Hirscheber

Hirscheber-Bache (Babyrousa babyrussa) in der Wilhelma Stuttgart
© Wilhelma Stuttgart (Pressefoto)

Überordnung: LAURASIATHERiA
Taxon ohne Rang: CETARTIODACTYLA
Ordnung: Paarzeher (ARTIODACTYLA)
Unterordnung: Nichtwiederkäuer (Nonruminantia) bzw. Schweineartige (Suina)
Familie: Schweine (Suidae)
Tribus: Hirscheber (Babirusini)

D VU 650

EEPSulawesi-Hirscheber

Babyrousa celebensis • The Sulawesi Babirusa • Le babiroussa des Célèbes

119 001 001 001 babirusa BER KR1Celebes-Babirusa-Keiler (Babyrousa celebensis) im Zoo Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

 

119 001 001 001 babirusa mapVerbeitung des Sulawesi-Hirschebers (Babyrousa celebensis)

 

119 001 001 001 babirusa wilhelma1Sulawesi-Babirusa-Keiler (Babyrousa celebensis)in der Wilhelma Stuttgart © Wilhelma (Pressefoto)

 

119 001 001 001 babirusa BER KR2Sulawesi-Hirscheber-Paar (Babyrousa celebensis) im Zoo Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

 

119 001 001 001 babirusa opel opelCa. 18 Monate alter Sulawesi-Babirusa (Babyrousa celebensis) im Opel-Zoo Kronberg © Archiv Opel-Zoo

 

119 001 001 001 babirusa TasikokiWRC Manado KR1Sulawesi-Babirusa-Keiler (Babyrousa celebensis) im Tasikoki Wildlife Rescue Center, Manado, Sulawesi © Klaus Rudloff, Berlin

 

119 001 001 001 babirusa DJA KR1Sulawesi-Babirusa-Keiler (Babyrousa celebensis) im Djakarta Zoo © Klaus Rudloff, Berlin

 

119 001 001 001 babirusa decin decinSulawesi-Hirscheber (Babyrousa celebensis) im Zoo Děčín © Zoo Děčín

 

119 001 001 001 babirusa wilhelma2Sulawesi-Hirscheber-Frischling (Babyrousa celebensis) in der Wilhelma Stuttgart © Wilhelma (Pressefoto)

 

119 001 001 001 babyrousa babyrussa wilhelma wilhelma1Sulawesi-Hirscheber (Babyrousa celebensis), Bache mit Frischling in der Wilhelma Stuttgart © Wilhelma (Pressefoto)

 

119 001 001 001 babyrousa babyrussa wilhelma wilhelma2Sulawesi-Hirscheber-Frischling (Babyrousa celebensis) in der Wilhelma Stuttgart © Wilhelma (Pressefoto)

 

119 001 001 001 babyrousa babyrussa wilhelma wilhelma4Sulawesi-Hirscheber (Babyrousa celebensis), Bache mit Frischling in der Wilhelma Stuttgart © Wilhelma (Pressefoto)

 

119 001 001 001 babyrousa babyrussa singapur wDreier1Sulawesi-Hirscheber (Babyrousa celebensis), Keiler im Zoo Singapur © Wolfgang Dreier, Berlin

 

119 001 001 001 babirusa skull wiesbadenHirscheberschädel (Babyrousa sp.), in der Sammlung des Museums Wiesbaden © Klaus Rassinger und Gerhard Cammerer, Museum Wiesbaden. Veröffentlicht unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported-Lizenz

 

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Aufgrund seiner anatomischen Besonderheiten, die Anlass boten, ihn in einer eigenen Unterfamilie unterzubringen, ist der Hirscheber zoopädagogisch interessant, und seine absonderliche Gestalt weckt auch das Interesse des allgemeinen Zoopublikums, sodass sich die auch selbst gefährdete, in europäischen Zoos nicht gut vertretene Tierart bestens als Botschafter für die Erhaltung der Biodiversität der indonesischen Inselwelt eignet.

