Eurohippus messelensis mit Foetus (im Oval); ca. 40 Millionen Jahre altes Pferdchen (Schulterhöhe ca. 30 cm) aus der Grube Messel bei Darmstadt
© J. L. Franzen, Ch. Aurich, Jö. Habersetzer; http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0137985.
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Säugetiere
Mammalia • The Mammals • Les mammifères
- Stammesgeschichte
- Artenspektrum und innere Systematik
- Körperbau und Körperfunktionen
- Verbreitung
- Haltung im Zoo
- Literatur und Internetquellen
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Die Säugetiere, zu denen auch wir Menschen gehören, sind eine relativ junge Tierklasse, die nach dem Aussterben der Dinosaurier zur dominanten Wirbeltierklasse der Landlebensräume der Erde wurde und auch in den Ozeanen Superprädatoren stellt. Die wichtigsten Nutz- und Heimtiere gehören zu den Säugetieren. In den Zoos gehören sie zu den populärsten Tierarten und sind entsprechend gut in den Tierbeständen vertreten. StammesgeschichteDie Ursäugetiere entstanden im Erdmittelalter, entweder in der späten Trias oder im frühen Jura, also vor rund 200 Millionen Jahren. Ihre Vorfahren waren Reptilien, die einen synapsiden Schädel hatten, d.h. einen mit jeweils nur einem Schläfenfenster auf jeder Seite. Dieses Schläfenfenster hat sich später bei den Säugern geschlossen, ein Relikt davon ist der Jochbogen. Bereits in der Jurazeit gab es eine beachtliche Artenzahl. Die heutigen Unterklassen - Kloakentiere, Beuteltiere und Höhere Säuger - sind seit der Kreidezeit, vor ca. 120-125 Millionen Jahren, nachweisbar. Ihre eigentliche Blüte erlebten die Säugetiere während des Tertiärs, beginnend mit dem Aussterben der Dinosaurier zu dessen Beginn vor 66 Millionen Jahren und mit einem Höhepunkt gegen sein Ende im Pliozän. Während der darauffolgenden Eiszeiten starben viele Säugetiere aus [5; 13]. Die im Tertiär lebenden Säugetiere lassen sich zum Teil noch heute lebenden Ordnungen zuordnen, sahen aber bisweilen völlig anders aus. So waren die in der untersten Schicht des Eozäns gefundenen, rund 50-55 Millionen alten Urpferdchen (Hyracotherium) katzen- bis fuchsgroße, vorn vier-, hinten dreizehige Buschschlüpfer. Im Laufe der Zeit wurden die Tiere immer größer, ihr Schädel länger, die Backenzähne höher. Bis ins Oligozän (vor 40 Mio Jahren), waren noch drei funktionale Zehen vorhanden, ab dem Miozän (vor 30 Mio Jahren) wurden die Strahlen 2 und 4 reduziert und waren schließlich nur noch als Griffelbeine vorhanden. Vertreter der heutigen Gattung Equus erschienen im Pleistozän (vor ca. 2.5 Mio Jahren) [10]. Artenspektrum und innere Systematik
In den 1970er-Jahren, zur Zeit als CITES abgeschlossen wurde, basierte die Systematik auf dem 1945 erschienenen Werk "Principles of Classification and a Classification of Mammals" des US-amerikanischen Zoologen und Paläontologen George Gaylord Simpson. Dieser ordnete die rezenten Säugetierarten in 3 Unterklassen, 23 Ordnungen, 122 Familien und 1'027 Gattungen ein [9]. Die 1982 erschienene Standard-Taxonomie von CITES umfasste 4'170 Arten in 20 Ordnungen, 135 Familien und 1'033 Gattungen [4]. Bis im Dezember 2022 stieg die Zahl der Säugetierarten in der Mammal Diversity Database (MDD) der American Society of Mammalogists um mehr als 50% auf 6'651 [1]. Diese wundersame Vermehrung ist im Wesentlichen dem Wirken der Molekulargenetiker zu verdanken, deren Erkenntnisse jedoch nicht alle unumstritten sind [7]. Vielfach wurden aufgrund molekulargenetischer Kriterien bestehende Arten aufgeteilt, wobei es sich bei den neuen "Arten" vielfach nicht um gute Arten im biologischen Sinn handelt, sondern um Taxa, die zuvor als Unterarten behandelt worden sind. Auch auf der Stufe der Höheren Taxa kam es in den letzten Jahren zu erheblichen Änderungen [5; 13]:
Von den in der Roten Liste [3] aufgeführten noch lebenden Arten sind 2 in der Natur ausgestorben, 213 unmittelbar vom Aussterben bedroht, 550 stark gefährdet, 557 gefährdet und 373 potenziell gefährdet. Die Artenzahl in der nachfolgenden Tabelle entspricht jener der Roten Liste 2022-2. Innere Gliederung: Unterklasse: Ursäuger (Prototheria): Eierlegend. Enddarm, Harn- und Geschlechtswege münden in eine gemeinsame Kloake. Milchdrüsen ohne Zitzen. Penis ist ausschließlich samenführend. Skelett mit reptilienhaften Merkmalen.
