Saigabock (Saiga t. tatarica) im Tierpark Berlin
© Klaus Rudloff, Berlin
Überordnung: LAURASIATHERIA
Taxon ohne Rang: CETARTIODACTYLA
Ordnung: Paarzeher (ARTIODACTYLA)
Unterordnung: Wiederkäuer (Ruminantia)
Familie: Hornträger (Bovidae)
Unterfamilie: Gazellenartige (Antilopinae)
Tribus: Saigas (Saigini)
Saiga
Saiga tatarica • The Saiga Antelope • La saïga
- Körperbau und Körperfunktionen
- Verbreitung
- Lebensraum und Lebensweise
- Gefährdung und Schutz
- Bedeutung für den Menschen
- Haltung
- Taxonomie und Nomenklatur
- Literatur und Internetquellen
Weitere Bilder auf BioLib.cz |
Die Saiga ist als hochbedrohte Art, europäisches Faunenelement und wegen ihrer anatomischen Besonderheiten für Zoos aus zoopädagogischen Gründen und als Botschafter für den Schutz der eurasischen Grasländer von hohem Interesse. Andererseits ist eine nachhaltige Haltung und Zucht schwierig, sodass gegenwärtig [2023] außerhalb der Nachfolgestaaten der Sowjetunion in Europa keine Saigas gezeigt werden. Körperbau und KörperfunktionenDie Saiga ist eine schafähnliche Antilope mit dünnen Beinen, kurzem, unterseits nacktem Schwanz, großem Kopf, dessen Nase einen kurzen, beweglichen Rüssel bildet, kurzen, abgerundeten Ohren und großen dunkelbraunen Augen. Sie verfügt über Interdigitaldrüsen an Vorder- und Hinterfüßen, Carpaldrüsen ("Kniebürsten"), Leistendrüsen und Voraugendrüsen. Die Böcke tragen ein halb durchsichtiges, leierförmige Gehörn, die Ricken haben vier Zitzen und sind in der Regel ungehörnt. Adulte Böcke weisen im Mittel eine Kopf-Rumpflänge von 132 (108-146) cm, eine Widerristhöhe von 73 cm, eine Schwanzlänge von 10 cm und ein Körpergewicht von 43 (30-60) kg auf. Die Ricken sind mit einer Kopf-Rumpflänge von 90-100 cm und einem Gewicht von 21-40 kg sind etwas kleiner und leichter [1; 5; 13]. In seiner sehr detaillierten Beschreibung der Saiga schreibt Altvater BREHM [3]: "Von allen bekannten Antilopen weicht die Saiga durch wesentliche Eigenthümlichkeiten so erheblich ab, daß man sie mit Fug und Recht als Vertreter einer besonderen Sippe ansieht. Sie erinnert in Gestalt und Wesen an das Schaf, in gewisser Beziehung aber auch wieder an das Ren. Ihre Gestalt ist sehr plump, der Leib dick und gedrungen, auch verhältnismäßig niedrig gestellt, da die Läufe wohl schlank, aber nicht hoch sind, das Fell außerordentlich langhaarig und so dicht, daß es eine glattwollig erscheinende Decke bildet. Mehr als durch jedes andere Merkmal aber zeichnet sich die Saiga durch die Gestaltung ihrer Schnauze und insbesondere durch die Bildung ihrer Nase aus. Die Schnauze ragt über die Kinnlade vor, ist von der Stirn an zusammengedrückt, durch eine Längsfurche getheilt, knorpelhäutig, in Runzeln zusammenziehbar und deshalb sehr beweglich, an der abgestutzten Spitze von runden, am Rande behaarten, in der Mitte nackten Nasenlöchern durchbohrt, so daß das Ganze einen förmlichen Rüssel bildet und man deshalb der Gruppe den Namen "Rüsselantilopen" geben könnte." VerbreitungEurasien:
Lebensraum und LebensweiseDie Saiga ist ein nomadisch lebender Bewohner trockener Steppen, Halbwüsten und Salzkrautsteppen. Geweidet wird überwiegend am Tag. Aufden Wanderungen sind die Tiere in großen Herden tagsüber und während der Nacht unterwegs. Ihre Nahrung besteht aus Steppengräsern, Zwergsträuchern, Kräutern und Halophyten. Erwachsene Böcke sind während der Brunft territorial und versammeln einen Harem von bis zu 30 Ricken um sich [5; 8; 13]. Nach einer Trächtigkeitsdauer von 139-152 Tagen wird ein einzelnes Kitz oder werden Zwillinge mit einem Gewicht von etwa 2.2-3.8 kg