Wanderu (Macaca silenus) im Kölner Zoo
© WK, Kölner Zoo
Überordnung: EUARCHONTOGLIRES
Ordnung: Affen und Halbaffen (PRIMATES)
Unterordnung: Affen (Simiae / Haplorrhini)
Teilordnung: Eigentliche Affen (Simiiformes)
Überfamilie: Altwelt- oder Schmalnasenaffen (Catarrhini)
Familie: Meerkatzenverwandte (Cercopithecidae)
Unterfamilie: Backentaschenaffen (Cercopithecinae
Tribus Pavianartige (Papionini)
Wanderu, Bartaffe
Macaca silenus • The Lion-tailed Macaque • Le macaque ouandérou
- Körperbau und Körperfunktionen
- Verbreitung
- Lebensraum und Lebensweise
- Gefährdung und Schutz
- Bedeutung für den Menschen
- Haltung
- Taxonomie und Nomenklatur
- Literatur und Internetquellen
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Der stark gefährdete Wanderu oder Bartaffe ist mit seiner auffälligen Barttracht eine sehr attraktive Tierart, die sich sehr gut als Botschafter für den Natur- und Artenschutz in Indien einsetzen lässt. Trotzdem, und obwohl der Zoobestand durch ein Internationales Zuchtbuch und ein regionales Erhaltungszuchtprogramm gefördert wird, ist er in Europa nicht gerade sehr häufig zu sehen. Körperbau und KörperfunktionenDer deutsche Name "Bartaffe" leitet sich von dem das ganze Gesicht umrahmenden, farblich vom übrigen Fell abweichenden Bart ab. Die Art zeigt einen deutlichen Geschlechtsdimorphismus, indem erwachsene Weibchen um etwa ein Drittel kleiner sind als Männchen: Männchen erreichen eine Kopf-Rumpflänge von 51-61 cm, eine Schwanzlänge von 24-39 cm und ein Gewicht bis 10 kg, Weibchen eine Kopf-Rumpflänge von 42-46 cm, eine Schwanzlänge von 25-32 cm und ein Gewicht bis 6 kg. Der Schwanz trägt eine Endquaste, was Anlass für die englische Artbezeichnung "Lion-tailed Macaque" bot. Der Bart ist grau, die haarlose Gesichtshaut und das Fell sind schwarz [1; 8]. VerbreitungSüdasien: Endemisch in den Western Ghats Südwest-Indiens (Bundesstaaten Karnataka, Kerala und Tamil Nadu) [5]. Lebensraum und LebensweiseWanderus besiedeln vorzugsweise tropische Regenwälder, kommen aber auch in Monsunwäldern der Hügelzone und durch Holzeinschlag beeinträchtigten Wäldern vor. Ihre Höhenverbreitung reicht von 100 m - 1'800 m. Die Tiere sind tagaktiv und von allen Makakenarten am meisten ans Baumleben angepasst. Wo der ursprüngliche Lebensraum weitgehend zerstört wurde, weichen sie auf Baumpflanzungen aus, wo sie sich von Jackfrüchten, Guaven, Passionsfrüchten etc. ernähren. Sie bilden Gruppen von 10-20 (4-50) Tieren beiderlei Geschlechts, wobei auf ein erwachsenes Männchen etwa 2 Weibchen fallen. Die Nahrung besteht hauptsächlich aus Früchten. Hinzu kommen Sämereien, Beeren, Nüsse, Baumrinde, Nektar und Baumexsudate. Wirbellose und kleine Wirbeltiere machen etwa 1/4 bis 1/5 der Nahrung aus. Die sich überlappenden Streifgebiete der einzelnen Gruppen umfassen meist mehrere hundert Hektar [1; 5; 8]. Die Fortpflanzung der Bartaffen ist nicht saisonal. Nach einer Tragzeit von im Mittel 162-186 Tagen gebären die Weibchen in der Regel ein einzelnes, Junges, dessen Fellfarbe anfänglich braun und dessen Haut rosa gefärbt ist. Die Jungen werden mit 5.5-9 Monaten entwöhnt. Die Geburtsintervalle liegen bei etwa 20-30 Monaten. Weibchen sind mit 4 Jahren geschlechtsreif. Männchen kommen erst mit 8 Jahren zur Fortpflanzung [8]. Gefährdung und SchutzDer Gesamtbestand umfasst weniger als 2'500 erwachsene Individuen, und keine Teilpopulation zählt mehr als 250 Tiere. Der Wanderu gilt daher aufgrund einer Beurteilung aus dem Jahr 2008, überprüft und bestätigt 2020, als stark gefährdete Tierart (Rote Liste: ENDANGERED) [3]. Der internationale Handel ist nach CITES-Anhang I eingeschränkt. Zoogestützte Artenschutzprojekte (Beispiel):
