Gänsegeier (Gyps fulvus) im Allwetterzoo Münster
© Stefanie Heeke, Allwetterzoo
Ordnung: Greifvögel (ACCIPITRIFORMES)
Unterordnung: Habichtartige und Fischadler (ACCIPITRES)
Familie: Habichtartige (Accipitridae)
Unterfamilie: Altweltgeier (Aegypiinae)
Gänsegeier
Gyps fulvus • The Griffon Vulture • Le vautour fauve
- Körperbau und Körperfunktionen
- Verbreitung
- Lebensraum und Lebensweise
- Gefährdung und Schutz
- Bedeutung für den Menschen
- Haltung
- Taxonomie und Nomenklatur
- Literatur und Internetquellen
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Der Gänsegeier ist zwar insgesamt nicht gefährdet, in Europa jedoch gebietsweise ausgestorben, weshalb mehrere Programme zur Wiederansiedlung in Angriff genommen wurden, an denen sich etliche der zahlreichen Zoos beteiligen, welche die Art halten Körperbau und KörperfunktionenDer Gänsegeier erreicht eine Gesamtlänge von 95-110 cm, eine Flügelspannweite von 240-280 cm und ein Gewicht von 6'000-11'000 (4'250-15'000) g. Er hat einen langen schlanken Hals, daher die Bezeichnung "Gänsegeier" und einen eher schwachen Schnabel. Er ist dem Weißrückengeier sehr ähnlich, jedoch größer und hat ein etwas helleres, fahl- bis zimtbraunes Gefieder. Kopf und Hals sind hell flaumig befiedert bis auf den nackten, bläulichen Halsansatz. Die Halskrause ist weiß. Die Flügel und der Schwanz mit seinen 14 Steuerfedern sind dunkelbraun, die Wachshaut ist graubraun, die Iris hellbraun, der Schnabel horngelb, Läufe und Füße sind blaugrau [3; 6; 7; 8; 9; 11]. VerbreitungDer Gänsegeier kommt in 80 Ländern oder abhängigen Gebieten als Brutvogel, Gastvogel oder Durchzügler vor. Gyps f. fulvus brütet von Nordwestafrika und Südeuropa über den Nahen Osten bis nach Zentralasien. Gyps f. fulvescens vertritt die Art in Afghanistan, Pakistan und Nordindien. Namentlich Jungvögel überwintern in der Sahelzone und in Nordostafrika [1]. Lebensraum und LebensweiseDer Gänsegeier besiedelt bergige, stark gegliederte Landschaften bis auf eine Höhe von 3'000 m. In gemeinschaftlichen Flügen, die über 50 Vögel umfassen können sucht er aus großer Höhe nach kleinen und großen Kadavern, die seine Hauptnahrung bilden. Gelegentlich gehen sie aber auch an noch lebende Tiere, die schwer verletzt, krank, geschwächt oder neugeboren sind und sich nicht wehren können Gebrütet wird in lockeren Kolonien in felsigem Gelände, das an offene, übersichtliche Ebenen oder Hochplateaus angrenzt. Brutzeit ist von (Dezember) Mitte Januar bis Anfang März. Das Gelege besteht aus einem weißen, 90x70 mm großen Ei, das selten rotbraune Flecken haben kann. Die Brutdauer beträgt 47-54 Tage. Das Küken ist nach gut 4 Monaten flugfähig. Altvögel sind meistens sesshaft, Immature und Nichtbrüter streifen umher und können sich mehrere 100 km von der angestammten Kolonie entfernen [1; 6; 9; 11; 15]. Gefährdung und SchutzDie Art hat eine weite Verbreitung und einen großen Bestand, der zwischen 500'000 und 1 Million erwachsenen Vögeln liegt und vermutlich zunimmt. Sie gilt daher global nicht als gefährdet (Rote Liste: LEAST CONCERN) [2]. Der internationale Handel ist nach CITES-Anhang II geregelt. Die Art fällt unter Anhang 2 der Berner Konvention über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume und Anhang 2 des Bonner Übereinkommens über wandernde Tierarten und ist eine streng zu schützende Tierart nach Anhang I der Vogelschutz-Richtlinie (2009/147/EG) der EU. Situation in Europa: Die Gänsegeier in Europa teilen sich in zwei Teilpopulationen auf. Eine Westpopulation, in der 