Beuteltiere - Allgemeines

Koala (Phascolarctos cinereus) im Currumbin Wildlife Sanctuary, Queensland
© Peter Dollinger, Zoo Office Bern

Klasse: Säugetiere (Mammalia)
Unterklasse: Beutelsäuger (Metatheria)
oder:

Beuteltiere

Marsupialia • The Marsupials • Les marsupiaux

102 011 000 000 geripp wombat„Geripp des Wombat“ aus BREHMs Thierleben (1882-1887)

102 012 012 001 megaleia rufa cabreraSchädel eines Roten Riesenkängurus (Macropus (O),) rufus. Illustration aus CABRERA, A. (1919) Genera Mammalium - Monotremata - Marsupialia. Madrid. Gemeinfrei.

102 012 011 000 macropus joey PD1Neugeborenes Riesenkänguru (Macropus sp.) @ Peter Dollinger, Zoo Office Bern 
102 002 008 001 myrmecobius fasciatus clelandWP PD1Der Ameisenbeutler (Myrmecobius fasciatus) übernimmt in Australien die ökologische Funktion der altweltlichen Schuppentiere. Cleland Conservation Park, Südaustralien @ Peter Dollinger, Zoo Office Bern

102 012 011 000 macropus joey QuoraNoch wenig entwickeltes Känguru-Jungtier im Beutel seiner Mutter. Bild: Kaiyi Liu, Singapur auf https://www.quora.com

102 012 011 006 macropus fuliginosus urimbirra PD5Suchen weit entwickelte junge Riesenkängurus Zuflucht, steigen sie Kopf voran in den Beutel ihrer Mutter; Urimbirra Wildlife Park, Südaustralien @ Peter Dollinger, Zoo Office Bern

102 011 002 001 vombatus ursinus Wonderland PD1In vielen australischen Tierparks wird ein sehr enger Kontakt mit Kängurus aller Art, Wombats und Koalas ermöglicht, einschließlich Streicheln, Herumtragen und Füttern der Tiere. In Europa gibt es bestenfalls mit Wallabies besetzte „Walk-thru“-Gehege mit Fütterungsverboten @ Peter Dollinger, Zoo Office Bern

102 010 001 001 phascolarctos cinereus beutel taronga PD2Auch bei der Handaufzucht werden junge Beuteltiere in einem Beutel versorgt, hier ein Koala (Phascolarctos cinereus) im Taronga Zoo, Sydney © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

102 012 011 007 macropus giganteus f krefeld PD2Östliches Graues Riesenkänguru (Macropus giganteus) im Krefelder Zoo © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

102 012 003 001 caloprymnus campestris GouldDas Nacktbrust-Rattenkänguru (Caloprymnus campestris) wurde 1843 beschrieben und 1935 letztmals mit Sicherheit nachgewiesen. Unbestätigte Sichtungen gab es noch in den 1950er- und 70er-Jahren. Bild aus John GOULD (1863) The Mammals of Australia (Public domain)

102 012 003 001 caloprymnus campestris GouldDas Östliches Hasenkänguru (Lagorchestes leporides) wurde 1841 beschrieben und starb 1890 aus. Bild aus John GOULD (1863) The Mammals of Australia (Public domain)

Die Beuteltiere gebären Junge, die sich noch in einem embryonalen Zustand befinden und nach der Geburt in einem Bauchbeutel fertig ausgetragen werden. Ihre Wege und die der Höheren Säugetiere haben sich zu Ende der Jurazeit – vor rund 150 Millionen Jahren - getrennt. In der nachfolgenden Evolution kam es zu zahlreichen konvergenten Entwicklungen bei den beiden Tiergruppen, z.B: Mäuse / Beutelmäuse, Goldmulle / Beutelmulle, Marder / Beutelmarder, Dachse / Beuteldachse, Wölfe / Beutelwölfe, Gleithörnchen / Gleitbeutler.