Bedeutung für den MenschenWirtschaftliche Bedeutung: Gebietsweise werden Wanderus zur Fleischgewinnung für den Eigenbedarf oder für kommerzielle Zwecke bejagt [5]. Von 1977-2017 exportierte Indien lediglich 5 lebende Wildfänge. Im selben Zeitraum wurden weltweit Exporte von 341 Nachzuchttieren erfasst. Wichtigste Ausfuhrländer waren Kanada mit 114 und die USA mit 85 Tieren [3]. Kulturelle Bedeutung: In einigen Gegenden von Nordcelebes gelten die Schopfmakaken als heilig, weil sich die Menschen für deren Abkömmlinge halten [1; 4]. HaltungDas seit 1982 bestehende, aber vorübergehend stillgelegte Internationale Zuchtbuch wurde im Jahr 2000 reaktiviert und wird jetzt am Kölner Zoo geführt. Am 31. Dezember 2016 umfasste es 582 lebende Tiere in 110 Institutionen [IZY 52]. Wanderus wurden früher im Allwetterzoo Münster mit Orangutans und Zwergottern vergesellschaftet. Abgesehen davon, dass der Wanderumann einmal einen jungen Zwergotter tötete, war die Vergesellschaftung problemlos. Auch das zeitweilige Zusammenleben mit einem als Rasenmäher eingesetzten Hausesel im Zoo Rostock war unproblematisch [9], ebenso eine Gemeinschaftshaltung mit Binturongs [10]. WEIGL gibt als bekannte Höchstalter 34 Jahre an, erreicht von einem in amerikanischen Zoos gehaltenen Weibchen [7]. Forschung im Zoo: Wanderus sind gelegentlich Gegenstand von Forschungsarbeiten. So wurde z.B. an unter unterschiedlichen Bedingungen in sechs Institutionen gehaltenen Gruppen die sozialen Beziehungen und Verhaltensprofile untersucht, und das Auftreten von alveolärer Echinokokkose in einer Haltung gab Anlass zu einer Arbeit über diese auch bei anderen Primaten nicht selten vorkommenden Parasitose [2; 6]. Haltung in europäischen Zoos: Die Art wird in über 40 Zoos gehalten, von denen sich etwa 10 im deutschsprachigen Raum befinden. Für Details siehe Zootierliste. Es gibt seit 2000 ein Europäisches Erhaltungszuchtprogramm, das als "New Style"-EEP vom Kölner Zoo koordiniert wird. Wie Wanderus gehalten werden (Beispiel):
Mindestanforderungen an Gehege: Im Säugetiergutachten 2014 des BMEL wird für die Haltung von bis zu 5 erwachsenen Wanderus ein Außen-und ein Innengehege von je 33 m² bei 3 m Höhe gefordert und für jedes zusätzliche Adulttier 6 m² Fläche mehr. Dies ist eine Erhöhung des Raumangebots auf über das Doppelte gegenüber dem Gutachten’96, die wissenschaftlich nicht begründet ist. Die Tierschutzsachverständigen der Zoos hielten eine Erhöhung des Platzangebots ebenfalls für angebracht schlugen aber im Differenzprotokoll vor, dass für 5 Tiere ein Außengehege von 30 m² und ein Innengehege von 20 m² bei jeweils bei 3 m Höhe angeboten werden sollte. Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2024) schreibt für 5 Wanderus ein Außen- und ein Innengehege mit einer Grundfläche von je 15 m² bei 3 m Höhe und für jedes weitere Tier jeweils 3 m² Fläche zusätzlich vor. Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2024) muss die Haltung paarweise oder in kleinen Familiengruppen erfolgen und es ist für 5 Adulttiere ein Außengehege mit einer Grundfläche von 100 m² und ein Innengehege von 50 m² bei jeweils 3 m Höhe erforderlich. Für jedes weitere Adulttier ist die Fläche außen um 10, innen um 5 m² zu erweitern. Taxonomie und NomenklaturDer Wanderu wurde 1758 von Carl von LINNÉ als "Simia silenus" erstmals wissenschaftlich beschrieben und wurde später in die 1799 von LACÉPÈDE für den Berberaffen aufgestellte Gattung Macaca überführt. Er bildet zusammen mit Macaca leonina, M. nemestrina, M. pagensis, M. siberu und den Arten der Insel Celebes eine Artengruppe. Es sind keine Unterarten anerkannt [5; 6]. Der Vulgärname "Wanderu" beruht auf einem Missverständnis, den eigentlich bezeichnet er einen auf Sri Lanka lebenden Schlankaffen [4]. Die Makaken sind ein weiteres Beispiel dafür, wie es durch die Aufwertung von Unterarten zu einer wundersamen Artenvermehrung kommen kann: als 1974 die erste ISIS-Taxonomie veröffentlicht wurde, waren gerade mal 12 Arten anerkannt. Mittlerweile sind es 22 [6]. |
Literatur und Internetquellen
- BERGER, G. & TYLINEK, E. (1984)
- BLANKENBURG, A. (2004)
- CITES TRADE DATA BASE
- GRZIMEK, B. (Hrsg. 1970)
- SINGH, M., KUMAR, A. & KUMARA, H.N. (2020). Macaca silenus. The IUCN Red List of Threatened Species 2020: e.T12559A17951402. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2020-2.RLTS.T12559A17951402.en. Downloaded on 18 June 2021.
- TENNEMANN, A. (1992)
- WEIGL, R. (2005)
- WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
- ZIEGLER, T. (2002)
- KRAAIJ, E. & TER MAAT, P. (2011)