95 % des Gänsegeiervorkommens zu finden ist, steht einer Ostpopulation mit vergleichsweise wenigen Tieren gegenüber [4]. Spanien allein beherbergt mehr als 80% des europäischen Bestandes. Ursache dafür, dass hier im Gegensatz zum übrigen Europa kein Niedergang der Gänsegeierpopulation stattfand, war, dass ein Gesetz aus dem Jahr 1954, welches das Vergraben eines jeden Tierkadavers vorschrieb, im ganzen Land ignoriert wurde. Außer für Tiere, die auf abgelegenen Weiden umkamen und liegen blieben, hatte jedes Dorf einen festen Platz, zu dem Tierkadaver gebracht und wo sie von Geiern gefressen wurden. Diese hier „Muladares“ genannten Wasenplätze hatten dieselbe Wirkung wie Geierrestaurants. Durch die Förderung der Intensivhaltung durch die EU stiegen die Nutztierbestände und mit ihnen der Gänsegeierbestand an. 2008 wurden 22'000 Brutpaare erreicht. Als Folge der Vorschriften der EU zur Bekämpfung der Bovinen Spongiformen Enzephalopathie, die Spanien erst ab 2005 umsetzte, wurden die Kadaver verbrannt und die Muladares aufgegeben. In der Folge suchten die Geier ihre Nahrung auf Müllhalden. Immerhin schuf die EU Ausnahmeregelungen, wonach in bestimmten Fällen Kadaver zur Ernährung der Geier offen liegen gelassen werden durften. Davon wurde jedoch nur in bescheidenem Maß Gebrauch gemacht. 2016 wurde der europäische Bestand auf 32'400 bis 34'000 Brutpaare geschätzt [1; 2; 9; 10]. In Frankreich wurde die Alpenpopulation bereits im 19. Jahrhundert ausgerottet, 1946 verschwanden die Geier auch aus dem Zentralmassiv. 1981 wurde ein Wiederansiedlungsprojekt begonnen. Heute gibt es wieder einen Bestand von über 3'000 Brutpaaren. Auch in Italien, wo die Art nur auf Sardinien überlebt hatte, wurden mit Erfolg Wiederansiedlungsprojekte durchgeführt. In den Nachfolgestaaten Jugoslawiens haben etwa 270 Brutpaare überlebt, in Griechenland gibt es eine lebensfähige Population von rund 130 Paaren nur auf Kreta, in Bulgarien wird ein Bestand durch Wiederansiedlung aufgebaut [2; 15]. In Österreich ist der Gänsegeier seit Langem ein regelmäßiger Sommervogel in den Salzburger Alpen. Der Zoo Salzburg hält deshalb seine Gänsegeier freifliegend. Diese brüten etwa 5 km vom Zoo entfernt. Wilde Geier, die in der Kvarner Bucht in Kroatien brüten und in Salzburg übersommern, verpflegen sich regelmäßig am Futterplatz im Zoo und die Geier des Zoos ziehen mit ihren Artgenossen an die Adria. ... mehr. In Bayern, wo der Gänsegeier bis ins 19. Jahrhundert gebrütet hatte, konnten Vögel der Salzburger Population regelmäßig beobachtet werden [1]. Die vermehrten Einflüge von Gänsegeiern ab 2006 nach Deutschland und der Schweiz können damit zusammen hängen, dass Jungvögel aus Spanien versuchen, sich neue Nahrungsquellen zu erschließen, aber auch mit der erfolgreichen Wiederansiedlung von Gänsegeiern in Frankreich [4]. In der Schweiz war die Art auch im 19. Jahrhundert nicht Brutvogel, sondern es liegen aus der Periode 1812-1885 lediglich 12 Funde oder Beobachtungen vor. In den letzten Jahren kommt es in der Schweiz regelmäßig zu Übersomerungen von mehreren hundert Vögeln. Diese tauchen ab Anfang Mai hauptsächlich in den Westalpen auf und ziehen bis im September wieder weg [12; 14; 15]. Zoogestützte Artenschutzprojekte (Beispiele):