Artenspektrum und innere Systematik

Heute werden die 349 gegenwärtig anerkannten rezenten Arten wie folgt auf sieben Ordnungen verteilt [2; 4]:

  • Ordnung Beutelratten (Didelphimorphia): 1 Familie mit 18 Gattungen mit 98 Arten
  • Ordnung Mausopossums (Paucituberculata): 1 Familie mit 3 Gattungen mit 7 Arten
  • Ordnung Chiloé-Beutelratten (Microbiotheria) 1 Art
  • Ordnung Beutelmulle (Notoryctemorphia): 1 Familie mit 1 Gattung mit 2 Arten
  • Ordnung Raubbeutlerartige (Dasyuromorphia): 2 Familien mit 18 Gattungen mit 72 Arten
  • Ordnung Nasenbeutler (Peramelemorphia): 2 Familien mit 7 Gattungen mit 22 Arten
  • Ordnung Känguru-Verwandte (Diprotodontia): 11 Familien mit 40 Gattungen mit 147 Arten

13 Arten sind seit der Besiedlung Australiens durch die Europäer ausgestorben, 11 davon im Lauf des 20. Jahrhunderts. Eine davon, der Beutelwolf (Thylacinus cynocephalus), repräsentierte eine eigene Familie. Bei den übrigen handelt es sich um 5 Kängurus, 3 Rattenkängurus, 3 Nasenbeutler sowie ein Opossum aus Argentinien [2]:

  • Chaco-Schmalbeutelratte (Cryptonanus ignitus): † 1962. Argentinien. Der gesamte Lebensraum der Art wurde in Agrar- und Industrieland umgewandelt.
  • Schweinsfuß-Nasenbeutler (Chaeropus ecaudatus): † 1901 (Sichtungen durch Ureinwohner bis ca. 1950). Australien. Prädation durch Hauskatze und Rotfuchs.
  • Kleiner Kaninchennasenbeutler (Macrotis leucura): † 1960er Jahre. Australien. Prädation durch Hauskatze und Rotfuchs.
  • Wüsten-Langnasenbeutler (Perameles eremiana): † 1943 (nach Berichten von Ureinwohnern bis 1960er Jahre). Australien. Prädation durch Hauskatze und Rotfuchs. Buschfeuer.
  • Beutelwolf (Thylacinus cynocephalus): † 1936. Tasmanien. Verfolgung als Schafräuber. Auf dem Festland schon vor 2'000 Jahren ausgestorben.
  • Nacktbrustkänguru (Caloprymnus campestris): † 1935 (unbestätigte Sichtungen bis 2011). Australien. Prädation durch Rotfuchs und Hauskatze.
  • Zentralaustralisches Hasenkänguru (Lagorchestes asomatus): † 1932. Australien Prädation durch Rotfuchs und Hauskatze, Buschfeuer.
  • Östliches Hasenkänguru (Lagorchestes leporides): † 1890. Australien. Zerstörung des Lebensraums durch Weidebetrieb mit Schafen und Rindern.
  • Östliches Irmawallaby (Notamacropus greyi): † 1924. Australien. Umwandlung des Lebensraums in Agrarland, Prädation durch Rotfuchs, Bejagung.
  • Mondnagelkänguru (Onychogalea lunata): † 1940/50er Jahre. Australien. Weidekonkurrenz durch Wildkaninchen und Nutzvieh, Prädation durch Rotfuchs, eventuell Infektionskrankheit.
  • Wüsten-Bürstenrattenkänguru (Bettongia anhydra): † 1933, ev. 1950/60er Jahre. Australien. Prädation durch Rotfuchs und Hauskatze, Buschfeuer.
  • Nullarbor-Bürstenkänguru (Bettongia pusilla): † 17./18. Jhdt.; Australien. Ursache unbekannt.
  • Breitkopfkänguru (Potorous platyops): † Ende 19. Jhdt.; Australien. Prädation durch Hauskatze, Buschfeuer, ev. Infektionskrankheit

Nach Roter Liste der IUCN gelten 17 der noch lebenden Arten als vom Aussterben bedroht (CRITICALLY ENDANGERED), 22 als stark gefährdet (ENDANGERED), 43 als gefährdet (VULNERABLE) und 41 als potenziell gefährdet (NEAR THREATENED). 194 sind nicht gefährdet (LEAST CONCERN) und 19 können mangels Daten nicht eingestuft werden [2].

Körperbau und Körperfunktionen

Das Skelett der Beuteltiere ist säugetiertypisch. Das Rabenbein (Coracoid) ist zwar embryonal angelegt, verschmilzt dann aber mit dem Schulterblatt. In der Regel sind Schlüsselbeine vorhanden. Als Besonderheit ist bei beiden Geschlechtern in der Gegend des Schambeins ein Paar Beutelknochen (Ossa marsupialia) ausgebildet.

