Männlicher Amazonasdelfin (Inia geoffrensis) im Zoo Duisburg
© Joachim S. Müller, übernommen unter der CC BY-NC-SA 2.0)-Lizenz
Überordnung: LAURASIATHERIA
Taxon ohne Rang: CETARTIODACTYLA
Ordnung: Wale (Cetacea)
Unterordnung: Zahnwale (Odontoceti)
Familie: Südamerikanische Flussdelfine (Iniidae)
Amazonasdelfin
Inia geoffrensis • The Amazon River Dolphin • Le dauphin de l'Amazone
- Körperbau und Körperfunktionen
- Verbreitung
- Lebensraum und Lebensweise
- Gefährdung und Schutz
- Bedeutung für den Menschen
- Haltung
- Taxonomie und Nomenklatur
- Literatur und Internetquellen
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Der Amazonasdelfin wurde in den USA in größerer Zahl gehalten, in Europa gab es nur eine einzige Haltung im Zoo Duisburg. Einzelne Tiere erreichten zwar ein sehr hohes Lebensalter, aber insgesamt war die Haltung nicht erfolgreich. Körperbau und KörperfunktionenDer Amazonasdelfin ist der größte der bekannten Süßwasserdelfinarten. Im Gegensatz zu allen anderen Walartigen sind bei ihm die Männchen größer als die Weibchen. Männliche Amazonasdelfine können bis etwa 255 cm lang und über 200 kg schwer werden, weibliche Tiere erreichen eine Länge von maximal 225 cm und ein Gewicht von kaum mehr als 150 kg. Im Gegensatz zu den Meeresdelfinen sind die Nackenwirbel des Flussdelfins nicht miteinander verschmolzen, was ihm erlaubt, den Kopf zu drehen. Brust- und Schwanzflossen sind groß und breit, die Rückenflosse lang und niedrig. Dadurch sind die Tiere sehr beweglich, was ihnen beim Schwimmen im überfluteten Wald zustattenkommt. Jungtiere sind dunkelgrau, werden später hellgrau und schließlich hellrosa bzw. grau und hellrosa gefleckt [6; 10]. VerbreitungTropisches Südamerika: Es gibt drei Unterarten, I. g. geoffrensis im Einzugsgebiete des Amazonas mit Ausnahme des Oberlaufs des Rio Madeira in Bolivien, I. g. boliviensis im Oberlauf des Rio Madeira und I. g. humboldltiana im Flusssystem des Orinoko: Bolivien, Brasilien, Ekuador; Französisch Guiana, Kolumbien, Peru, Venezuela [4]. Lebensraum und LebensweiseAmazonasdelfine leben in größeren Flüssen, gerne an Orten, wo zwei Flüsse zusammenkommen, und Seen, und gehen während der Regenzeit in die überfluteten Wälder, wo sie zwischen den Baumstämmen und -wurzeln Beute suchen. Sie sind hauptsächlich dämmerungsaktiv. Manche Tiere sind ortstreu, andere streifen bis zu 220 km im Flusssystem auf und ab. Sie leben einzeln, zu zweit oder in Gruppen von selten mehr als 8 Tieren. Ihre Nahrung besteht aus über 53 Fischarten, die hauptsächlich in Bodennähe gefangen werden. Die wichtigsten Beutefische sind Umberfische (Sciaenidae), Buntbarsche (Cichlidae) und Salmler (Characidae). Auch Krebse und Sumpfschildkröten werden gefressen [5; 6]. Während der Fortpflanzungsperiode sind die Bullen sehr aggressiv, sowohl gegenüber Geschlechtsgenossen als auch gegenüber paarungsunwilligen Weibchen. Dies dürfte der Hauptgrund für den geringen Haltungserfolg sein. Die meisten Geburten fallen auf Mai und Juni, wenn die Wälder überflutet sind und die Mütter mit ihren bei der Geburt etwa 80 cm langen Kälbern den aggressiven Bullen leicht ausweichen können. Die Tragzeit dauert etwa 11 Monate. Die Jungen werden etwa 1 Jahr lang gesäugt und werden mit 2-3 Jahren selbständig. Die Geburtsintervalle liegen zwischen 15 und 36 Monaten [6]. Gefährdung und SchutzBis 1996 wurde die Art in der Roten Liste als gefährdet aufgeführt, eine