Unterklasse: Beutelsäuger (Metatheria): Lebendgebärend. Weiblicher Geschlechtsapparat, einschließlich Vagina, doppelt angelegt. Harnröhre mündet in Enddarm oder an Basis des zwischen Scrotum und Anus gelegenen. Mit Ausnahme einer Gattung (Perameles) keine Plazenta. Junge werden durch Ausscheidungen der Uterusschleimhaut ernährt, noch im Embryonalzustand geboren und während bis zu 250 Tagen in Brutbeutel ausgetragen, wo sie sich an einer Zitze festsaugen und ev. mit dieser verwachsen. Früher Ordnung Beuteltiere (Marsupialia), heute:
Unterklasse: Höhere Säugetiere (EUTHERIA): Lebendgebärend. Ernährung des Embryos über eine Plazenta. Junge bei Geburt unterschiedlich weit entwickelt. Uterus einfach, zweigeteilt oder doppelt, aber Vagina stets einfach. Die Hoden können sich in Bauchhöhle, in Cremastersäcken oder einem Scrotum befinden. Der Penis befindet sich vor dem Scrotum, sofern ein solches vorhanden ist. Er ist i. d. R. auf ganzer Länge von Harnröhre durchzogen Überordnung: LAURASIATHERIA
Überordnung: Nebengelenktiere (XENARTHRA / EDENTATA)
Überordnung: EUARCHONTOGLIRES
Überordnung: AFROTHERIA
Körperbau und KörperfunktionenAlleinstellungsmerkmale der Säugetiere, die sie von anderen Wirbeltieren unterscheiden, sind, neben dem synapsiden Schädelbau, das sekundäre Kiefergelenk, bei dem der Unterkiefer direkt mit dem Schläfenbein verbunden ist, das Vorhandensein von drei Gehörknöchelchen, das vom Paukenbein (Os tympanicum) umschlossene Innenohr, der sekundäre knöcherne Gaumen, der die Mundhöhle von der Nasenhöhle trennt, der vollständig reduzierte rechte Aortenbogen, die Trennung von Brust- und Bauchhöhle durch das Zwerchfell, die kernlosen Erythrozyten sowie das Vorhandensein von (nur im weiblichen Geschlecht voll entwickelten) Milchdrüsen. Mit wenigen Ausnahmen haben die Säugetiere sieben Halswirbel und eine behaarte Haut. Bei den wenigen unbehaarten Arten ist ein Haarkleid embryonal vorhanden[13]. Wie die Vögel sind die Säugetiere gleichwarme (homoiotherme) Tiere, d. h. sie können ihre Körpertemperatur unabhängig von der Umwelttemperatur auf einen konstanten Wert regulieren. Das verschafft ihnen gegenüber den wechselwarmen Reptilien und Amphibien einen Wettbewerbsvorteil, indem sie auch sehr kalte Regionen besiedeln und während Kälteperioden aktiv sein können. Bei den meisten Arten liegt die mittlere Körpertemperatur zwischen 35 und 38ºC. Relativ wenige Arten sind in der Lage, den Winter durch einen Winterschlaf zu überbrücken, bei dem sie ihre Körpertemperatur bis wenig über 0ºC absenken [5; 12; 13]. Im Gegensatz zu den Vögeln haben Säugetiere keine Federn, sondern Haare, die ein mehr oder weniger dichtes Fell bilden, das meistens aus dem Deckhaar mit geraden, kräftigen Leithaaren und proximal gewellten Grannenhaaren sowie aus einer Unterschicht aus feinen, gekräuselten Wollhaaren besteht. Sekundär kann das Haarkleid aber auch wieder bis auf geringe Reste (z. B. Tasthaare) verschwinden, so z.B. bei den aquatischen oder semiaquatischen Walen, Seekühen und Flusspferden. Spezialformen von Haaren sind Borsten, z.B. bei Schweinen, Nashörnern und Elefanten, oder Stacheln, wie sie bei Ameisenigeln, Igeln, Tanreks und Stachelschweinen vorkommen [5; 12; 13]. Das Herz ist durch ein Septum in zwei vollständig getrennte Kammern unterteil und auch die Vorhöfe sind völlig voneinander separiert. Als Folge stärkerer Beanspruchung ist die linke Herzseite stets kräftiger entwickelt als die rechte. Besonders entwickelte Hartstrukturen im Herzen werden als "Herzskelett" bezeichnen. Sie