Gaur

Gaurkuh (Bos gaurus) im Zoo Berlin
© Peter Dollinger, Zoo Office Bern

Überordnung: LAURASIATHERIA
Taxon ohne Rang: CETARTIODACTYLA
Ordnung: Paarzeher (ARTIODACTYLA)
Unterordnung: Wiederkäuer (Ruminantia)
Unterfamilie: Echte Rinder (Bovinae)
Tribus: Rinder i. e. S. (Bovini)

D VU 650

EEPGaur

Bos (Bibos) gaurus • The Gaur • Le gaur ou seladang

119 009 002 001 bos gaurus negara PD1Hinterindischer Gaur (Bos gaurus laosiensis) im Zoo Negara, Kuala Lumpur © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 002 001 bos gaurus mapApproximative Verbreitung des Gaur (Bos gaurus)

119 009 002 001  bos gaurus berlin zooGaur-Kalb (Bos g. gaurus) im Zoo Berlin © Zoo Berlin (Pressefoto)

119 009 002 001 bos gaurus KKOZ PD2Hinterindischer Gaurbulle (Bos g. laosiensis) im Khao Kheow Open Zoo, Chonburi, Thailand © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 002 001 bos gaurus berlin KRVorderindischer Gaurbulle (Bos gaurus gaurus) flehmend im Zoo Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

119 009 002 001 bos gaurus BER wDreier1Vorderindischer Gaurbulle (Bos gaurus gaurus) im Zoo Berlin © Wolfgang Dreier, Berlin

119 009 002 001 bos gaurus MUC KR1Vorderindische Gaurkuh (Bos g. gaurus) im Tierpark Hellabrunn. Man beachte das Winterfell! © Klaus Rudloff, Berlin

119 009 002 001 bos gaurus SanDiego KR1Vorderindische Gaurkuh (Bos g. gaurus) im San Diego Zoo Safari Park © Klaus Rudloff, Berlin

119 009 002 001 bos gaurus taiping PD1Hinterindisches Gaur-Paar (Bos gaurus laosiensis) im Taiping Zoo, Malaysia © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 002 001 bos gaurus taiping PD2Hinterindischer Gaur-Bulle (Bos gaurus laosiensis) im Taiping Zoo, Malaysia © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 002 001 bos gaurus taiping PD3Hintgerindisches Gaur-Kuh (Bos gaurus laosiensis) im Taiping Zoo, Malaysia © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 002 001 bos gaurus whipsnade KR1Vorderindischer Gaur-Bulle (Bos g. gaurus) im Whipsnade Wild Animal Park © Klaus Rudloff, Berlin

119 009 002 001 bos gaurus Hann72 PD1Vorderindisches Gaur-Trio (Bos g. gaurus) im Zoo Hannover im Jahr 1972 © Peter Dollinger, Zoo Office Berlin

 

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Der in seiner Heimat gefährdete und in vielen Gebieten bereits ausgerottete Gaur ist nebst dem Wildyak das größte Wildrind und somit ein imposanter Botschafter für Natur- und Artenschutzanliegen in Süd- und Südostasien. Als Stammform einer Haustierart ist er auch zoopädagogisch interessant. Obwohl seine Haltung durch ein internationales Zuchtbuch und ein europäisches Zuchtprogramm gefördert wird, ist er in unseren Zoos nur selten zu sehen.

Körperbau und Körperfunktionen

Mit einer Kopf-Rumpflänge bis zu 330 cm, einer Schwanzlänge von 80 (70-105) cm, einer Schulterhöhe von 165-213, gelegentlich bis zu 220 cm und einem Gewicht von bis zu einer Tonne ist der Gaurbulle eine imposante Erscheinung und vermutlich das größte Wildrind, wobei die Bullen des Wildyaks in etwa in der gleichen Kategorie spielen.

Es besteht ein deutlicher Geschlechtsdimorphismus. Die Bullen haben eine zweiteilige Wamme an Kinn und Hals, einen hohen, durch verlängerte Dornfortsätze der Brustwirbel gestützten Buckel über dem Widerrist und mächtige Muskeln im Schulterbereich. Ihre an der Basis durch einen hohen, wulstartigen Stirnkamm verbundenen Hörner sind bis 115 cm lang und der Abstand zwischen den Hornspitzen kann bis 120 cm betragen. Die Kühe sind deutlich kleiner. Sie haben kleinere Hörner, die Grundfarbe ihres Fells ist dunkelbraun, jene der Bullen schwarzglänzend. Beide Geschlechter haben weiße Stiefel. Ein Spiegel wie beim Banteng ist nicht vorhanden [1; 3; 6].