Beurteilung aus dem Jahr 2008 kam aber zum Schluss, dass ausreichende Angaben fehlten, um den Grad der Gefährdung festzulegen. Eine erneute Beurteilung im Jahr 2018 stufte den Amazonas-Delfin neu als stark gefährdet (Rote Liste: ENDANGERED) ein, da zu den bereits länger bestehenden Risiken ab 2000 eine neue dazu gekommen war: das Töten der Delfine, um ihr Fleisch als Köder für den Fischfang zu verwenden, was gebietsweise zu einem drastischen Rückgang der Bestände führte [4]. Der internationale Handel ist nach CITES-Anhang II geregelt und die Art fällt unter Anhang II des Bonner Übereinkommens über wandernde Tierarten. Zoogestütztes Artenschutzprojekt (Beispiel):
Bedeutung für den MenschenWirtschaftliche Bedeutung: Der Amazonasdelfin wird wegen seines Fleischs als Nahrungsmittel und als Fischköder für den Fang des Piracatinga (Calophysus macropterus), eines sehr begehrten Speisefischs, gejagt [4]. Bei den Fischern machen sich die Delfine dadurch unbeliebt, dass sie Fische aus den Netzen stehlen. Wenn sie dabei nicht ertrinken, werden sie meist trotz Verboten getötet, weil die Fischer für entstandenen Schaden nicht entschädigt werden [5]. Von 2001-2017 meldete lediglich Südkorea die Einfuhr von zwei lebenden Tieren aus Venezuela. Daneben gelangten geringe Mengen von Zähnen, Skeletten und ähnlichem Material in den Internationalen Handel [3]. Kulturelle Bedeutung: BREHM kolportiert folgende Geschichte: "In den Augen der Bewohner Egas (heute Tefé, eine Stadt am Rio Solimões) ist sie (die Inia) nichts anderes als eine verführerische Nixe, befähigt, in Gestalt eines wunderschönen, mit lang herabwallenden Haaren besonders geschmückten Weibes aufzutreten, um junge, unerfahrene Männer vom Pfade der Tugend ab- und ins Verderben zu locken. So zieht sie nachts durch die Straßen von Ega, und mehr als Einer ließ sich fesseln von ihren hohen Reizen. Hoffnungsvoll folgte er der Sirene bis zum Ufer des Stromes und liebestrunken sank er dort in ihre Arme; mit gellendem, siegjubelndem Schreie aber stürzte sie sich mit dem umstrickten Buhlen in die lebenvernichtenden Fluten." [1] HaltungDie Haltung von Amazonasdelfinen begann im Jahr 1956, als erstmals vier Tiere aus Kolumbien in die USA eingeführt wurden. Bis 1966 wurden rund 70 weitere Tiere in die USA importiert, von denen damals noch 19 am Leben waren. In der Folge nahmen die Importbemühungen rasch ab und wurden schließlich ganz eingestellt. Insgesamt wurden gegen 100 Tiere importiert. 1986 war noch ein Tier übrig, das 2002 starb. Die durchschnittliche Haltungsdauer war mit 33 Monaten unbefriedigend, einzelne Individuen können aber in Menschenobhut sehr alt werden [2; 6]. Den Altersrekord hält ein im Zoo Duisburg gehaltenes Männchen, das ein Alter von mehr als 47 Jahren erreichte. Im Zoo von Pittsburgh wurde ein männliches Exemplar 31 Jahre und 3 Monate gehalten [9]. Haltung in europäischen Zoos: Seit Dezember 2020, als das letzte Tier im Zoo Duisburg starb, gibt es in Europakeine Amazonasdelfine mehr. Für Details siehe Zootierliste. 1975 organisierte der damalige Direktor des Duisburger Zoos, Dr. Wolfgang Gewalt, eine Expedition zum Rio Apure, einem Nebenfluss des Orinoko in Venezuela, um dort Amazonas-Flussdelfine zu fangen. Tatsächlich gelang es, drei männliche und zwei weibliche Delfine zu fangen und als Erstimport heil nach Europa zu bringen. Darunter befand sich auch ein seltenes albinotisches Tier, das aber aufgrund seines sehr hohen Alters und schlechten Gesundheitszustands nicht lange überlebte [4; 12]. Die andern vier Tiere gewöhnten sich gut ein, obwohl sie nach heutigen Vorstellungen unter eher bescheidenen Verhältnissen in einem Becken von etwa 100 m³ gehalten wurden. 