Weisswangen-Schopfgibbon (Nomascus leucogenys), Zoo Osnabrück
© Zoo Osnabrück (Pressefoto)
Überordnung: EUARCHONTOGLIRES
Ordnung: Affen und Halbaffen (PRIMATES)
Unterordnung: Affen (Simiae / Haplorrhini)
Teilordnung: Eigentliche Affen (Simiiformes)
Überfamilie: Altwelt- oder Schmalnasenaffen (Catarrhini)
Familie: Gibbons (Hylobatidae)
Nördlicher Weißwangen-Schopfgibbon
Nomascus leucogenys • The White-cheeked Gibbon • Le gibbon à favoris blancs
Der Gibbon war das Zootier des Jahres 2019
- Körperbau und Körperfunktionen
- Verbreitung
- Lebensraum und Lebensweise
- Gefährdung und Schutz
- Bedeutung für den Menschen
- Haltung
- Taxonomie und Nomenklatur
- Literatur und Internetquellen
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Der in Teilen seines Ursprungsgebiets bereits ausgestorbene und im Rest vom unmittelbar Aussterben bedrohte Weißwangengibbon ist, wie alle Gibbons, eine für das Publikum sehr attraktive Tierart, die sich bestens als Botschafter für die Erhaltung der zunehmend bedrohten Wälder Südostasiens und ihrer vielfach gefährdeten tierischen Bewohner eignet. Seine Haltung wird durch ein europäisches Zuchtprogramm gefördert. Rund die Hälfte der Nomascus-Haltungen in Europa hat N. leucogenys. Körperbau und KörperfunktionenWie alle Gibbons hat dieser Schopfgibbon keinen Schwanz und seine Arme sind viel länger als die Beine. Auch die Hände sind lang und ihr Daumen wurzelt nahe dem Handgelenk. Diese Besonderheiten ermöglichen den Tieren das Schwinghangeln (Brachiation) von Ast zu Ast. Als Kopf-Rumpflänge werden 46-64 cm und ein Gewicht 5-7 kg angegeben. Das haarlose Gesicht ist dunkel pigmentiert. Es besteht ein ausgeprägter Geschlechtsdichromatismus: Die Männchen, die sich von den Weibchen auch durch einen hohen Schopf auf dem Kopf unterscheiden, sind schwarz mit großen, bis zum Kinn reichenden weißen Wangenflecken. Die Weibchen sind blass- bis orangegelb mit schwarzem bis braunem Scheitelfleck und einem bisweilen unvollständigen weißen Ring um das Gesicht. Die Jungtiere beider Geschlechter sind anfänglich wie die Männchen gefärbt [1; 7; 11]. VerbreitungSüdostasien: Laos und Vietnam. In China ausgestorben [2]. Lebensraum und LebensweiseWeißwangengibbons kommen in feuchten immergrünen und teilweise laubabwerfenden Wäldern, alten Sekundärwäldern und im Gebirge in Mischwäldern mit Koniferen vor. Die Höhenverbreitung reicht 200 bis auf etwa 1'650 m, wobei die Tiere unterhalb von 700 m heute selten sind. Sie sind tagaktive Baumtiere und leben zusammen mit ihrem Nachwuchs in dauerhafter Einehe. Eine Familie besteht im Mittel aus 4 Tieren. Weißwangengibbons ernähren sich hauptsächlich von Früchten, daneben fressen sie Blätter, Knospen, Blüten und Insekten. Sie verbringen den größten Teil ihrer aktiven Zeit damit, in den Baumkronen nach Nahrung zu suchen. Je nach Jahreszeit ändert sich die Zusammensetzung des Speiseplans und auch die Zeit, die aufgewendet werden muss, um das Futter zu sammeln: Während der Regenzeit überwiegen Früchte, die auf kleinem Raum gefunden werden, während der Trockenzeit Blätter für die sich die Gibbons weiter herum bewegen müssen. Es wird vermutet, dass die Gibbons deswegen hoch oben in den Bäumen schlafen, damit sie nicht von Leoparden oder Nebelpardern überrascht werden. Wie andere Gibbonarten verhalten sie sich territorial. Nach einer Tragzeit von etwa 7 Monaten (200-212 Tagen) wird ein einzelnes Junges geboren, das mit Erreichen der Geschlechtsreife im Alter von 6-8 Jahren den Familienverband verlässt [2; 7; 11]. Gefährdung und SchutzDurch übermäßige Jagd und Abholzung des Lebensraums sind die Bestände dieses Schopfgibbons in den letzten 45 Jahren um mehr als 80% zurückgegangen. Da die Ursachen für diesen Rückgang wohl auch in Zukunft weiterhin bestehen, wurde die Art im Rahmen einer Beurteilung aus dem Jahr 2008 als vom Austerben bedroht taxiert (Rote Liste: CRITICALLY ENDANGERED). Dies wurde 2015 überprüft und bestätigt und 2020 so veröffentlicht [2]. Der internationale Handel ist durch CITES-Anhang I eingeschränkt. Zoogestütztes Artenschutzprojekte (Beispiele):