Bedeutung für den MenschenGebietsweise werden Gänsegeier für den internationalen Tierhandel gefangen [1] Von 2001-2018 gelangten insgesamt 188 Wildfänge in den legalen internationalen Handel. Unter dem gehandelten toten Material befanden sich u.a. rund 8'300 Federn. Im selben Zeitraum wurden weltweit 88 Nachzuchtvögel bei der Ausfuhr registriert [5]. Haltung im ZooFlugunfähig gemachte Gänsegeier werden auf Savannenanlage mit anderen Vögeln und mit Huftieren vergesellschaftet, z.B. in Gelsenkirchen mit Breitmaulnashorn, Steppenzebra, Rappenantilope, Elenantilope, Springbock, Großem Kudu, Strauß, Marabu und Helmperlhuhn [13]. In ausreichend großen Volieren mit genügend Rückzugsmöglichkeiten ist eine Vergesellschaftung mit Huftieren, Neuwelt- und anderen Altweltgeiern möglich, so z.B. im Tierpark Nordhorn, im Tierpark Berlin oder im Zoo Schmiding. Als Höchstalter werden 41 Jahre und 5 Monate angegeben, erreicht von einem Vogel im Bronx Zoo, New York [7]. Haltung in europäischen Zoos: Die Art wird in über 220 zoologischen Einrichtungen gehalten, von denen sich etwa ein Viertel im deutschsprachigen Raum befinden. Für Details siehe Zootierliste. Es gibt ein Europäisches Zuchtbuch (ESB), das am Zoologisch-Botanischen Garten Jerez de la Frontera geführt wird. Wie Gänsegeier gehalten werden (Beispiele):
Mindestanforderungen an Gehege: 1995 veröffentlichte das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (BMELF) Mindestanforderungen an die Haltung von Greifvögeln und Eulen. Diese werden seit Jahren überarbeitet und sollen als Leitlinien zur Haltung von Greifvögeln (Accipitriformes, Falconiformes) und Eulen (Strigiformes) neu herausgegeben werden. Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2024) schreibt für 1-2 große Geier eine Voliere mit einer Grundfläche von 60 m² und einem Volumen von 240 m³ vor. Für jeden weiteren adulten Vogel ist die Grundfläche um 15 m² zu vergrößern. Die Vorgängerverordnung sah halb so große Dimensionen vor. Die Erhöhung erfolgte ohne Angabe von Gründen. Für Schauflüge eingesetzte Vögel dürfen nur im nicht öffentlich zugänglichen Bereich der Tierhaltung an der Fessel gehalten werden. Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2024) ist für die Haltung von 1-2 Gänsegeiern eine Voliere mit einer Grundfläche von 60 m² bei 3 m Höhe erforderlich. Für jedes weitere Adulttier ist die Fläche um 15 m² zu erweitern. Für die falknerische Haltung gelten besondere Anforderungen. Taxonomie und NomenklaturDer Gänsegeier wurde 1783 von Carl Ludwig von HABLIZL, einem Botaniker und Ornithologen aus Königsberg, der es zum Vize-Gouverneur der Krim brachte, als "Vultur fulvus" erstmals wissenschaftlich beschrieben. Die heute gültige Gattungsbezeichnung Gyps wurde 1809 von dem französischen Naturforscher Marie Jules César Lelorgne de SAVIGNY eingeführt. Es werden zwei Unterarten anerkannt. Fast alle in Europa gehaltenen Vögel gehören der Nominatform an [6]. |
Literatur und Internetquellen
- BEZZEL, E. (1985)
- BIRDLIFE INTERNATIONAL (2017). Gyps fulvus (amended version of 2016 assessment). The IUCN Red List of Threatened Species 2017: e.T22695219A118593677. http://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2017-3.RLTS.T22695219A118593677.en und (2015) Gyps fulvus. The IUCN Red List of Threatened Species 2015: e.T22695219A60118646. Downloaded on 21 October 2019.
- BREHM, A. E. (1882-1887)
- CAMIÑA CARDENAL, A. (2011)
- CITES TRADE DATA BASE
- DEL HOYO, J., ELLIOTT, A. & SARGATAL, J., eds. (1999)
- GRUMMT, W. & STREHLOW, H. (2009)
- GRZIMEK, B. (Hrsg. 1970)
- MAUMARY, L. et al. (2007)
- PFISTERER, A. (2012)
- PFORR, M. & LIMBRUNNER, A. (1991)
- STEMMLER, C. (1932)
- WALDER, S. (2007)
- BAUMGARTNER, H. J. in ORNIS 3/2019:18-21.
- REY, L. (2023). Der Gänsegeier in der Schweiz. AVINEWS APRIL 2023: 4-5.