2005, als sie eine großzügige, „Rio Negro“ genannte Anlage mit einer Wasserfläche von über 300 m², einem Volumen von 655 m³ und einer maximalen Wassertiefe von 4 m beziehen konnten, waren noch zwei Tiere am Leben. Das ältere, "Apure", starb im Oktober 2006 im Alter von weit über 40 Jahren und war damals der älteste der Wissenschaft bekannte Flussdelfin, das jüngere Tier namens "Butu" lebte bis Dezember 2020, erreichte also eine Haltungsdauer von über 45 Jahren [12]. Insgesamt betrachtet war die Haltung der Flussdelfine nicht als erfolgreich zu bewerten. Viele der importierten Tiere überlebten nicht lange. Einige wenige Zuchterfolge waren lediglich in Südamerika zu verzeichnen, während außerhalb Südamerikas unzureichende Haltungsbedingungen (zu kleine Beckenanlagen, häufige Einzelhaltung, Haltung in gleichgeschlechtlichen Gruppen, Haltung von zu alten oder zu jungen Tieren) zu keiner Zucht führten. Wie Amazonasdelfine gehalten werden (Beispiel):
Forschung im Zoo (Beispiele): Eine Arbeit im Duisburger Zoo befasste sich mit dem Jagd- und Echoortungsverhalten eines gehaltenen Amazonasdelfins [7]. Der Amazonasdelfin wurde in einer Staatsexamensarbeit zur Problematik der Haltung von Walen in menschlicher Obhut mitberücksichtigt [7]. Mindestanforderungen an Gehege: Das Säugetiergutachten 2014 des BMEL bezieht sich nicht auf Süßwasserdelfine. Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2022) schreibt für bis zu 4 Tieren ein Becken mit einer Mindestfläche von 400 m² und einer Tiefe von 4 m vor. Für jedes weitere Tier ist die Fläche um 30 m² zu erhöhen. Ferner sind Absperrbecken erforderlich. In der früheren Fassung der Verordnung betrug die geforderte Fläche 200 m² und die Tiefe 2.5 m. Weshalb das Beckenvolumen um mehr als das Dreifache erhöht wurde, wurde nicht begründet. Man hätte in Anbetracht der innerartlichen Aggression wohl besser zwei kleinere, kombinierbare Becken vorgeschrieben. In Österreich sind keine Haltungsanforderungen festgelegt. Taxonomie und NomenklaturDie Art wurde 1817 von dem französischen Zoologen Henri Marie Ductrotay de BLAINVILLE als "Delphinus geoffrensis" beschrieben. Der ebenfalls französische Naturforscher Alcide Charles Victor Marie Dessalines D'ORBIGNY stellte sie 1834 in die neue Gattung Inia. Allgemein werden 3 Unterarten anerkannt (siehe unter Verbreitung), wobei diese aufgrund molekulargenetischer Unterschiede neuerdings auch als selbständige Arten betrachtet werden. Die Diskussion darüber ist noch nicht ausgestanden [5; 6; 10; 11]. |
Literatur und Internetquellen
- BREHM, A. E. (1882-1887)
- CALDWELL, M. C., CALDWELL, D. K. & BRILL, R. L. (1989)
- CITES TRADE DATA BASE
- GEWALT, W. (1978)
- DA SILVA, V., TRUJILLO, F., MARTIN, A. et al. (2018). Inia geoffrensis. The IUCN Red List of Threatened Species 2018: e.T10831A50358152. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2018-2.RLTS.T10831A50358152.en. Accessed on 31 January 2023.
- THE SOCIETY OF MARINE MAMMALOGY
- THIEMANN, H. (1991)
- VERFUß, U. K. (1996) [VERFUSS]
- WEIGL, R. (2005)
- WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
- WILSON, D. E. & REEDER, D. M. (2005)
- TERNES, K. (2022)