Bedeutung für den MenschenWeißwangengibbons werden zur Gewinnung von Fleisch und von Körperteilen für die Zwecke der traditionellen orientalischen Medizin gejagt und Jungtiere werden für den lokalen Heimtierhandel gefangen [2]. Von 1977-2017 wurden aus den Ursprungsländern keinerlei Ausfuhren registriert. Im selben Zeitraum wurden weltweit 24 Nachzuchttiere über internationale Grenzen verschoben [5]. HaltungVon 1991-2007 gab es ein Internationales Zuchtbuch, das am Zoo Mülhausen geführt wurde. Im Zoo Osnabrück wurden Weißwangengibbons mit Orang Utans vergesellschaftet [3]. WEIGL gibt als Altersrekord einen weiblichen Wildfang an, der nach einer Haltung von 34 Jahren und 10 Monaten im Zoo Hannover und dem Safaripark Beekse Bergen im Alter von etwa 38 Jahren starb [10]. Haltung in europäischen Zoos: Die Art wird in rund 35 Zoos gehalten, von denen sich ein paar im deutschsprachigen Raum befinden. Schwergewichtig wird die Art in Frankreich gehalten. Für Details siehe Zootierliste. Seit 1991 gibt es ein Europäisches Erhaltungszuchtprogramm (EEP, seit 2020 New Style EEP), das vom Zoo Mülhausen koordiniert wird. Die Erstzucht in Deutschland erfolgte 1976 durch den Zoo Hannover. Der Bestand lag 2019 bei 88 Tieren, wovon 10 Naturentnahmen, in 34 Institutionen, 2022 waren es noch 83 Tiere in 31 Einrichtungen [12; 13]. Forschung im Zoo: Weißwangengibbons sind gelegentlich Gegenstand von Forschungsarbeiten. So wurden z.B. Studien zur Mimik, zur sozialen Kommunikation, zum Paarbindungsverhalten und zur Gemeinschaftshaltung mit Orang-Utans durchgeführt [3; 6; 8; 9]. Mindestanforderungen an Gehege: Im Säugetiergutachten 2014 des BMEL wird für die Haltung einer Gibbonfamilie ein Außengehege von 50 m² bei einer Höhe von 4 m und einer Länge von mindestens 9 m sowie ein Innengehege von 30 m² bei 3.50 m Höhe gefordert, das "länger als breit" sein soll. Dies ist eine Erhöhung des Raumangebots auf beinahe das Dreifache gegenüber dem Gutachten’96, für die es keine Begründung gibt. Die Tierschutzsachverständigen der Zoos schlugen im Differenzprotokoll vor, dass für eine Familiengruppe bis zu 4 Tieren ein Außengehege von 25 m² bei 3.50 m Höhe und für jedes weitere Tier 8 m² mehr Fläche angeboten werden sollte. Das Innengehege sollte die gleichen Dimensionen aufweisen, falls ein Zugang zum Außengehege über längere Zeit nicht möglich ist Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2024) schreibt für 3 Gibbons ein Außen- und ein Innengehege mit einer Grundfläche von je 25 m² bei 3 m Höhe und für jedes weitere Tier 8 m² Fläche zusätzlich vor. Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2024) muss die Haltung paarweise erfolgen und es ist für ein Paar mit Jungen ein Außengehege mit einer Grundfläche von 80 m² bei 5 m Höhe sowie ein Innengehege von 30 m² bei 3.50 m Höhe erforderlich. Taxonomie und NomenklaturDer Weißwangengibbon wurde 1841 von dem aus Irland stammenden Naturforscher William OGILBY unter der Bezeichnung "Hylobates leucogenys" erstmals wissenschaftlich beschrieben. 1933 stellte ihn der amerikanische Zoologe und Botaniker Gerrit Smith MILLER Jr. als Typusart in die neue Gattung Nomascus. Allerdings wurde er danach lange als Unterart von Nomascus concolor angesehen. Wer auch nur wenige Jahre alte Literatur nach "Nomascus leucogenys" durchforstet, wird daher kaum fündig, denn die Tiere hießen bis vor Kurzem noch "Hylobates concolor leucogenys". Nomascus siki, heute auch eine eigene Art wurde früher unter leucogenys subsumiert. leucogenys hybridisiert unter natürlichen Bedingungen mit Tieren der von den neuzeitlichen Taxonomen abgetrennten Arten, d.h. unter Berücksichtigung biologischer Kriterien müsste man von Unterarten sprechen [1; 2; 4; 11]. |
Literatur und Internetquellen
- BERGER, G. & TYLINEK, E. (1984)
- RAWSON, B.M. et al. (2020). Nomascus leucogenys (errata version published in 2020). The IUCN Red List of Threatened Species 2020: e.T39895A180816530. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2020-2.RLTS.T39895A180816530.en. Downloaded on 28 April 2021.
- BRÜCKNER, J. (2014)
- CITES IDENTIFICATION MANUAL
- CITES TRADE DATA BASE
- HOFFMANN, W. (2012)
- PRIMATE INFO NET
- ROSENKRANZ, S. (2002)
- VON ALLMEN, A. (2005)
- WEIGL, R. (2005)
- WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
- LEFAUX, B.et al. (eds., 2020) EAZA Regional Collection Plan for Gibbon species - February 2020. Amsterdam.
- EAZA Gibbon TAG Update 28.09.2022, Albufeira.