklaturDer Zweifarbtamarin wurde 1822 von dem Naturwissenschaftler Johann Baptist Ritter von SPIX, der im Auftrag des Königs von Bayern Brasilien bereits hatte, als "Midas bicolor" beschrieben. Später wurde er in die vom deutschen Naturforscher Johann Centurius HOFFMANNSEGG 1807 aufgestellte Gattung Saguinus überführt. Traditionell wurden nebst der Nominatform zwei Unterarten anerkannt. Eine davon, Saguinus martinsi gilt heute als eigene Art. Bei der anderen (ochraceus) geht man davon aus, dass es sich entweder um eine Unterart von martinsi oder um eine natürlicherweise vorkommende Hybridform zwischen bicolor und martinsi handelt, was es zwischen guten Arten im Prinzip nicht geben dürfte ... [3; 6]. |
Literatur und Internetquellen
- CARROLL, B. (ed., 2002) / BARRÃO RUIVO, E. (ed. 2010)
- CITES TRADE DATA BASE
- GORDO, M. et al. (2021). Saguinus bicolor (amended version of 2019 assessment). The IUCN Red List of Threatened Species 2021: e.T40644A192551696. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2021-1.RLTS.T40644A192551696.en. Downloaded on 14 April 2021.
- SCHRÖPEL, M. (2010)
- WEIGL, R. (2005)
- WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
- WORMELL, D. (2000)
- ZIEGLER, T. (2002a)
- WORMELL, D. (2021). Long-term Management Plan for thePied Tamarin (Saguinus bicolor) - EAZA Ex situ Programme (EEP).