bestehen meist aus Knorpel, manche Huftiere haben aber auch einen Herzknochen (Os cordis). Die Eigenblutversorgung erfolgt über zwei Herzkranzgefässe, d. h. je zwei Coronararterien und Hauptvenen. Wie alle Amnioten verfügen die Säugetiere über einen Portalkreislauf, welcher der Leber durch die Pfortader (Vena portae) venöses Blut aus dem Bauchraum zuführt. In der Leber werden die in diesem Blut enthaltenen Nähr- und Giftstoffe metabolisiert. Der bei Vögeln und Reptilien vorhandene Portalkreislauf der Niere ist bei erwachsenen Säugern nicht mehr vorhanden [6; 13]. Unter den Säugetieren befinden sich die größten noch lebenden Tierformen: Der Blauwal wird 30 mlang und 150 Tonnen schwer. Das kleinste Säugetier, die kleinste Rotzahnspitzmaus Sorex cinereus, wiegt hingegen nur 2.5 Gramm. Bei den Säugetieren gibt es Omnivoren, also Allesfresser, es haben sich aber auch die unterschiedlichsten Nahrungsspezialisten entwickelt: Pflanzen-, Fleisch-, Fisch-, Insektenfresser, Nektar- und Blutlecker, allenfalls mit weiteren Spezialisierungen innerhalb dieser Kategorien (z. B. Koala, frisst nur Eukalyptus). Entsprechend unterschiedlich sind die einzelnen Abschnitte des Verdauungstrakts, angefangen beim Gebiss, ausgebildet. Der Magen ist bei den meisten Arten einhöhlig, manche Arten besitzen aber einen mehrhöhligen Magen, der z. B. bei den Wiederkäuern, Schwielensohlern, Schlankaffen und Kängurus durch Kammerung, bei den Nabelschweinen, Flusspferden, Hasen, Faultieren und Vampirfledermäusen durch die Entwicklung von Blindsäcken entstanden ist. Auch die Länge und Ausstattung des aus je drei Dünn- und Dickdarmabschnitten bestehenden Darms variiert je nach Speiseplan. Bei fleischfressenden Landsäugetieren ist er relativ kurz, bei Pflanzenfressern deutlich länger, eventuell mit vergrößertem Blinddarm, bei fisch- und planktonfressenden Meeressäugern sehr lang und bei den blutsaugenden Vampirfledermäusen sehr kurz [13]. Die Niere ist bei den meisten Säugetieren ein kompaktes Organ, bei manchen Arten (z.B. Robben, Bären, Wale, Rinder) kann sie jedoch gelappt sein. Bei adulten männlichen Tieren variiert die Lage der Hoden: Bei den Kloakentieren, vielen Insektenfressern, den Elefanten, Seekühen, Faultieren und Ameisenbären liegen sie abdominal, bei den Walen und den Gürteltieren direkt an der Bauchdecke, bei einigen Beuteltieren, den Schuppentieren, Tapiren, Nashörnern, Robben und einigen Landraubtieren treten sie temporär oder permanent in Cremastersäcke durch, bei den meisten Beuteltieren, den Pferden, Paarzehern, den meisten Raubtieren und den Primaten sind sie permanent in einen eigentlichen Hodensack, das Scrotum, ausgelagert. Alle männlichen Säugetiere haben als Kopulationsorgan einen Penis. Dieser ist bei den Kloakentieren von einem Samenkanal durchzogen, bei allen anderen durch den Harnsamenleiter. Die Gebärmutter kann einfach (Uterus simplex), zweihörnig (Uterus bicornis), durch eine Scheidewand in zwei Teile getrennt (Uterus bipartitus) oder paarig (Uterus duplex) sein. Der Uterus mündet bei den Kloakentieren direkt in die Kloake, bei den Beuteltieren in eine paarige und bei den Höheren Säugetieren in eine einfache Scheide. Mit Ausnahme der eierlegenden Monotremata sind die Säugetiere lebendgebärend. Bei den Höheren Säugetieren, zu denen gegen 95% aller Arten gehören, erfolgt die Ernährung der Jungen im Mutterleib über eine Plazenta. Dieser "Mutterkuchen" ist das Verbindungsorgan zwischen der äußeren Embryonalhülle und der Gebärmutter, dem Uterus. Nährstoffe