Hagenbeck-Karawane in Afrika
Bild aus HAGENBECK, C. (1908)
Die meisten Säugetiere, die im Zoo zu sehen sind, wurden nicht der Natur entnommen, wie Zoogegner glauben machen wollen, sondern wurden, wie in der Regel auch schon ihre Eltern und vielfach die Großelten, im Zoo geboren. Bei vielen Arten besteht die gesamte Population aus Nachzuchttieren, was immer mehr koordinierte Zuchtprogramme nötig macht, um den Verlust an genetischer Vielfalt so klein wie möglich zu halten. Dasselbe gilt zunehmend für Tiere anderer Klassen. Namentlich bei Vögeln und Ampibien ist der Eigenversorgungsgrad in den letzten Jahren gestiegen.
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Aus der Wildbahn?Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts war die Lebenserwartung vieler Zootiere gering und galt die Zucht vieler Tierarten noch als schwierig. Andererseits war der Bezug von Tieren aus der Natur damals noch vergleichsweise problemlos. Es gab noch keine einschränkenden Artenschutz- und nur minimale Veterinärvorschriften für den Wildtierhandel, die Zootiere vieler Arten stammten daher ausschließlich oder hauptsächlich aus der Wildbahn und der internationale Handel mit Tieren aller Art blühte [4]. Dies trifft heute nicht mehr zu, aber noch immer wollen Tierschutz- und Tierrechtskreise die Leute glauben machen, Zootiere seien zur Hauptsache der Wildbahn entnommen worden, wie weiland im Film "Hatari!". Sie befänden sich jetzt in einem Gefängnis und sehnten sich zurück nach der goldenen Freiheit. Das trifft zumindest für Säugetiere, auf die sich solche Aussagen in der Regel beziehen, schon seit langer Zeit nicht mehr zu. Dass sich Lutz HECK, der damalige Direktor des Berliner Zoos, auf Tierfang nach Ostafrika begab, ist schon über 80 Jahre her [6] und auch die Reisen des Basler Zoodirektors Ernst M. LANG, um aus Tanganjika Giraffen und Elefanten in die Schweiz zu bringen, datieren aus den Jahren 1947 und 1952 [10]. Der hinsichtlich Tierfang relativ lebensechte Film "Hatari!" mit John Wayne und Hardy Krüger wurde 1962 gedreht, also vor mehr als einem halben Jahrhundert. Was damals üblich war, ist heute Geschichte: Die Entnahme von Wildtieren aus der Wildbahn ist selten geworden und steht zahlenmäßig hinter den Entnahmen für die Hobbytierhaltung und erst recht für die Gewinnung tierischer Produkte weit zurück [17]. Einfuhren von Huftieren aus Afrika und weiten Teilen Asiens sind aufgrund strenger Veterinärvorschriften der EU seit Jahrzehnten so gut wie ausgeschlossen. Der Großtierhandel ist totDer Tierhandel im heutigen Sinn begann im 19. Jahrhundert mit der sich entwickelnden Zirkusindustrie und intensivierte sich mit der in der Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzenden Gründungswelle bürgerlicher zoologischer Gärten. Zu den bedeutendsten Tierhändler jener Epoche gehörten die Firmen HAGENBECK, Hamburg, und RUHE, Alfeld. Mit dem Ende des Kolonialismus nach dem Zweiten Weltkrieg war die Blütezeit des Handels mit Großtieren vorbei. Ab den 1950er Jahren konzentrierte sich der Handel daher auf Kleinsäuger, Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische, die ihre Abnehmer vorab bei privaten Liebhabern fanden [3]. Carl HAGENBECK begann seine Tierhandelstätigkeit als Sechzehnjähriger im Jahr 1848 als Mitarbeiter seines Vaters Gottfried Claes Carl HAGENBECK. 1866 übernahm er die Firma „C. Hagenbecks Handlungs-Menagerie St. Pauli“. 1874 kamen als Nebenprodukt des Tierhandels die Völkerschauen hinzu, deren letzte 1932 wegen mangelnden Interesses abgebrochen wurde. 