Körperbau und Körperfunktionen

Der Sulawesi-Hirscheber erreicht eine Kopf-Rumpflänge von 85-110 cm, eine Schwanzlänge von 20-32 cm, eine Schulterhöhe von 65-80 cm und ein Gewicht bis zu 100 kg. Sein Kopf ist relativ klein, mit kleinen Augen, kurzen spitzen Ohren und ohne Gesichtswarzen. Der Rücken ist hochgewölbt. Die Läufe sind zierlich. Der Schwanz trägt keine Endquaste. Bei den Keilern durchbrechen die oberen Eckzähne die Rüsseldecke und ragen frei aufwärts. Bei älteren Tieren bilden sie einen Bogen und können mit ihren Spitzen wieder in die Kopfhaut einwachsen. Die unteren Eckzähne sind auch nach oben gerichtet, haben aber keine Berührung mit den oberen und können sich so nicht geenseitig abschleifen. Nicht alle Bachen haben obere Eckzähne, falls doch, durchbrechen diese die Rüsseldecke nicht. Die graubraune, stellenweise faltige Haut ist nur spärlich mit borstigen Haaren bedeckt [7; 11].

Verbreitung

Indonesien: Sulawesi und die vorgelagerten Inseln Muna, Buton und Lembeh, wobei die Art auf Muna vermutlich ausgerottet ist [6].

Lebensraum und Lebensweise

Die Babirusas besiedeln tropische Regenwälder entlang von Flüssen und an stehenden Gewässern. Von ihren bevorzugten Einständen im Tiefland wurden sie weitgehend durch den Menschen verdrängt und ziehen sich daher ins Hügelland zurück. Sie sind überwiegend tagaktiv und gute Schwimmer, die längere Distanzen im Wasser zurücklegen können. Sie bilden Mutterfamilien mit oder ohne Keiler, die bis etwa 13 Tiere umfassen. Bisweilen schließen sie sich zu größeren Verbänden zusammen. Viele Keiler werden einzeln angetroffen. Die Tiere sind Allesfresser und jagen anscheinend auch kleinere Wirbeltiere [6; 11].

Babirusas haben keine feste Fortpflanzungszeit. Nach einer Trächtigkeit von 156-161 Tagen werden 1-2, selten 3 etwa 800 g schwere Frischlinge geboren. Diese werden unter Zoobedingungen mit 5-10 Monaten geschlechtsreif [9; 11].

Gefährdung und Schutz

Der Sulawesi-Hirscheber wird aufgrund einer Beurteilung aus dem Jahr 2016 als gefährdet eingestuft, weil seine Bestände in den letzten drei Generationen (ca. 18 Jahre) um mehr als 30 % zurückgegangen sind. Einerseits wird die Art stark bejagt, andererseits wird ihr Lebensraum mehr und mehr zerstört oder zumindest stark beinträchtigt. Dadurch schrumpft das Verbreitungsgebiet zunehmend. Der Sulawesi-Hirscheber ist - vor allem auf der Nordhalbinsel - schon aus vielen Gebieten verschwunden (Rote Liste: VULNERABLE) [6]. Eine neue Gefahr geht von dem 2019 nach Sulawesi eingeschleppten, für asiatische Schweine tödlichen Virus der Afrikanischen Schweinepest (ASP) aus [8].

Der internationale Handel ist durch CITES Anhang I eingeschränkt.

Zoogestützte Schutzprojekte (Beispiel):

  • Seit 2011 finanziert die weitgehend von Zoos im deutschsprachigen Raum getragene Zoologische Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz (ZGAP) das Gehalt eines Rangers, um die Wilderei auf Hirscheber einzudämmen. Neben dem unmittelbaren Schutz des Habitats und der darin lebenden Tiere bemühen sich die Projektpartner dabei insbesondere auch um die Aufklärung der lokalen Bevölkerung. So finden Exkursionen mit Studenten und Schülern umliegender Schulen statt. Zudem werden im Projektgebiet wissenschaftliche Studien durchgeführt.

  • Seit 2018 unterstützt der Zoo Leipzig die Organisation YANI (Yayasan Adudu Nantu Internasional) gefördert, die sich seit 1990 um das 520 km² große Nantu-Waldreservat auf Sulawesi kümmert, das einen der letzten naturnahen Tieflandwälder auf der Insel beherbergt und von dem 330 km² auch Wildreservat sind, das dem Schutz von  u.a. Anoa und Hirscheber dient. 2019 wandte der Zoo für dieses und ein weiteres Projekt 40'947 € auf. YANI wird auch durch den Singapur Zoo gefördert.  mehr ... 

