Unechte Karettschildkröte

Unechte Karettschildkröte (Caretta caretta) im Océanopolis Brest
© Peter Dollinger, Zoo Office Bern

Ordnung: Schildkröten (TESTUDINATA)
Unterordnung: Halsbergerschildkröten (CRYPTODIRA)
Familie: Meeresschildkröten (Cheloniidae)

D VU 650

Unechte Karettschildkröte

Caretta caretta • The Loggerhead Sea Turtle • La caouanne

301 003 001 001 caretta caretta brest PD2Unechte Karettschildkröte (Caretta caretta) im Océanopolis Brest © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

301 003 001 001 caretta caretta mapAproximative Verbreitung der Unechten Karettschildkröte (Caretta caretta) - Regionen mit Nistplätzen und höherer Dichte der einzelnen Populationen. Wandernde Tiere können von Alaska bis nach Feuerland und Neuseeland angetroffen werden. Rot: Mittelmeerpopulation

 

301 003 001 001 caretta caretta medi mapGrößere Nistplätze der Unechten Karettschildkröte im Mittelmeer (nach CASALE, P. & MARGARITOULIS, D. (2010): Sea Turtles in the Mediterranean. IUCN)

 

301 003 001 001 caretta caretta st malo PD1Unechte Karettschildkröte (Caretta caretta) im Grand Aquarium Saint-Malo © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

301 003 001 001 caretta caretta brest PD3Unechte Karettschildkröte (Caretta caretta) im Océanopolis Brest © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

301 003 001 001 caretta caretta kreta jSchmidtUnechte Karettschildkröte (Caretta caretta) im im Cretaquarium-Thalassocosmos, Gournes, Heraklion © Jirka Schmidt, Riesa

 

301 003 001 001 caretta caretta kreta jSchmidtUnechte Karettschildkröte (Caretta caretta), Rettungsaktion 2024 des Two Oceans Aquariums, Kapstadt © TOAF

 

301 003 001 001 caretta caretta kreta jSchmidtUnechte Karettschildkröte (Caretta caretta) , Rettungsaktion 2024 des Two Oceans Aquariums, Kapstadt © Devon Bowen

 

301 003 001 001 caretta caretta citesCarapax und Plastron der Unechten Karettschildkröte (Caretta caretta). Zeichnung Urs Woy, Zürich, für CITES-ID-Manual

 

301 003 001 001 caretta caretta stamp www thamnophis euUnechte Karettschildkröte (Caretta caretta) als Motiv auf Briefmarke von Papua-Neuguinea. Quelle: www.thamnophis.eu

 

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Die Unechte Karett ist eine große Meerschildkröte mit sehr weiter Verbreitung, die auch vor europäischen Küsten angetroffen wird und Nistplätze im Mittelmeer hat.

Körperbau und Körperfunktionen

Typisch für die Unechte Karettschildkröte ist ihr sehr großer Kopf, der nur ein Paar Präfrontalschilder aufweist. Weibchen können bis 110 cm lang werden, bleiben aber meist kleiner. Der rotbraune Carapax ist flach und lang mit gesägtem Hinterrand. Die einzelnen Schilder sind dünn und überlappen sich nicht. Es sind 5 Wirbelschilder und je 5, selten 6, Rippenschilder und 11-12 Randschilder vorhanden. Das Nuchalschild ist breit und in direktem Kontakt mit den beiden ersten Rippenschildern. Das Supracaudalschild ist geteilt. Das gelbliche Plastron weist in der Regel beidseits drei Inframarginalschilder auf. Bei Schlüpflingen ist der etwa 5 cm lange Rückenpanzer gestromt und die Wirbelschilder sind gekielt [2; 9].

Verbreitung

Die Nistplätze der 10 Subpopulationen befinden sich an Stränden tropischer, subtropische und gemäßigter Ozeane und Meere, einschließlich des Mittelmeers. Die Mittelmeerpopulation hat ihre Nistplätze hauptsächlich im östlichen Mittelmeer (v.a. Griechenland, Israel, Türkei, Zypern), wo jährlich über 7'200 Nester gezählt werden. Die größte Kolonie befindet sich auf Zakynthos. Wandernde Tiere wurden bis 70º nördlicher (Murmansk) und 35º südlicher (Rio de la Plata) beobachtet [1; 2].