kg geboren. Diese sind Ablieger, die von der Mutter anfänglich nur 2-3 mal pro Tag zum Säugen aufgesucht werden. Ricken werden mit 7-8 Monaten, Böcke mit ca. 19 Monaten geschlechtsreif [9; 13]. Gefährdung und SchutzUm 1970 gab es rund 2 Millionen Kasachische Saigas. Als Folge unkontrollierter Jagd sanken die Bestände auf etwas über 20'000 zu Beginn dieses Jahrtausends. Seit 2002 wird die Saiga daher in der Roten Liste der IUCN als unmittelbat vom Aussterben bedroht (Rote Liste: CRITICALLY ENDANGERED) geführt. Eine Überprüfung im Jahr 2018 ergab, dass sich bei einem geschätzten Bestand von etwa 160'000 die Situation deutlich gebessert hat, eine Änderung der Gefährdungskategorie wurde jedoch für die Art noch nicht vorgenommen. Die Mongolische Saiga war noch schlechter dran. Um 1980 gab es nur noch 200-300 Stück. Dank Schutzmaßahmen nahm die Population bis 2016 auf rund 11'000 Individuen zu. Dann fiel über die Hälfte des Bestands der von einem Morbilli-Virus verursachten Pest der kleinen Wiederkäuer zum Opfer. 2018 wurde der Bestand auf 5'000 Individuen geschätzt und als stark gefährdet (ENDANGERED) beurteilt [8]. Der internationale Handel ist nach CITES Anhang II geregelt, ferner ist die Art nach Anhang II des Bonner Übereinkommens über wandernde Tierarten und in diesem Rahmen abgeschlossene Vereinbarungen geschützt [2]. Die Einfuhr lebender Tiere aus den Ursprungsländern ist wegen der restriktiven Veterinärbestimmungen der EU schwierig. Wie bei andern herdenlebenden Steppentieren auch, gibt es bei der Saiga starke Bestandesschwankungen, bedingt durch die klimatische Verhältnisse oder Seuchenausbrüche etc., die aber meist rasch wieder kompensiert werden können. Zudem sind solche Arten besonders anfällig für Arealverluste, verursacht durch menschliche Aktivitäten, wie der Umwandlung der Steppe in Agrarland oder das Ziehen von Zäunen zur Beweidung durch Haustiere, und können durch nicht-nachhaltige Jagd sehr rasch massiv dezimiert werden. Bei der Saiga kam es ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer starken Arealeinschränkung und einem massiven Bestandseinbruch. Um 1930 waren in Kasachstan und westlich der Wolga in der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik nur noch je einige Hundert Tiere übrig geblieben, in der Dsungarei einige Dutzend. Durch gesetzlichen Schutz ab 1923 mit späterer kontrollierter Bejagung erholten sich die Bestände deutlich und erreichten um 1960 westlich der Wolga wieder 400'000, östlich davon rund 1.5 Millionen Tiere. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion kollabierten die Bestände erneut und haben sich seitdem nicht mehr erholt [12]. Ein Grund für die zunehmende Wilderei liegt darin, dass Saigahörner als Cornu antilopis in der orientalischen Medizin sehr gesucht sind, wo sie, ähnlich wie Nashorn-Horn, als Grundlage für angeblich fiebersenkende Mittel dienen [8]. Da selektiv Böcke geschossen wurden, resultierte ein sehr starkes Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern und viele Ricken blieben ohne Nachkommen, was den Niedergang der Art beschleunigte. Von 1994-2017 wurde die Ausfuhr von, nebst anderen Produkten, rund 65 Tonnen Hörnern registriert. Diese kamen hauptsächlich aus Kasachstan und Russland. Im selben Zeitraum wurden 146 lebende Wildfänge exportiert, 76 nach Polen und 70 nach China. Ferner wurde weltweit die Ausfuhr von 43 Nachzuchttieren gemeldet [4]. HaltungAls Altersrekorde gibt WEIGL für einen in einem japanischen Zoo gehaltenen Wildfang-Bock ca. 10 Jahre und 6 Monate und für eine Kölner Nachzucht-Ricke 10 Jahre an [11]. Haltung in europäischen Zoos: Saigas wurden bereits in den 1860erJahren in Europa gezeigt und die Liste der Zoos, die sich in der Haltung versucht haben ist ziemlich lang. Einzelne Zoos hatten beachtliche Haltungsdauern und Zuchterfolge zu verzeichnen, etwa der Kölner Zoo, der von 1976 bis 2009 Saigas hielt und ab 1978 regelmäßig züchtete [10; 14]. In den meisten Fällen gab die Art aber nur relativ kurze Gastspiele. Heute (2023) gibt es außerhalb von Staaten der ehemaligen Sowjetunion in Europa keine Saigas mehr, darunter allerdings über 500 Tiere in Askaniya Nova im derzeit russisch besetzten Teil der Ukraine. Für Details siehe Zootierliste. Forschung im Zoo: Vieles was wir über Lebensweise, Fortflanzung und Verhalten der Saiga wissen wurde an den Tieren gewonnen, die von 1976-2009 im Kölner Zoo gehalten und gezüchtet wurden [10; 14]. Mindestanforderungen an Gehege: Nach Säugetiergutachten 2014 des BMEL soll für bis zu 5 Tieren ein Gehege von mindestens 200 m² zur Verfügung stehen. Für jedes weitere Tier kommen 20 m² zur Basisfläche dazu. Zudem wird sind trockene Unterstände vorgegeben, die allen Tieren gleichzeitig Unterschlupf bieten. Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2022) schreibt für bis zu 6 Tieren ein Gehege mit Trenn- oder Absperrmöglichkeit vor, dessen Grundfläche 500 m² misst. Für jedes weitere Tier kommen 50 m² zur Basisfläche dazu. Ferner sind natürliche oder künstliche Unterstände erforderlich, die allen Tieren gleichzeitig Platz bieten. Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2023) ist für 1-5 Tiere ein Außengehege von 500 m² erforderlich, für jedes weitere 50 m² mehr. Ferner sind Unterstände zum Schutz gegen Witterungsverhältnisse so einzurichten, dass bei Bedarf alle Tiere gleichzeitig Unterschlupf finden können. Die Haltung hat in Gruppen mit einem erwachsenen Männchen, mehreren Weibchen und deren Nachwuchs zu erfolgen. Taxonomie und NomenklaturDie Saiga wurde 1766 von Carl von LINNÉ unter dem Namen "Capra tatarica" erstmals wissenschaftlich beschrieben. 1843 stellte sie John Edward GRAY vom British Museum in London in die heute gültige Gattung Saiga. Es werden zwei Unterarten differenziert:
Die Gattung Saiga wird von manchen Autoren in ein eigenes Tribus gestellt, nach andern gehört sie zu den Antilopini. Ebenfalls unterschiedliche Ansichten herrschen auf Artniveau, wo je nach Autor von einer Art ausgegangen wird oder deren zwei unterschieden werden. Entsprechend der Roten Liste der IUCN wird die Saiga hier als eine Art mit zwei Unterarten behandelt [1; 6; 8; 13]. |
Literatur und Internetquellen
- BANNIKOV, A.G. (1963)
- BONNER KONVENTION (CMS)
- BREHM, A. E. (1882-1887)
- CITES TRADE DATA BASE
- GRIMMBERGER, E. & RUDLOFF, K. (2009)
- GROVES, C.P. & GRUBB, P. (2011)
- GRZIMEK, B. (Hrsg. 1970)
- IUCN SSC ANTELOPE SPECIALIST GROUP (2018). Saiga tatarica. The IUCN Red List of Threatened Species 2018: e.T19832A50194357. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2018-2.RLTS.T19832A50194357.en und
IUCN SSC ANTELOPE SPECIALIST GROUP (2018). Saiga tatarica ssp. mongolica. The IUCN Red List of Threatened Species 2018: e.T19833A50194613. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2018-2.RLTS.T19833A50194613.en . Accessed on 09 January 2023. - PUSCHMANN, W., ZSCHEILE, D., & ZSCHEILE, K. (2009)
- RDUCH, V., ZIMMERMANN, W., VOGEL, K.-H., LADENER, H. & SLIWA, A. (2016)
- WEIGL, R. (2005)
- WILDLIFE CONSERVATION SOCIETY (WCS)
- WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
- ZIMMERMANN, W. (1980)
Weiter zu Schaf- und Ziegenartige - Übersicht