Bedeutung für den Menschen

Hirscheber werden gejagt, um die Fleischmärkte im christlichen Nordteil von Sulawesi zu alimentieren [6]. BREHM [1] berichtet über die Nutzung des Hirschebers zu seiner Zeit: "Die Eingeborenen sollen ihn mit Lanzen erlegen und manchmal Treibjagden veranstalten ... Bei den Rajas findet man zuweilen einen lebenden Babirusa, weil auch die Eingeborenen ihn als ein ganz absonderliches Geschöpf betrachten und seiner Sehenswürdigkeit wegen in der Gefangenschaft halten. Doch geschieht dies noch immer selten, und man verlangt hohe Preise für gezähmte Schweine dieser Art."

Nebst 21 Schädeln und etwas nicht nähre identifiziertem Wissenschaftsmaterial meldete Indonesien während der Periode 1977-2017 die Ausfuhr von nur 8 lebenden Wildfängen. Im selben Zeitraum wurden weltweit 77 Nachzuchttiere grenzüberschreitend abgegeben. Davon stammten 16 aus Sigapur und je 11 aus den Niederlanden und Belgien. Der größte Teil des Verkehrs lief unter der Bezeichnung Babyrousa babirussa ab [2].

Haltung

Eine Vergesellschaftung von Hirschebern mit Flachlandanoas ist aus dem Zoo von Los Angeles bekannt [9].

Das Höchstalter wird von WEIGL für ein in der Wilhelma Stuttgart geborenes und in verschiedenen deutschen Zoo gehaltenes Tier mit 22 Jahren und 6 Monaten angegeben [10]. Im alten Hamburger Zoo erreichte allerdings eine 1908 als erwachsen importierte, handaufgezogene Bache eine Haltungsdauer von 12 Jahren und ein Alter von etwa 24 Jahren [7].

Seit 1987 gibt es ein Internationales Zuchtbuch, das am Tiergarten Nürnberg geführt wird und im Februar 2010 insgesamt 202 lebende Tiere in 37 Institutionen umfasste [IZY 52].

Haltung in europäischen Zoos: 1825 erreichten die ersten lebenden Hirscheber Europa. Es handelte sich um ein Paar, das den französischen Naturforschern QUOY und GAIMARD vom niederländischen Statthalter der Molukken geschenkt worden war, als sie ihm im Rahmen ihrer Weltumseglung einen Besuch abstatteten. Die Tiere hielten in Europa nicht lange durch. Immerhin gebar das Weibchen ein Jungtier, das gegen zwei Jahre alt wurde [1].

Von 2000-2016 nahm der europäische Zoobestand von ca. 80 auf ca. 20 Tiere ab, weil im Hinblick auf die Zufuhr frischen Bluts aus Indonesien die Zucht gedrosselt wurde. Da sich die Einfuhr von Tieren aus Indonesien nicht realisieren ließ, wurden 2017 ein Keiler und zwei Bachen aus den USA importiert. Seitdem ist der Bestand (bis 2021) wieder auf über 60 angewachsen [12]. Die Art wird gegenwärtig (2024) in 13 Zoos gehalten, die sich überwiegend in Deutschland befinden. Für Details siehe Zootierliste.

Das Europäische Erhaltungszuchtprogramm (EEP) wird vom Opel-Zoo Kronberg koordiniert. Der Berliner Zoo nahm lange Zeit eine Spitzenstellung in der Hirscheberhaltung und –zucht ein. 1905 wurde hier erstmals in Deutschland ein Hirscheber geboren. Nach dem 2. Weltkrieg kam 1978 aus Antwerpen das erste Hirscheberpaar wieder nach Berlin und von 1982 bis 1998 gelang mehrmals die Aufzucht von Jungtieren. In den letzten Jahren gab es wiederholt Nachwuchs in der Stuttgarter Wilhelma.

Forschung im Zoo: Hirscheber sind gelegentlich Gegenstand von Forschungsarbeiten, so wurden verschiedenen anatomische Besonderheiten untersucht [5; 9] und eine Arbeit beschäftigt sich mit der Gewinnung, Beurteilung und Konservierung von Sperma [4].

Mindestanforderungen an Gehege: Das Säugetiergutachten 2014 des BMEL gibt vor, dass für zwei Hirscheber ein Außengehege von 60 m² und ein Innengehege von 4 m² vorhanden sein muss. Die Anforderung für das Innengehege entspricht der Angabe in den Husbandry Guidelines der AZA [3] für zwei nicht-züchtende Tiere. Für die Zucht werden dort zwei Boxen bzw. eine größere Box empfohlen. Im Innengehege seien nach Gutachten auch für mehrere Tiere gleichzeitig nutzbare Wasser- und Schlammbecken bereitzustellen.

