Ziesel (Spermophilus citellus) im Zoo Eberswalde
© Peter Dollinger, Zoo Office Bern
Überordnung: EUARCHONTOGLIRES
Taxon ohne Rang: Nagetiere und Hasen (GLIRES)
Ordnung: Nagetiere (RODENTIA)
Unterordnung: Hörnchenverwandte (Sciuromorpha)
Familie: Hörnchen (Sciuridae)
Unterfamilie: Erdhörnchen (Xerinae)
Tribus: Echte Erdhörnchen (Marmotini)
Ziesel
Spermophilus citellus • The European Souslik • Le souslik d'Europe
- Körperbau und Körperfunktionen
- Verbreitung
- Lebensraum und Lebensweise
- Gefährdung und Schutz
- Bedeutung für den Menschen
- Haltung
- Taxonomie und Nomenklatur
- Literatur und Internetquellen
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Als gefährdete heimische Tierart, für die es auch Wiederansiedlungsprogramme gibt, und als Winterschläfer - während des Winterschlafs sinkt die Körpertemperatur von 37 bis 38°C auf 6 bis 7°C ab - ist der (in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz eher "das") Ziesel von besonderem zoopädagogischem Interesse und wird zunehmend in europäischen Zoos gezeigt. Die ansprechenden, lebhaften und tagaktiven Ziesel sind auch eine Attraktion für die Besucher und können so als Botschafter für die Erhaltung der biologischen Vielfalt der Grasländer dienen. Körperbau und KörperfunktionenAlfred BREHM beschreibt den Europäischen Ziesel als "ein niedliches Thierchen, fast von Hamstergröße, aber mit viel schlankerem Leibe und hübscherem Köpfchen" [2]. Der Ziesel ist ein Erdhörnchen mit kurzem bis mittellangem Schwanz. Er erreicht eine Kopf-Rumpflänge von 174-230 mm, eine Schwanzlänge von 31-90 mm und ein saisonal variierendes Gewicht von ca. 132-380 g. Der Kopf ist relativ klein mit großen, hellgelb eingefassten Augen mit länglich ovaler Puipille und kurzen Ohren. Die Backentaschen sind klein. Der Körper ist langgestreckt, der Schwanz nicht buschig. Die Sohle des Hinterfußes ist bis zu den Schwielen behaart. Der Rücken ist grau bis gelblich-grau mit feiner Sprenkelung. Kinn, Kehle und Bauch sind weißgrau oder hell gelblich-grau. Die Färbung variiert regional etwas. Die Weibchen haben 5 Paar Zitzen, die Männchen sind im Mittel minim größer als die Weibchen [1; 4, 5; 9]. VerbreitungMittel- und Osteuropa: Bulgarien, Deutschland, Griechenland, Kosovo, Moldawien, Nord-Mazedonien, Österreich, Polen, Rumänien, Serbien, Slowakei, Tschechische Republik, Türkei, Ukraine, Ungarn [3]. Lebensraum und LebensweiseZiesel besiedeln Kurzgrassteppen und vergleichbare künstliche Lebensräume wie Weiden, Sportfelder oder Golfplätze. Auf Ackerland fehlen sie, kommen jedoch in Rebbergen vor. Die Höhenverbreitung reicht vom Tiefland bis auf 2'500 m. Die Tiere sind tagaktiv. Sie leben in lockeren Kolonien und bewohnen individuelle, selbst gegrabene Baue mit mehreren Eingängen und einer in 1-2 m Tiefe gelegenen Nestkammer. Sie haben Streifgebiete von 0.1-0.4 ha, die sich mit denen anderer Koloniemitglieder überlappen. Sie sind Allesfresser, die sich von Blättern und anderen zarten grünen Pflanzenteilen (Klee, Löwenzahn, Luzerne), aber auch Getreide, Rüben, Kartoffeln und Kräutersamen sowie von Käfern, Heuschrecken, Raupen und Ameisen ernähren. Von Oktober bis Ende März halten sie einen Winterschlaf [1; 4; 5]. Paarungszeit ist unmittelbar