Hausziege

Stiefelgeissbock (Capra aegagrus f. hircus) im Parc animalier de Sauvabelin, Lausanne
© Peter Dollinger, Zoo Office Bern

Überordnung: LAURASIATHERIA
Taxon ohne Rang: CETARTIODACTYLA
Ordnung: Paarzeher (ARTIODACTYLA)
Unterordnung: Wiederkäuer (Ruminantia)
Familie: Hornträger (Bovidae)
Unterfamilie: Ziegenartige: (Caprinae)
Tribus: Ziegenverwandte (Caprini)

D NB 650

Hausziege

Capra aegagrus f. hircus • The Domestic Goat • La chèvre domestique

 

119 009 035 001A capra hircus saanen duedingen PD1Genetisch hornlose Saanenziege (Capra aegagrus f. hircus) beim Naturschutzgebiet Düdinger Moos FR © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 035 001A capra hircus tauernschecke reutem PD1Tauernschecke (Capra aegagrus f. hircus) im Bodenseezoo Reutemühle, Überlingen © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 035 001A capra hircus kaschmir huttwil PD2Kaschmirziege (Capra aehagrus f. hircus) im Archehof Huttwil BE © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 035 00 1A capra hircus buren petersbg PD1Buren-Ziegenbock (Capra aegagrus f. hircus) im Tierpark Perleberg © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 035 001A capra hircus caprivi PD1Landziegen (Capra aegagrus f. hircus) im Caprivi-Streifen Namibias verursachen erheblichen Flurschaden © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 035 001A capra hircus timmelsjoch PD1Passeirer Gebirgsziegenherde (Capra aegagrus f. hircus) auf 2'400 m Höhe am Timmelsjoch, Südtirol © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 035 001A capra hircus gantrisch PD1Begegnung mit Saanenziege (Capra aegagrus f. hircus) auf 1'500 m Höhe am Gantrisch, Berner Oberland © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 035 001A capra hircus ovambo eisenberg PD1Ziegen sind sehr rücksichtslos, wenn es ums Fressen geht. Wo Füttern erlaubt ist, sind Böcke großer Rassen besser nicht in Kontaktgehegen zu halten. Hier Ovambo-Ziegenbock (Capra aegagrus f. hircus)im Tiergarten Eisenberg © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 035 00 1A capra hircus zwerg TPB PD1Zwergziegenböcke (Capra aegagrus f. hircus) überschätzen sich bisweilen, hier im Duell mit einem Dahomey-Stier im Tierpark Berlin © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 035 00 1A capra hircus zwerg silz PD1Ziegen sind an Allem interessiert - Blick ins Kaninchengehege im Wild- und Wanderpark Silz © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 035 00 1A capra hircus zwerg neumuenster PD1Zwergziegen (Capra aegagrus f. hircus) beim Füttern durch Besucherin im Tierpark Neumünster © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 035 001 capra walliser silberweidWalliserziege (Capra aegagrus f. hircus) in Kontaktgehege im ehemaligen Tierpark Silberweide, Mönchaltorf © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 035 00 1A capra hircus zwerg marlow PD1Kontaktgehege für Zwergziegen (Capra aegagrus f. hircus) im Vogelpark Marlow © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

119 009 035 001 capra zwerg silberweid"Tiere sehen Dich an" - Zwergziege (Capra aegagrus f. hircus) in Kontaktgehege im ehemaligen Tierpark Silberweide, Mönchaltorf © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Hausziegen gehören zum Standardbesatz von Kinderbauernhöfen und mit Haustieren besetzten Kontaktgehegen. Sie, und namentlich die für den Umgang mit Kindern geeignete Zwergziege, werden daher in sehr vielen Zoos und Tierparks gehalten. Auch die Rassenvielfalt ist im Zoo sehr groß. Wie andere Haustiere auch sind Ziegen für die Zoopädagogik äußerst nutzbar, um Fragen in Zusammenhang mit Domestikation, biologischer Vielfalt, Nutzung, Einfluss verwilderter Haustiere auf die Wildfauna und -flora hauptsächlich von Inseln etc. zu illustrieren.