Verbreitung

Süd- und Südostasien: Bangladesch, Bhutan, Kambodscha, China, Indien, Laos, Malaysia, Myanmar, Nepal, Thailand, Vietnam [2].

Lebensraum und Lebensweise

Der Gaur besiedelt immergrüne, teilweise laubabwerfende und feuchte laubabwerfende Wälder mit offenem Wasser und möglichst geringer Störung durch den Menschen. Die Höhenverbreitung reicht vom Meeresspiegel bis auf 2’800 m, wobei die tieferen Lagen bevorzugt werden. Zum Äsen gehen die Tiere auch auf Kaffeeplantagen, Agrarland und in Forste. Gaure sind sowohl Gras- als auch Laubäser. Junges Gras wird am meisten gefressen, daneben werden Bambus-Schoße, Blätter, Früchte, Zweige, Baumrinde und Getreide genommen. Die Tiere gehen täglich zur Tränke [2].

Das Aktivitätsmuster des Gaurs ist polyphasisch. Die Tiere ruhen tagsüber viel und haben abends bis spät in die Nacht eine ausgedehnte Fressperiode. Sie bilden nicht sehr stabile Gruppen aus mehreren Kühen mit ihren Kälbern, denen sich oft ein oder mehrere subadulte oder adulte Bullen anschließen. Den größeren Teil des Jahres leben die Bullen aber getrennt in Junggesellen-Verbänden oder einzeln. Für kurze Zeit können sich mehrere Gruppen zu größeren Herden zusammenschließen [3; 6].

Es gibt keine fixe oder dann regional unterschiedliche Fortpflanzungszeiten. Nach einer Tragzeit von 270-280 Tagen kommt in der Regel ein einzelnes, hellbraun gefärbtes Kalb zur Welt. Die Kälber schließen sich in der Herde zu Kindergärten zusammen, die stets von verteidungsbereiten Kühen umgeben sind. Sie werden bis zum 8. oder 9. Monat gesäugt und werden im 2. bis 3. Lebensjahr geschlechtsreif [3; 4; 5].

Gefährdung und Schutz

Die Bestände des Gaur sind in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen. Gründe dafür sind eine Übernutzung durch die Jagd, Lebensraumzerstörung, Konkurrenz um Futter und Übertragung von Krankheiten von domestizierten Rindern. Die Art wurde deshalb aufgrund einer Beurteilung aus dem Jahr 2016 als gefährdet eingestuft (Rote Liste: VULNERABLE) [2].

Der internationale Handel ist durch CITES-Anhang I eingeschränkt. Die Einfuhr lebender Exemplare aus den Ursprungsländern ist zudem wegen der restriktiven Veterinärbestimmungen der EU so gut wie ausgeschlossen.

Zoogestütztes Artenschutzprojekt (Beispiel):

  • Die französische Association Anoulak engagiert sich im Schutz des 3'500 km² großen Nakai-Nam Theun-Nationalparks in Laos. Seit 2016 setzt sie in Zusammenarbeit mit den lokalen Behördee Patrouillen aus ausgebildeten lokalen Dorfbewohnern zur Bekämpfung der Wilderei ein, bietet Umweltbildung in den Dorfschulen und ein entsprechendes Ausbildungsprogramm für die Lehrkräfte an, und führte ein dreijähriges Programm zur nachhaltigen Entwicklung der Dorfgemeinschaften im Nakai-Distrikt durch. Von diesen Maßnahmen profitiert u.a. der Gaur, der dort in den 1990er Jahren noch in einem namhaften Bestand vorkam, heute aber fast verschwunden ist [2]. Anoulak wird von rund 15, hauptsächlich europäischen Zoos, vom französischen Zooverband und von der ZGAP unterstützt. mehr ...

Bedeutung für den Menschen

Der Gaur wird - oft illegal und auch in Schutzgebieten - zur Gewinnung von Fleisch sowie von Körperteilen zur Verwendung in der traditionellen orientalischen Medizin oder zur Herstellung von kunstgewerblichen Erzeugnissen gejagt. Gaure wurden vor längerer Zeit als Jagdwild in der Ostkap-Provinz Südafrikas angesiedelt. Die domestizierte Form, der Gayal, wird wegen seiner Trophäen auf texanischen Jagdfarmen gehalten, wo eine Abschussgebühr von ca. 10'000 USD berechnet wird [2; Online Inserate 2019].

Haltung

Im Zoo Dortmund werden die Gaure gemeinsam mit Malaienhühnern gehalten.