nach dem Erwachen aus dem Winterschlaf. Die Weibchen bringen einmal im Jahr nach einer Tragzeit von 25-26 Tagen im Mittel 4-6 (2-13) Junge. Diese sind bei der Geburt nackt und blind. Sie öffnen die Augen mit 22 Tagen. Mit 30 Tagen werden sie entwöhnt. Im Herbst sind die Jungen ausgewachsen, verlassen den angestammten Bau und graben sich eine eigene Höhle. Im nächsten Frühjahre sind sie fortpflanzungsfähig [2; 5; 7; 9]. Zu den Fressfeinden des Ziesels gehören Hauskatze, Fuchs, Hermelin, Wiesel, Iltis, Steinmarder, Falken, Krähen, Reiher und Großtrappen [2]. Gefährdung und SchutzIm Lauf eines Jahrzehnts hatten die Bestände vermutlich um mehr als 30% abgenommen. Der Ziesel galt daher seit 1996 als gefährdete Tierart, was 2008 überprüft und bestätigt wurde. Da die Bestandsabnahme weiter fortschritt und die Zukunftsaussichten schlecht sind, wurde er 2020 als stark gefährdet eingestuft (Rote Liste: ENDANGERED) [3]. Der internationale Handel wird durch CITES nicht geregelt. Der Ziesel fällt unter die Anhänge II und IV der FFH-Richtlinie (92/43/EWG) und ist eine streng geschützte Tierart nach Anhang II des Berner Übereinkommens. Situation in Mitteleuropa: Bis vor einigen Jahrzehnten waren Ziesel eine vertraute Erscheinung in den ehemals ausgedehnten Hutweiden und Steppenrasen Ostösterreichs und Ungarns. Heute sind sie selten geworden, weil viele Trockenwiesen in Ackerland umgewandelt, aufgeforstet oder überbaut wurden, und den Tieren damit der Lebensraum genommen worden ist. Um die letzten Vorkommen der Ziesel zu schützen, hat der niederösterreichische Naturschutzbund eine Zieselzählung ins Leben gerufen und die Bevölkerung aufgerufen, mitzumachen [6]. In Deutschland sind die Ziesel wahrscheinlich um das Jahr 1961 ausgestorben. Zuletzt kamen sie in der Sächsischen Schweiz (damalige DDR) nahe der tschechischen Grenze vor. Ab 2006 wurde versucht sie dort, im Ost-Erzgebirge in der Nähe von Geising, wieder anzusiedeln. Ein Projektpartner war der Heimattiergarten Riesa [Sächsische Zeitung vom 2.11.2016]. Von Schutzmassnahmen für Ziesel profitieren auch zahlreiche gefährdete Arten, die in der Nahrungskette weiter oben stehen, denn der Ziesel ist für eine Reihe von Steppenbewohnern, wie Kaiseradler, Sakerfalke oder Steppeniltis, ein wichtiges Beutetier. Mit dem großflächigen Rückgang der Zieselbestände ist für diese Arten ein zusätzliches Gefährdungsmoment entstanden. Zoogestützte Artenschutzprojekte (Beispiele):
Bedeutung für den MenschenWo Ziesel sich sehr stark vermehren, werden sie als landwirtschaftliche Schädlinge wahrgenommen. Da sie sehr rasch zahm werden, wurden sie früher öfter als Heimtiere gehalten. Im weiteren äußert sich BREHM [2] wie folgt zur Nutzung der Ziesel: "Außer den Sibiriern und Zigeunern essen bloß arme Leute das Fleisch des Ziesels, obgleich es nach den Erfahrungen von Herklotz vortrefflich, und zwar ungefähr wie Hühnerfleisch schmeckt. Auch das Fell findet nur eine geringe Benutzung zu Unterfutter, zu Verbrämungen oder zu Geld- und Tabaksbeuteln. Dagegen werden die Eingeweide als Heilmittel vielfach angewendet, selbstverständlich ohne den geringsten Erfolg." Heute werden Ziesel am ehesten noch von Sinti und Roma gegessen [3]. HaltungIm