Gelbwangengibbon-Mann (Nomascus gabriellae) im Khao Kheow Open Zoo, Chonburi, Thailand
© Peter Dollinger, Zoo Office Bern
Überordnung: EUARCHONTOGLIRES
Ordnung: Affen und Halbaffen (PRIMATES)
Unterordnung: Affen (Simiae / Haplorrhini)
Teilordnung: Eigentliche Affen (Simiiformes)
Überfamilie: Altwelt- oder Schmalnasenaffen (Catarrhini)
Familie: Gibbons (Hylobatidae)
Gelbwangengibbon
Nomascus gabriellae • The Yellow-cheeked Gibbon • Le gibbon à joues jaunes
Der Gibbon war das Zootier des Jahres 2019
- Körperbau und Körperfunktionen
- Verbreitung
- Lebensraum und Lebensweise
- Gefährdung und Schutz
- Bedeutung für den Menschen
- Haltung
- Taxonomie und Nomenklatur
- Literatur und Internetquellen
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Der in seiner Heimat stark gefährdete Gelbwangengibbon ist, wie alle Gibbons, eine für das Publikum sehr attraktive Tierart, die sich bestens als Botschafter für die Erhaltung der zunehmend bedrohten Wälder Südostasiens und ihrer vielfach gefährdeten tierischen Bewohner eignet. Seine Haltung wird durch ein europäisches Zuchtprogramm gefördert. Rund die Hälfte der Nomascus-Haltungen in Europa hat N. gabriellae. Körperbau und KörperfunktionenWie alle Gibbons hat der Kappengibbon keinen Schwanz und seine Arme sind viel länger als die Beine. Auch die Hände sind lang und ihr Daumen wurzelt nahe dem Handgelenk. Diese Besonderheiten ermöglichen den Tieren das Schwinghangeln (Brachiation) von Ast zu Ast. Als Kopf-Rumpflänge werden 45-50(-80?) cm und als Gewicht 5-6(-8) kg angegeben. Das haarlose Gesicht ist dunkel pigmentiert. Es besteht ein ausgeprägter Geschlechtsdichromatismus: Die Männchen sind schwarz mit gelblichen bis orangefarbenen Wangen, die Weibchen gelbbraun mit schwarzem Scheitelfleck. Die Jungtiere sind anfänglich gelbbraun gefärbt und entwickeln unabhängig vom Geschlecht nach rund sechs Monaten ein schwarzes Fell. Mit Beginn der Geschlechtsreife wechseln die weiblichen Tiere erneut ihre Fellfarbe [1; 8]. VerbreitungSüdostasien: Kambodscha, Laos, Vietnam [5]. Lebensraum und LebensweiseGelbwangengibbons kommen in feuchten immergrünen und teilweise laubabwerfenden Wäldern sowie weiteren Waldtypen vor. Die Höhenverbreitung reicht vom Tiefland bis auf etwa 2'300 m. Sie sind tagaktive Baumtiere und leben zusammen mit ihrem Nachwuchs in dauerhafter Einehe. Sie ernähren sich zu rund 80% von Früchten, hauptsächlich Feigen, ferner von anderen Pflanzenteilen. Um ihren Nahrungsbedarf zu decken, benötigt eine Familiengruppe, die meist 4-5 (3-6) Individuen umfasst, ein Streifgebiet von etwa 41 (14-60) ha, das sie durch einen artspezifischen Gesang absteckt, bei dem Männchen und Weibchen unterschiedliche Strophen singen, und größtenteils als Territorium gegen Artgenossen verteidigt. Nach einer Tragzeit von etwa 7 Monaten wird ein einzelnes Junges geboren, das etwa 2 Jahre gesäugt wird und mit Erreichen der Geschlechtsreife im Alter von 6-8 Jahren den Familienverband verlässt [1; 5; 8]. Gefährdung und SchutzVermutlich handelt es sich um den häufigsten Schopfgibbon. Die Bestände und der verfügbare Lebensraum nehmen aber drastisch ab und die Art wird von der IUCN seit 2008 als stark gefährdete Tierart geführt (Rote Liste: ENDANGERED). Dies wurde 2015 überprüft und in der Liste von 2020 bestätigt. Die als eigene Art (N. annamensis) abgetrennten nördlichen Populationen wurden ebenfalls als stark gefährdet eingestuft [2]. Der internationale Handel ist durch CITES-Anhang I eingeschränkt. Zoogestütztes Artenschutzprojekt (Beispiel):