Die Körpertemperatur ist mit 34-36°C höher als die der Kloakentiere, aber liegt unter jener der Höheren Säugetiere. Das Gehirn der Beuteltiere ist klein und einfach gebaut, die Großhirnhemisphären sind praktisch ungefurcht und überlappen das Kleinhirn nicht. Gut ausgebildet ist das Riechhirn.

Das Gebiss kann eine sehr hohe Zahnzahl enthalten (bis 56). Außer beim 4. Prämolaren bricht nur eine Zahngeneration durch.

Enddarm und Vaginalöffnungen münden in eine von einem Ringmuskel umgebene Kloakentasche, ebenso die Harnröhre, sofern sie nicht bei männlichen Tieren an der Basis des Penis mündet. Der ausschließlich samenführende Penis liegt in einer Penistasche und zwar, anders als bei den Höheren Säugetieren, nicht vor, sondern hinter dem Scrotum. Der weibliche Geschlechtsapparat ist mit unterschiedlichem Verwachsungsgrad paarig ausgebildet. Außer bei den Beuteldachsen wird keine Plazenta ausgebildet, die bis zu 11 Embryonen werden von Ausscheidungen der Gebärmutterschleimhaut ernährt.

Die Brutbeutel der Weibchen sind je nach Art sehr unterschiedlich. Die Zitzen sind sehr lang, damit sich die Neubegorenen an ihnen festsaugen können, vielfach kommt es zu einer sekundären Verwachsung von Jungem und Zitze. Die Jungen verlassen nach einer kurzen Tragzeit von 8-42 Tagen die Gebärmutter und werden danach im Brutbeutel untergebracht, den sie erst nach einer längeren Beuteltragzeit von bis zu 250 Tagen verlassen [1; 5].

Verbreitung

Südamerika und von dort Ausbreitung einiger Arten nach Mittel- und Nordamerika; Australien, Neuguinea, Indonesien östlich der Wallace-Linie, Salomonen.

Haltung im Zoo

In europäischen Zoos sind die Beuteltiere mit gegen 40 Arten relativ schwach vertreten und manche Familien (bzw. Ordnungen) fehlen ganz. Das hängt damit zusammen, dass einerseits die Ausfuhr aus Australien sehr restriktiv geregelt ist, andererseits viele Arten klein und nachtaktiv sind und somit dem Publikum in Zoos nur präsentiert werden können, wenn diese über ein Nachttierhaus verfügen. Gegen die Hälfte der gezeigten Arten sind Kängurus (Macropodidae), die übrigen verteilen sich auf 9 Familien.

Die in Europa mit Abstand häufigste Art ist das Bennettkänguru (Macropus rufogriseus), das in rund 540 Zoos gezeigt wird, mit Abstand gefolgt vom Roten Riesenkänguru (Macropus rufus)  und dem Parmakänguru (Macropus parma) mit jeweils gegen 90 Haltungen [6].

Taxonomie und Nomenklatur

Beuteltiere waren im Erdmittelalter und in der frühen Erdneuzeit in Nordamerika, Eurasien, Mittel- und Südamerika, der Antarktis und Afrika weit verbreitet, wurden aber bis auf die Beutelratten und Beutelmäuse in Nord- Mittel und Südamerika überall von den Höheen Säugetieren verdrängt oder wurden Opfer des Klimawandels. Nach Australien, wo wir heute die größte Artenvielfalt haben, gelangten sie, von Südamerika her,  erst im Eozän, d. h. vor rund 50 Millionen Jahren [1].

Die Beutelsäuger werden als Unterklasse den Ursäugern und Höheren Säugetieren gegenüber gestellt. Früher wurden alle Beuteltiere in einer einzigen Ordnung zusammengefasst [1; 3]. HALTENORTH unterteilte 1969 die Unterklasse in mehrere Ordnungen, was in Analogie zu den Verhältnissen bei den Höheren Säugetieren durchaus gerechtfertigt ist und bis heute Bestand hat [4; 5].

102 012 011 007 macropus giganteus f krefeld PD2Flinkwallaby (Notamacropus agilis) mit Jungtier im Kangaroo Island Wildlife Park, Parndana, Südaustralien© Peter Dollinger, Zoo Office Bern

Literatur und Internetquellen

  1. GRZIMEK, B. (1970). In GRZIMEKs TIERLEBEN
  2. IUCN Red List of Threatened Species. Version 2022-2. Downloaded on 6 January 2023.
  3. SIMPSON, G. G. (1945)
  4. WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
  5. ZISWILER, V. (1976)
  6. ZOOTIERLISTE