Tiergarten Nürnberg werden die Ziesel gemeinsam mit Steinhühnern, Perleidechsen, Scheltopusik und Schildkröten gehalten, im Heimattiergarten Schönebeck zusammen mit Buschhörnchen (Paraxerus cepapi), im Wildpark Osterzgebirge zusammen mit Rotwild. Nach schlechten Erfahrungen im Tierpark Bern sollten die Anlagen tunlichst iltissicher sein. Auch Krähen können für Verluste sorgen. WEIGL gibt als Altersrekord 6 Jahre und 8 Monate für drei im Zoo Leipzig noch lebende Ziesel an [8]. Haltung in europäischen Zoos: Die Art wird in gegen 40 Zoos gehalten, von denen sich etwa die Hälfte im deutschsprachigen Raum befinden. Für Details siehe Zootierliste. Wie Europäische Ziesel gehalten werden (Beispiel):
Mindestanforderungen an Gehege: Nach Säugetiergutachten 2014 des BMEL soll die Grundfläche des Geheges für 2 Tiere soll 4 m² nicht unterschreiten. Für jedes weitere Tier kommt 1 m² zur Basisfläche dazu. Die Tiere müssen sich eingraben können. Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2024) schreibt für bis zu 5 Tiere ein Gehege vor, dessen Grundfläche 20 m² misst. Angaben für zusätzliche Tier fehlen. Es muss eine Grabschicht von 80 cm Tiefe vorhanden sein Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2024) ist für bis zu 5 Tieren eine Fläche von 40 m² erforderlich, für jedes weitere Tier ist die Fläche um 4 m² zu vergrößern. Die Anlage muss mit Naturboden, der zum Graben von Höhlen geeignet ist, ausgestattet sein. Die Tiere sind in Familien oder Kolonien zu halten. Die Möglichkeit zur Überwinterung in einem frostfreien Überwinterungsquartier in Form eines Natur- oder Kunstbaues, muss gegeben sein. Taxonomie und NomenklaturDer Ziesel wurde 1766 durch Carl von LINNÉ als "Mus citellus" erstmals wissenschaftlich beschrieben. 1816 ordnete es der aus der Ortenau stammenden, nachmaligen Rektor der Universität Zürich, Lorenz OKEN, im Rahmen seines Lehrbuchs der Zoologie in die Gattung Citellus ein. Dieser Name wurde von der Internationalen Nomenklaturkommission 1956 kassiert, weil er nicht der Linnéischen Nomenklatur entsprach. Der heute gültige Gattungsname Spermophilus wurde 1825 von dem französischen Zoologen Frédéric CUVIER eingeführt. Es wurden bis zu 8 Unterarten beschrieben, aber die Unterschiede sind minimal und die Gültigkeit von Unterarten wird deshalb angezweifelt [9]. "Ziesel" ist ein Lehnwort aus dem Slawischen. Auf Russisch lautet die Bezeichnung "Suslik", auf Polnisch "Susel", auf Tschechisch "Sysel" [2]. |
Literatur und Internetquellen
- ANIMAL DIVERSITY WEB
- BREHM, A. E. (1882-1887)
- HEGYELI, Z. (2020). Spermophilus citellus. The IUCN Red List of Threatened Species 2020: e.T20472A91282380. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2020-2.RLTS.T20472A91282380.en . Downloaded on 14 July 2020.
- FREYE, H.-A. in GRZIMEK, B. (Hrsg. 1970)
- GRIMMBERGER & RUDLOFF (2009)
- NATURSCHUTZBUND NIEDERÖSTERREICH
- PUSCHMANN, W., ZSCHEILE, D., & ZSCHEILE, K. (2009)
- WEIGL, R. (2005)
- WILSON, D.E. & REEDER, D. M. (2005)
- OPEL-ZOO, PRESSEMITTEILUNGEN vom 17.07.2020, 22.07.21 und 21.07.2022
- FORSCHEN - HANDELN - ERHALTEN (2019)
- MATĚJŮ, J., ŘÍČANOVÁ, S., POLÁKOVÁ, S., AMBROS, M., KALA, B., MATĚJŮ, K. & KRATOCHVÍL, L. (2012)
- TIERWELT vom 05.06.2015