Lebensraum und Lebensweise

Unechte Karettschildkröten nisten an Sandstränden von Inseln und des Festlands. Nach dem Schlupf begeben sich die Jungtiere, Meeresströmungen folgend, in den offenen Ozean, wo sie sich von Schwebeorganismen, wie marinen Nacktschnecken und Seeblasen (Physalia spp.), ernähren. Nach 4-19 Jahren konzentrieren sich die Halbwüchsigen auf den Kontinentalschelfen, wo sie mehr Nahrung finden und bis zur Geschlechtsreife mit 10-39 Jahren wachsen. Ihre Nahrung besteht hauptsächlich aus Mollusken, Krebstieren, Seeigeln und Quallen. Danach wandern die Tiere beider Geschlechter zwischen ihren Nahrungsgründen und den Nistplätzen hin und her. Die bis zu 6 Stunden dauernden Paarungen finden im Wasser statt. Die Männchen verlassen vermutlich zeitlebens das Wasser nicht. Die Weibchen kommen in Abständen von 2.5–3 Jahren zur Eiablage an Land, wo sie in der Dämmerung oder nachts mit ihren Beinen eine birnförmige Grube ausheben, in welche sie die Eier deponieren. Im Verlauf von 6-8 Wochen produzieren sie mehrere Gelege, von denen jedes meist zwischen 90 und 150 kugelige Eier umfasst, insgesamt meist 400-500 pro Saison [1; 4; 6; 9].

Gefährdung und Schutz

Auf der Roten Liste wurde die Unechte Karettschildkröte seit 1982 als gefährdet geführt. 1996 wurde sie als stark gefährdet angesehen, 2015 aber trotz negativem Populationstrend wieder in die Kategorie "Gefährdet" zurückgestuft. Der Status der einzelnen Subpopulationen ist allerdings sehr unterschiedlich und variiert von "Nicht gefährdet" bis zu "Unmittelbar vom Aussterben bedroht". Die größte Gefahr besteht darin, dass Schildkröten als Beifang in Fischernetze gelangen und ertrinken [1].

Der internationale Handel ist nach CITES-Anhang I eingeschränkt. Die Unechte Karettschildkröte fällt unter Anhang 2 der Berner Konvention über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume und ist ist eine streng zu schützende Tierart nach den Anhängen II und IV der FFH-Richtlinie (92/43/EWG).

Zoogestützte Artenschutzprojekte (Beispiele):

  • Bedingt durch Winterstürme und kalte Meeresströmungen stranden jedes Jahr von März bis Juli zahlreiche junge Meeresschildkröten an der Küste des Westkaps in Südafrika. Zumeist handelt es sich um Unechte Karettschildkröten. Die in Kapstadt ansässige Two Oceans Aquarium Foundation kümmert sich jeweils um die Tiere. 2024 wurden bis Mai bereits rund 600 Schildkröten angespült – mehr als dreimal so viel wie sonst im ganzen Jahr. Aufgrund dieser Situation stieß die Organisation an ihre Grenzen. Die Wilhelma Stuttgart hat daher einen Betrag von rund 20.000 € aus ihrem Nothilfe-Fonds zur Verfügung gestellt, um den Retungsaufwand bis Ende August 2024 zu finanzieren [PM Wilhelma vom 20.06.2024].
  • Von 2008-2015 förderte der Loro Parque Schutzrojekte für die Unechte Karettschilkdkröte durch die Unterstützung einer Auffangstation, Aufklärung der Bevölkerung über die Folgen der Vermüllung der Meere und, seit 2014, ein Zucht- und Auswilderungsprojekt zur Aufstockunge der Bestände mit einem Gesamtbetrag von 115'440 USD. mehr ...
  • Der Zoo Basel unterstützt seit 2016 den Treuhandfonds für Mittelmeer-Schutzgebiete (MedFund) der Fondation Prince Albert II de Monaco, der darauf abzielt, den Unterhalt dieser Meereschutzgebiete zu verbessern und sie zu erweitern. Ein Projekt des MedFund strebt einen effektiveren Schutz der tunesischen Kuriat-Inseln an, auf denen die Unechte Karettschildkröte nistet. Dafür will der MedFund von 2020-2024 insgesamt 350'979 € aufwenden. mehr ...
  • In den Jahren 2015-2017 haben zehn Mitgliedinstitutionen des amerikanischen Zoo- und Aquarienverbands AZA im Rahmen des SAFE Species-Programms 154 Schutzprojekte für Meeresschildkröten mit einem Gesamtbetrag von 12'790'330 USD sowie 28 Forschungsprojekte mit einem Gesamtbetrag von 886'465 USD gefördert. Auf die Unechte Karettschildkröte entfielen 36 Schutz- und 5 Forschungsprojekte  und 1'313'649 USD. mehr ...