und Sauerstoff gelangen vom Kreislauf der Mutter in den des Embryos bzw. Fötus und embryonale Abbaustoffe nehmen den umgekehrten Weg. Zwischen mütterlichem und fötalem Kreislauf liegen mehrere Gewebeschichten, sodass es nicht zu einem Austausch von Blut kommt [13]. Das Gehirn besteht aus dem Verlängerten Mark (Medulla oblongata), dem Kleinhirn (Cerebellum), dem Zwischenhirn (Diencephalon), dem Mittelhirn (Mesencephalon) und dem Großhirn (Telencephalon). Im Vergleich zu den Reptilien sind namentlich Klein- und Großhirn der Säugetiere, stärker entwickelt und differenziert, wobei zwischen primitiven und hochentwickelten Arten enorme Unterschiede bestehen. Bei letzteren ist das Volumen der Großhirnrinde durch Faltung der Hemisphärenoberfläche stark vergrößert, sodass sie Milliarden von "Grauen Zellen" fassen kann, Neuronen, die durch tiefer im Gehirn verlaufende, gebündelte Nervenfasern miteinander verbunden sind [6; 13]. VerbreitungSäugetiere kommen auf allen Kontinenten, allen größeren und vielen kleinen Inseln sowie in allen Ozeanen vor. Die weiteste Verbreitung an Land haben der Mensch und die Wanderratte. Von den 13 in der Roten Liste unterschiedenen Landregionen weisen Afrika südlich der Sahara mit 1'472, Süd- und Südostasien mit 1'448 und Südamerika mit 1'391 Arten die höchste Vielfalt auf. Auf Europa entfallen 257 Arten [3]. Haltung im ZooWeitaus der größte Teil der Gehegeflächen in Zoos wird für Säugetiere aufgewendet, wobei festzustellen ist, dass die mittlere Artenzahl in den letzten Jahrzehnten zugunsten größerer Gehege deutlich abgenommen hat. Der Brite Anthony SHERIDAN hatte in seinem 2011 erschienenen Buch die durchschnittliche Anzahl Säugetierarten der 80 „führenden Zoos“ Europas im Jahr 2009 mit 76 angegeben. Die artenreichsten Bestände hatten (in Klammern Zahlen von 1989 aus IZY 30) Pilsen mit 241 (53), Berlin Tierpark mit 191 (213), Berlin Zoo mit 177 (265), Prag mit 169 (122), Lissabon mit 120 (103), Wilhelma Stuttgart mit 114 (118), Marwell (mit 109 (74), Budapest mit 108 (128) und Breslau mit 105 (112) [8]. 1989 waren im Mittel pro Zoo zehn Arten mehr gehalten worden. Zwei Drittel der Zoos hatten innerhalb dieser 20 Jahre die Zahl der gehaltenen Säugetierarten reduziert. Vielenorts ist der Artenschwund seitdem weitergegangen. So zeigte der Tierpark Berlin 2021 nur noch 191, der Zoo Berlin noch 177 verschiedene Säugetiere. In Wildparks werden vielfach ausschließlich Säugetiere gehalten. Säugetiere sind beim Publikum die mit Abstand beliebtesten Zootiere. So sind z.B. vor den Top 20 der beliebtesten Tiere des Tiergartens Schönbrunn 19 Säugetiere. Dasselbe widerspiegelt sich auch in der Nutzung des Zootier-Lexikons. Auf den Plätzen 1-20 der Rangliste mit den meisten Klicks finden sich ausschließlich Säugetiere. Die "Top Ten" sind: Löwe, Asiatischer Elefant, Tiger, Erdmännchen, Giraffe, Waschbär, Hausziege, Senegal-Galago, Trampeltier, Bennetwallaby. |
Literatur und Internetquellen
- ASM MAMMAL DIVERSITY DATABASE
- BURGIN, C. J., COLELLA, J. P,. KAHN, P. L. & UPHAM, N. S. (2018)
- IUCN Red List of Threatened Species. Version 2022-1. Downloaded on 16 January 2022.
- HONACKI, J.H., KINMAN, K.E. & KOEPPL, J.W. (1982)
- KUHN, O. (1956)
- PORTMANN, A, (1959)
- SCHÜRER, U. (2012)
- SHERIDAN, A. (2011)
- SIMPSON, G. G. (1945)
- WENDT, H. & THENIUS, E. (1970). In GRZIMEKs TIERLEBEN.
- WILSON, D. E. & REEDER, D. M. (2005)
- WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
- ZISWILER, V. (1976)
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