Stammformen und Domestikation

Die Bezoarziege ist die Stammform der Hausziege, ihre Domestikation erfolgte vor jener des Rindes, vermutlich vor etwa 10'000 Jahren in frühneolithischen Siedlungen des östlichen Mittemeerraums oder Persiens. Etwa 1'000 Jahre später war die Hausziege in Ägypten nachweisbar, vor knapp 5'000 Jahren hatte sie sich bis Skandinavien ausgebreitet. Bis zum Ende der Jungsteinzeit hatten die Hausziegen gerade, säbelförmig gebogene Hörner. Ab der Bronzezeit traten zunehmend auch Ziegen mit gedrehten Hörnern auf. Primitive Rassen der heutigen Hausziege können immer noch der Wildziege ähneln. Wild- und Hausziege hybridisieren problemlos, was die größte Gefahr für das Überleben der Wildform darstellt [4; 6; 7]

Körperbau und Körperfunktionen

Nach Angaben der FAO gibt es rund 600 Ziegenrassen [14], wobei anzunehmen ist, dass es effektiv mehr sind. Die Größenunterschiede zwischen den einzelnen Rassen sind erheblich: die Widerristhöhe erwachsener Tiere reicht von 40-80 cm und das Körpergewicht von 20-140 kg. Das Kopfprofil kann konkav oder konvex sein. Es gibt gehörnte und ungehörnte Rassen, solche, bei denen nur die Böcke Hörner tragen und solche bei denen in beiden Geschlechtern gehörnte und unbehornte Exemplare vorkommen. Die Hörner sind meistens säbelförmig wie bei der Wildziege, manche Rassen haben jedoch in verschiedener Weise spiralig oder korkenzieherartig gedrehte Hörner. Auch vierhörnige Rassen kommen vor. Hinsichtlich Ohrlänge und Ohrstellung gibt es große Unterschiede. Ziegen aus heißen Klimazonen zeichnen sich meist durch lange Hängeohren aus, welche die Thermoregulation unterstützen. Manche Ziegen haben am Hals, selten am Kopf, paarige Hautausstülpungen, sogenannte Glöckchen. Die Böcke haben einen ausgeprägten Kinnbart, bei den Geißen ist er kleiner, bisweilen nur andeutungsweise vorhanden oder fehlend. Es gibt kurz- und langhaarige Rassen mit unterschiedlicher starker Ausprägung der Unterwolle. Ferner gibt es Wollrassen, die feine (Kaschmir) oder gröbere (Angora = Mohair), spinnbare Wolle liefern. Je nach Zuchtziel sind Fleischertrag und Milchleistung sehr unterschiedlich. Das Euter der Geißen weist nur zwei Zitzen auf. Nach einer Trächtigkeit von ca. 146-152 Tagen werden 1-2, selten 3 oder 4 Zicklein geboren [5; 7; 8].

Rassen und Bestände in Mitteleuropa

2016 wurden in Deutschland in etwa 9'800 landwirtschaftlichen Betrieben knapp 140'000 Ziegen gehalten, darunter rund 10% Herdebuchtiere. Der Schwerpunkt lag Süddeutschland: Allein in Bayern wurden knapp 38'000 Ziegen erfasst, in Baden-Württemberg etwa 30'000. Einheimische Rassen sind die Bunte Deutsche Edelziege (mit den Schlägen Erzgebirgs-, Franken-, Harz- und Schwarzwaldziege), die Thüringer Waldziege und die Weiße Deutsche Edelziege. In der Schweiz werden nebst der Zwergziege und anderen, in geringem Umfang gehaltenen Exoten 13 einheimische Rassen oder Schläge gezüchtet: Capra Grigia, Nera Verzasca, Saanenziege, Appenzellerziege, Gemsfarbige Gebirgsziege, Toggenburgerziege, Bündner Strahlenziege, Stiefelgeiss, Pfauenziege und Walliser Schwarzhalsziege mit den Varianten Capra Sempione, Grüenochte Geiss und Kupferhalsziege. 2019 lag der Gesamtbestand bei 80'464 Ziegen in rund 6'400 Betrieben. Um 1990 waren es etwa 9'000 Betriebe mit 60'000 Tieren gewesen. Österreich hatte unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg 272'000 Ziegen. Deren Zahl sank auf 32'000 um 1980, im Jahr 2019 waren es wieder 92'504 Stück. Als einheimische Rassen kommen vor: Pinzgauer Strahlenziege, Pinzgauer Ziege, Tauernschecken [8; 9; 10; 11].

Wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung

Die Ziege liefert Fleisch, Milch, Leder, und bei manchen Rassen Wolle, die versponnen werden kann. Der Weltbestand an Ziegen nahm laut FAO von 1961 bis 2014 von 348 Millionen auf 1 Milliarde Individuen deutlich zu. Die Zahl der Ziegenschlachtungen ist in Deutschland mit 22'000 Stück im Jahr 2019 wenig bedeutend, in der Schweiz (Jahr 2018) sind es mit 49'531 mehr als doppelt so viele. In Österreich und der Schweiz lag der Rohmilchertrag 2018 bei je 23 Millionen kg. Der Netto-Fleischertrag (ohne Knochen) betrug in der Schweiz 377'000 kg [1; 4; 10; 12; 13].

Die Ziege spielt eine große Rolle in der altgriechischen Mythologie, wo z. B. der Hirtengott Pan als Mischwesen zwischen Mensch und Ziegenbock dargestellt wird. Sie diente den Juden, den Germanen und vielen anderen Völkern als Opfertier. In Snorri STURLUSONs Prosa-Edda (Gylfaginning, Kapitel 21) ziehen die Ziegenböcke Tanngnjóstr und Tanngrisnir den Wagen Thors, und (in Kapitel 39) steht die Ziege Heiðrún auf dem Dach von Walhall und spendet aus Ihrem Euter Met für die gefallenen Krieger. Im Christentum hatten Ziegen einen schlechten Ruf: Nach dem Matthäus-Evangelium sind beim Jüngsten Gericht die Schafe die Guten und die Ziegen die Schlechten, die zur Linken des Herrn gestellt werden und als "Sündenböcke" zur Hölle verdammt sind. In vielen Fabeln, Sagen und Märchen kommen Ziegen als Protagonisten vor. So etwa in der Urner-Sage über die Teufelsbrücke oder in den Grimm-Märchen "Tischlein deck dich" oder "Der Wolf und die sieben jungen Geißlein".

Haltung im Zoo

Zwergziegen und unbehornte Ziegen eignen sich für die Haltung in Kontaktgehegen. Bei behornten Ziegen, namentlich Böcken, ist dagegen Vorsicht geboten, namentlich wenn das Füttern durch die Besucher erlaubt wird. Seit dem Aufkommen der Laufställe werden in der Nutztierhaltung Ziegen bisweilen enthornt, um die Verletzungsgefahr für Artgenossen und Betreuer zu verringern. In Zoos ist dies wohl kein Thema. In Deutschland ist das Enthornen verboten. In Österreich ist die Zerstörung der Hornanlage nur bis zu einem Alter von vier Wochen zulässig und nur wenn die Tiere für die Haltung in einem überwiegend auf Milchproduktion ausgerichteten Betrieb bestimmt sind, und wenn der Eingriff von einem Tierarzt nach wirksamer Betäubung und mit postoperativ wirksamer Schmerzbehandlung durchgeführt wird. Auch in der Schweiz darf seit 2019 der Eingriff nur noch unter Anästhesie durch Tierärzte vorgenommen werden.

Haltung in europäischen Zoos: In europäischen Zoos, Tier- und Wildparks werden rund 80 Ziegenrassen gehalten. Am beliebtesten ist mit Abstand die Afrikanische Zwergziege mit über 1'100 Haltungen, wovon rund die Hälfte im deutschsprachigen Raum. Die verschiedenen Schläge der Hängeohrziegen bringen es auf rund 140 Haltungen, wovon die Burenziegen die Hälfte ausmacht. Ähnlich populär ist die Walliser Schwarzhalsziege mit über 105 Haltungen. Die Girgentanaziege und die Angoraziege liegen mit über 50 bzw. gegen 40 Haltungen im Mittelfeld. Pfauenziege und Tauernschecke sind in einigen Haltungen im deutschsprachigen Raum zu sehen. Manche Rassen werden praktisch nur im Ursprungsland gehalten, so etwa die Thüringer Waldziege, die in Deutschland in über 60 Haltungen zu sehen ist oder die Stiefelgeiss, die nur in der Schweiz von sechs Parks gezüchtet wird. Für Details siehe Zootierliste.