Bedeutung für den Menschen

Traditionell wurden hauptsächlich Fleisch, Eier und das Schildpatt, d.h. die (dünnen) Hornplatten des Rückenpanzers genutzt [4]. Der lokale Konsum von Fleisch und Eiern stellt für manche Populationen nach wie vor ein Problem dar. Manche Urlaubsdestinationen nutzen die Art als Werbeträger, wogegen nichts einzuwenden ist, wenn dies mit dem Schutz der Nester verbunden wird. Der heutige internationale Handel ist aufgrund der Einfuhrbeschränkungen durch CITES limitiert. Im Verlauf von vier Jahrzehnten wurde die Einfuhr von nur 757 lebenden Tieren gemeldet. Ferner wurden über 11'000 Eier importiert, hauptsächlich von Spanien für Wiederansiedlungszwecke. Der Handel mit Teilen und Erzeugnissen umfasste jährlich etwas über 1'100 Objekte [3].

Haltung

Die Zucht der Unechten Karettschildkröte gelang z.B. im Miami Seaquarium ab den 1980er und im Port of Nagoya Public Aquarium ab dem 1990er Jahren [5].

Zoopädagogik: Die Unechte Karettschildkröte ist eine gute Botschafter-Art für den Meeresschutz. Manche Populationen sind gefährdet, weil sie wegen touristischer Nutzung oder des durch den Klimawandel bedingten Ansteigens der Meere ihre Nistplätze verlieren. Auch Müll, insbesondere Plasticsäcke, stellt eine Gefahr für Meeresschildkröten dar. Das kann verwendet werden, um auf Verhaltensänderungen der Zoobesucher hinzuwirken.

Haltung in europäischen Zoos und Aquarien: Die Art wird in rund 40 Institutionen gehalten, hauptsächlich in "stand-alone" Aquarien in Frankreich, Spanien und England. Für Details siehe Zootierliste.

Mindestanforderungen an Gehege: Nach Reptiliengutachten 1997 des BMELF soll ein Behälter für eine Kleingruppe mindestens 10x so lang und 5x so breit sein wie die Carapaxlänge. Der Wasserstand soll das Doppelte der Carapaxbreite betragen. Nach Schweizerischer Tierschutzverordnung (Stand 01.02.2024) ist die Haltung genehmigungspflichtig, wobei im Einzelfall geprüft wird, ob die vorgesehenen Einrichtungen eine tiergerechte Haltung erlauben. In der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2024) ist die Art nicht erwähnt.

Taxonomie und Nomenklatur

Die Art wurde bereits 1758 von Carl von LINNÉ als "Testudo caretta" beschrieben. Der Gattungsname Caretta geht auf den hauptsächlich in den USA tätigen Universalgelehrten Constantine Samuel RAFINESQUE zurück. Es sind keine Unterarten anerkannt [7; 8].

301 003 001 001 caretta caretta brest PD1Unechte Karettschildkröte (Caretta caretta) im Océanopolis Brest © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

Literatur und Internetquellen

  1. CASALE, P. & TUCKER, A.D. (2017.) Caretta caretta. (Amended version of 2015 assessment). The IUCN Red List of Threatened Species 2015: http://www.iucnredlist.org/details/3897/0. Downloaded on 05 June 2017.
  2. CITES IDENTIFICATION MANUAL
  3. CITES TRADE DATA BASE
  4. OBST, F. J. (1985)
  5. OWENS, D. W. & BLANVILLAIN, G. (2009)
  6. PATTERSON, R. & BANNISTER, A. (1988)
  7. THE REPTILE DATA BASE
  8. TURTLE TAXONOMY WORKING GROUP (2014)
  9. WILSON, S. & SWAN, G. (2013)