1887 wurde der Circus Carl Hagenbeck gegründet und 1907 erfolgte die Eröffnung des Tierparks Hagenbeck in Stellingen. Dort wurde anfänglich auch noch Tierhandel betrieben, aber das Geschäft verlor zunehmend an Bedeutung [5; 8; 13]. Hermann RUHE I (1861-1923) übernahm 1883 den Kanarienvogelhandel seines Vaters und begann bald, in den Handel mit anderen Tieren einzusteigen, wozu er eigene Expeditionen nach Übersee ausgerüstete und Fanglager in Malaysia, Burma, Indonesien, Indien. Abessinien, Südwestafrika und Kamerun einrichtete. Die Tiere wurden an alle Zoos der Welt, Circusse und Privatliebhaber verkauft. Nach seinem Tod ging die Tierhandlung 1923 an seinen Sohn Hermann II über, der noch im selben Jahr, ähnlich wie HAGENBECK, ins Zirkusgeschäft einstieg, dann Zoos in aller Welt konzipierte und sie mit Tieren beliefert. Von 1931-72 übernahm er den Zoo Hannover von der Stadt und 1948 errichtete er den den Ruhr-Zoo Gelsenkirchen als ersten einer Reihe eigener Zoos. Unter seinem Sohn und Nachfolger Hermann III wurden bis 1990 15 Safariparks erstellt und jeweils für einige Zeit selbst betrieben. Der Tierhandel ging aber ab den 1960er Jahren immer mehr zurück, weil die Zoos jetzt zunehmend selbst in der Lage waren, ihren gesamten Bedarf an Tieren durch Eigenzucht oder im Tausch mit anderen Parks zu erhalten. 1993 ging die Firma RUHE in Konkurs [1; 8; 12]. Anderen Tierhandelsfirmen ging es aus demselben Grund nicht besser: Die Firma Julius MOHR, die seit anfangs des 20. Jahrhunderts in Ulm einen auf europäische Arten spezialisierten Großtierhandel mit Tierpark betrieben hatte, stellte ihre Tätigkeit 1968 ein [9; 15]. Der pakistanische Großtierhändler George MUNROE, der sich 1961 mit dem Bremer Tierpark ein festes Standbein in Deutschland geschaffen hatte, musste 1973 Konkurs anmelden [16]. Der Schweizer Tierfänger Charles CORDIER, der 1949 die ersten lebenden Kongopfauen in einen Zoo gebracht hatte, stellte seine Tätigkeit 1977 im Alter von 80 Jahren ein und starb wenige Jahre später völlig verarmt in Zürich [9; 11]. Nachzucht im Vordergrund
Durch die Umsetzung der Prinzipien der von Heini HEDIGER 1942 begründeten wissenschaftlichen Disziplin der Tiergartenbiologie wurde ab etwa 1950 die dauerhafte Haltung und Zucht vieler Tierarten, die früher als "nicht haltbar" gegolten hatten, plötzlich selbstverständlich. Die Zahl der Tierarten, die seitdem erstmals gezüchtet wurden, ist deshalb außerordentlich groß. Ab den 1960er-Jahren waren die Zoos in der Lage, Säugetiere der meisten Arten erfolgreich zu züchten und aufzuziehen [4]. Aufgrund von Einfuhrrestriktionen der EU hat auch die Einfuhr von Wildvögeln nach Europa drastisch abgenommen. Die Zoos haben deshalb und im Bestreben nach Nachhaltigkeit in den letzten Jahren ihre Zuchtbemühungen auch bei Vögeln deutlich erhöht. So werden z. B. in der Zuchtstation "La Vera" des Loro Parque auf Teneriffa jährlich über 1'000 Papageien der unterschiedlichsten Arten aufgezogen. Ein Teil davon ist für Wiederansiedlungszwecke bestimmt, andere gehen an Zoos oder qualifizierte Züchter. Auch andere Zoos, z.B. Landau, Basel oder Kerkrade, haben eigens Zuchtvolieren gebaut oder begonnen, mit privaten Züchtern zu kooperieren. Der Vogelpark Marlow betreibt eine Partnervermittlung für Beos, um die Nachzuchtrate bei diesen zunehmend gefährdeten Vögeln zu steigern... Daher spielt der Tierhandel als Quelle für Zootiere heute praktisch nur noch bei Reptilien, Amphibien, Fischen und Wirbellosen eine Rolle. Dabei stammen die meisten Süßwasserfische und Schmetterlinge aus Zuchten oder Ranching-Programmen, und auch bei den Haien, Rochen und Korallenfischen wird die Liste der Arten, die nachgezogen werden, immer länger [2; 7]. |
Literatur und Internetquellen
- ALT-ALFELD
- CORAL MAGAZINE'S CAPTIVE-BRED MARINE FISH SPECIES LIST (2019)
- DITTRICH, L. (1977)
- DOLLINGER, P. (2014)
- HAGENBECK, C. (1908)
- HECK, L. (1952)
- JANSE, M., ZIMMERMAN, B., GEERLINGS, L., BROWN, C. & NAGELKERKE, L. A. J. (2017)
- KLÖS,H.-G. (2005a)
- KLÖS,H.-G. (2005b)
- LANG, E.M. (1994)
- LEPPERHOFF, L. (2009)
- RUHE, H. (1960)
- STAEHELIN, B. (1993)
- SCHÜRER, U. (1977)
- SÜDWEST-PRESSE vom 22.05.2010
- WESER-KURIER vom 11.04.2011
- WÜNNEMANN, K. & ORBAN, S. (2007)