Seit 1966 besteht ein Internationales Zuchtbuch, das am Zoo Berlin geführt wird. Dieses umfasste im Dezember 2016 insgesamt 335 lebende Individuen in 47 Einrichtungen [IZY 52].

Das von WEIGL angegebenen Höchstalter im Zoo liegt bei 26 Jahren und 2 Monaten, erreicht von einem im Zoo Berlin geborenen und später in Amsterdam gehaltenen weiblichen Tier [5].

Haltung in europäischen Zoos: Die Nominatform der Art wird in rund einem Dutzend Zoos gehalten, von denen sich ein paar im deutschsprachigen Raum befinden. Der Hinterindische Gaur ist seit mehr als einem halben Jahrhundert in Europa nicht mehr anzutreffen. Für Details siehe Zootierliste.

Die europäische Erstzucht gelang im Jahr 1909 dem Zoo Berlin. Es gibt ein Europäisches Zuchtprogramm (EEP), das von der Ménagerie im Jardin des Plantes, Paris, koordiniert wird. Seit 2019 besteht jedoch eine Empfehlung, nicht mehr zu züchten und die Tiere mittelfristig durch Bantengs zu ersetzen, weil der Banteng stärker gefährdet sei und die gegenwärtige europäische Gaurpopulation auf nur 4 B. g. gaurus-Gründertiere zurückgehe, und einzelne Tiere noch Blut vom Hinterindischer Gaur führten [7]. Im Gegensatz dazu steht die Tatsache, dass ebenfalls 2019 der Zoo Zlín vier (2.2) einjährige, nicht verwandte Gaurkälber aus Indien importieren konnte. die erste Einfuhr nach Europa seit 60 Jahren.

Mindestanforderungen an Gehege: Nach Säugetiergutachten 2014 des BMEL soll für bis zu 5 Tieren ein Gehege von mindestens 400 m² zur Verfügung stehen, für jedes weitere Tier 30 m² zusätzlich. Stallfläche 6 m²/Tier.

Das Säugetiergutachten gibt vor, dass für tropische Rinderarten die Stalltemperatur mindestens 18°C betragen muss. Dies wäre auf den Gaur anwendbar. Rinderställe werden aber in der Regel ohne Schaden für die Tiere nicht beheizt, es sei denn es würden darin auch kleinere Tiere, wie Antilopen, gehalten. Die vom Gutachten für Einzelboxen vorgegebenen 6 m² sind für Gaure zu knapp bemessen, für Kühe mit Kalb sollte man nicht unter 8 m², für Bullen nicht unter 10 m² gehen.

Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2024) schreibt für bis zu 5 Tieren ein Gehege vor, dessen Grundfläche 500 m² misst. Für jedes weitere Tier kommen 80 m² zur Basisflächen dazu. In der Stallung ist für jedes Tier 8 m² anzubieten.

Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2024) sind für 1-5 Tiere 800 m² erforderlich, für jedes weitere 80 m² mehr, ferner eine Stallfläche von 10 m²/Tier. Die Stalltemperatur muss mindestens 18ºC betragen. Die Tiere sind paarweise, in Familiengruppen oder Herden zu halten.

Taxonomie und Nomenklatur

Der Gaur wurde 1827 von dem englischen Oberstleutnant Charles Hamilton SMITH, einem wissenschaftlichen Illustrator und autodidaktischen Naturforscher, unter seinem heute noch gültigen Namen erstmals wissenschaftlich beschrieben. Es werden zwei Unterarten unterschieden: der Vorderindische (Bos g. gaurus) und der Hinterindische Gaur (Bos g. laosiensis = hubbacki = readei). Der Gaur gilt als Stammform des Gayals. Er wird bisweilen zusammen mit dem Banteng in der Untergattung Bibos zusammengefasst [2; 3; 7].

119 009 002 001 bos gaurus KKOZ PD1Hinterindischer Gaurbulle (Bos g. laosiensis) im Khao Kheow Open Zoo, Chonburi, Thailand © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

Literatur und Internetquellen

  1. CASTELLÓ, J. R. (2016)
  2. DUCKWORTH, J.W. et al. (2016). Bos gaurus. The IUCN Red List of Threatened Species 2016: e.T2891A46363646. http://www.iucnredlist.org/details/2891/0. Downloaded on 11 June 2018.
  3. GRZIMEK, B. (Hrsg. 1970)
  4. PUSCHMANN, W., ZSCHEILE, D., & ZSCHEILE, K. (2009)
  5. WEIGL, R. (2005)
  6. WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
  7. BOURGEOIS, B. (2019). Gaur (Bos gaurus) EEP Phase out strategy. Regional Collection Plan decision statement, PPT.