Mindestanforderungen an Gehege: In der Schweiz sind die minimalen Dimensionen von Boxen, Fressplätzen etc. mit dem Tiergewicht korreliert, in Österreich wird zwischen einzelnen Tierkategorien unterschieden. Die entsprechenden Angaben finden sich in Anlage 3 der 1. Tierhaltungsverordnung Österreichs bzw. in Tabelle 4 der Schweizerischen Tierschutzverordnung.

Zoogestütztes Schutzprojekt (Beispiel):

  • In Deutschlanf gelten 64% aller Nutztierrassen als gefährdet. Seit 2020 engagiert sich daher der Verband der Zoologischen Gärten (VdZ) in einem  vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) geförderten Projekt, in dessen Rahmen die wissenschaftliche Erhaltungszucht gefährdeter Rassen optimiert und diese stärker als bisher nachgezüchtet werden sollen. Außerdem soll das Thema des Aussterbens einheimischer Nutztiere fest in den Unterrichtsangeboten der Zooschulen verankert und ein jährliches Fachsymposium etabliert werden. Fokusrasse des Projekts ist die Bunte Deutsche Edelziege. Ferner sind von Belang die Weiße Deutsche Edelziege, Braune Harzerziege und Thüringer Waldziege.

Taxonomie und Nomenklatur

Carl von LINNÉ beschrieb 1758 vier Hausziegenformen als jeweils eigenständige Arten: Die Zahme Ziege als "Capra hircus", die Ostafrikanische Ziege als "Capra depressa", die Syrische Hängeohrziege als "Capra mambrica" und die Judäische Ziehe als "Capra reversa". Von diesen Bezeichnungen setzte sich "Capra hircus" als Artname für die Haustierform durch. 1777 beschrieb der Göttinger Professor für Physik und Tierheilkunde, Johann Christian Polycarp ERXLEBEN, die Wildziege unter ihrem heute noch gültigen Namen Capra aegagrus. 1958 wurde vorgeschlagen, dass grundsätzlich der Name der Wildform Vorrang vor dem Namen der Haustierform haben soll, auch wenn dies, wie im vorliegenden Fall, der Prioritätsregel widerspricht. Nach der Nomenklatur von BOHLKEN ist die Hausziege demnach als Capra aegagrus f. hircus zu bezeichnen [2; 5; 15].

119 009 035 001A capra hircus verzasca nera val verzasca PD2Nera Verzasca (Capra aegagrus f. hircus), Geißen im Val Verzasca, Kanton Tessin © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

Literatur und Internetquellen

  1. AGRECOL
  2. BOHLKEN , H. (1958)
  3. BREHM, A. E. (1882-1887)
  4. CLUTTON-BROCK, J. (1987)
  5. DONNDORFF, J. A. (1792)
  6. GRZIMEK, B. (Hrsg. 1970)
  7. HERRE, W. & RÖHRS, M. (1990)
  8. ÖSTERREICHISCHER BUNDESVERBAND FÜR SCHAFE UND ZIEGEN
  9. PRO SPECIE RARA
  10. SCHWEIZERISCHES BUNDESAMT FÜR STATISTIK
  11. SCHWEIZERISCHER ZIEGENZUCHTVERBAND
  12. STATISTIK AUSTRIA
  13. STATISTISCHES BUNDESAMT (DEUTSCHLAND)
  14. THE STATE OF THE WORLD’s ANIMAL GENETIC RESOURCES FOR FOOD AND AGRICULTURE (2007)
  15. WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
  16. ZENTRALE DOKUMENTATION TIERGENETISCHER RESSOURCEN
  17. ZIEGE.CH