Bedeutung für den MenschenHauptsächlich in Laos wird der Gelbwangengibbon zur Gewinnung von Fleisch gejagt. In Vietnam und Kambodscha werden Jungtiere für den Heimtierhandel gefangen [4]. Von 1977-2017 wurden aus den Ursprungsländern nur die Ausfuhr von etwas Wissenschaftsmaterial registriert. Im selben Zeitraum wurden auch keine Ausfuhren von Nachzuchttieren mitgeteilt, was nicht ausschließt, dass einzelne unter der Bezeichnung Nomascus leucogenys stattgefunden haben könnten [5]. HaltungIm Leipziger Zoo wurden die Gelbwangengibbons mit Sumatra-Orangs vergesellschaftet. Haltung in europäischen Zoos: Die Art wird in etwa 45 Zoos gehalten, von denen sich nur einer in Deutschland befindet. Haltungsschwerpunkt ist Frankreich. Für Details siehe Zootierliste. Es gibt seit 1991 ein Europäisches Erhaltungszuchtprogramm (EEP, seit 2020 New Style EEP). Dieses wird vom Zoo Mülhausen koordiniert, dem auch 1987 die europäische Erstzucht gelungen war. Die Erstzucht in Deutschland erfolgte 2003 durch den Zoo Eberswalde. Der Bestand lag 2019 bei 147 Tieren, wovon 19 Naturentnahmen, in 40 Institutionen, bis 2022 stieg der Bestand auf 155 Tiere in 45 Einrichtungen [11; 12]. Forschung im Zoo: Gelbwangengibbons sind gelegentlich Gegenstand von Forschungsarbeiten. So wurden sie in Studien über soziale Kommunikation bei Schopfgibbons und über Gesichtsausdrücke, die bei Gibbons während des Spielens auftreten, miteinbezogen [6; 7]. Mindestanforderungen an Gehege: Im Säugetiergutachten 2014 des BMEL wird für die Haltung einer Gibbonfamilie ein Außengehege von 50 m² bei einer Höhe von 4 m und einer Länge von mindestens 9 m sowie ein Innengehege von 30 m² bei 3.50 m Höhe gefordert, das "länger als breit" sein soll. Dies ist eine Erhöhung des Raumangebots auf beinahe das Dreifache gegenüber dem Gutachten’96, für die es keine Begründung gibt. Die Tierschutzsachverständigen der Zoos schlugen im Differenzprotokoll vor, dass für eine Familiengruppe bis zu 4 Tieren ein Außengehege von 25 m² bei 3.50 m Höhe und für jedes weitere Tier 8 m² mehr Fläche angeboten werden sollte. Das Innengehege sollte die gleichen Dimensionen aufweisen, falls ein Zugang zum Außengehege über längere Zeit nicht möglich ist Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2022) schreibt für 3 Gibbons ein Außen- und ein Innengehege mit einer Grundfläche von je 25 m² bei 3 m Höhe und für jedes weitere Tier 8 m² Fläche zusätzlich vor. Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2023) muss die Haltung paarweise erfolgen und es ist für ein Paar mit Jungen ein Außengehege mit einer Grundfläche von 80 m² bei 5 m Höhe sowie ein Innengehege von 30 m² bei 3.50 m Höhe erforderlich. Taxonomie und NomenklaturDer Gelbwangengibbon wurde 1909 durch den englischen Zoologen Michael Rogers Oldfield THOMAS als Hylobates gabriellae erstmals wissenschaftlich beschrieben. Später kam er in die von Gerrit Smith MILLER Jr. für Hylobates leucogenys geschaffene neue Gattung Nomascus. Bis vor einigen Jahren wurde er als Unterart des Schopfgibbons (Hylobates = Nomascus concolor) betrachtet, der mittlerweile in 6-7 Arten augfgesplittet wurde. 2010 wurden die nördlichen Populationen unter der Bezeichnung Nomascus annamensis als eigene Art von gabriellae abgetrennt, hauptsächlich weil sie sich in ihrer Vokalisation unterscheiden. Wenn man bei Homo sapiens unterschiedliche Sprache als Artkriterium akzeptierte, gäbe es rund 6'900 Menschenarten... Möglicherweise gibt es in Kambodscha auch eine Hybridzone mit Nomascus siki [3; 5; 8; 9]. |
Literatur und Internetquellen
- ANIMAL DIVERSITY WEB
- BERGER, G. & TYLINEK, E. (1984)
- CITES IDENTIFICATION MANUAL
- CITES TRADE DATA BASE
- RAWSON, B.M. et al. (2020). Nomascus gabriellae. The IUCN Red List of Threatened Species 2020: e.T128073282A17968950. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2020-2.RLTS.T128073282A17968950.en und THINH Van Ngoc et al. (2020). Nomascus annamensis. The IUCN Red List of Threatened Species 2020: e.T120659170A120659179. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2020-2.RLTS.T120659170A120659179.en. Downloaded on 28 April 2021. 2021.
- HOFFMANN, W. (2012)
- VON ALLMEN, A. (2005)
- WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
- RUPPELL, J. C. (2010)
- STIFTUNG ARTENSCHUTZ
- LEFAUX, B.et al. (eds., 2020) EAZA Regional Collection Plan for Gibbon species - February 2020. Amsterdam.
- EAZA Gibbon TAG Update 28.09.2022, Albufeira.