Wie man auf 4 m² einen Landteil, ein Wasser- und ein Schlammbecken für zwei bis zu 100 kg schwere Hirscheber unterbringt, entzieht sich der Vorstellungskraft eines jeden Zoobetreibers und steht in Widerspruch zur zwei Sätze vorher formulierten Anforderung, dass die Innengehege trocken sein müssen. Zudem wäre ein mit Wasser- und Schlammbecken ausgestatteter Innenstall für Frischlinge lebensgefährlich. Eine derartige Ausstattung der Innengehege ist denn auch in den auch von der EAZA verwendeten Haltungs-Leitlinien des AZA-Species Survival Plans [3] nicht vorgesehen, sie drängt sich nur dann auf, wenn über längere Zeit kein Zugang zum Außengehege besteht. In diesem Fall müsste das Innengehege aber eine größere Fläche aufweisen. Als Alternative bietet sich an, die Tiere regelmäßig mit lauwarmem Wasser zu duschen. Für weitere Adulttiere sind außen 10 und innen 2 m² zusätzlich erforderlich. Weshalb für ein weiteres "Zuchttier" im Außengehege 40 m²mehr  gestellt werden sollen, ist nicht nachzuvollziehen. Auch die Vorgabe, dass Gehege grundsätzlich nur in Abwesenheit der Tiere betreten werden sollen, entspricht nicht der tiergärtnerischen Praxis.

In der Schweizerischen Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2024) wird für 2 Tiere ein Gehege von 100 m² und ein Stall mit einer Fläche von 4 m² vorgeschrieben. Für jedes weitere Adulttier ist die Fläche außen um 20 m² zu erweitern. Für das Innengehege fehlt eine entprechende Angabe.

Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2024) muss die Haltung paarweise oder in Gruppen erfolgen. Für 5 Adulttiere ist ein Außengehege von 200 m², ein Innengehege von 30 m³ sowie eine Wurfbox erforderlich. Für jedes weitere Adulttier ist die Fläche außen um 20 m² zu erweitern. Für das Innengehege fehlt eine entprechende Angabe.

Taxonomie und Nomenklatur

Carl von LINNÉ beschrieb 1758 unter der Bezeichnung "Sus babyrussa" den auf den Molukken vorkommenden Hirscheber. 1811 stellte ihn der englische Naturforscher George PERRY in die neue, auch heute noch gültige  Gattung Babyrousa. 1909 beschrieb Karl DENINGER von der Universität Freiburg, eigentlich ein Geologe, die auf Sulawesi rezent vorkommende Form als "Babyrusa celebensis". Diese wurde in der Folge als Unterart angesehen und als Babyrousa babyrussa celebensis bezeichnet. Vor einigen Jahren wurde die Art wieder aufgesplittet und die Molukulargenetiker unterscheiden heute 3-4 Arten. Der auch im Deutschen verwendete Name "Babirusa" kommt aus dem Bahasa (Indonesisch, Malaiisch). "Babi" bedeutet Schwein und "Rusa" Hirsch [6; 7; 11].

119 001 001 001 babirusa nuernbg PDSulawesi-Hirscheber-Paar (Babyrousa celebensis) im Tiergarten Nürnberg © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

Literatur und Internetquellen

  1. BREHM, A. E. (1882-1887)
  2. CITES TRADE DATA BASE
  3. FISCHER, M. (ed., 200X)
  4. FRANCKE, R. (1989)
  5. HAMACHER, L. (2011)
  6. LEUS, K., MACDONALD, A., BURTON, J. & REJEKI, I. (2016). Babyrousa celebensis. The IUCN Red List of Threatened Species 2016: e.T136446A44142964. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2016-1.RLTS.T136446A44142964.en. Accessed on 20 February 2023.
  7. MOHR, E. (1960)
  8. NAGEL, R. (2011)
  9. PUSCHMANN, W., ZSCHEILE, D., & ZSCHEILE, K. (2009)
  10. WEIGL, R. (2005)
  11. WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
  12. HOLST, B. et al. (eds., 2021). Regional Collection Plan for the EAZA Tapir and SuiformTaxon Advisory Group – First edition. EAZA Executive Office: Amsterdam.
  13. LUSKIN, M. S. et al. (2020)