Weisswangengibbon

Weisswangen-Schopfgibbon (Nomascus leucogenys), Zoo Osnabrück
© Zoo Osnabrück (Pressefoto)

Überordnung: EUARCHONTOGLIRES
Ordnung: Affen und Halbaffen (PRIMATES)
Unterordnung: Affen (Simiae / Haplorrhini)
Teilordnung: Eigentliche Affen (Simiiformes)
Überfamilie: Altwelt- oder Schmalnasenaffen (Catarrhini)
Familie: Gibbons (Hylobatidae)

D CR 650

EEPNördlicher Weißwangen-Schopfgibbon

Nomascus leucogenys • The White-cheeked Gibbon • Le gibbon à favoris blancs

Der Gibbon war das Zootier des Jahres 2019

106 009 001 002 nomascus leucogenys KKOZ PD1Nördliches Weißwangengibbon-Männchen (Nomascus leucogenys) im Khao Kheow Open Zoo, Chonburi, Thailand © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

 

106 009 001 002 nomascus leucogenys mapApproximative Verbreitung des Nördlichen Weißwangengibbons (Nomascus leucogenys)

 

 

106 009 001 002 nomascus leucogenys Paris PD1Weißwangengibbon-Weibchen (Nomascus leucogenys) im Zoo de Vincennes, Paris © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

 

106 009 001 002 nomascus leucogenys KKOZ PD2Weißwangengibbon-Männchen (Nomascus leucogenys) im Khao Kheow Open Zoo, Chonburi, Thailand © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

 

106 009 001 002 nomascus leucogenys lafleche PD1Familie des Nördlichen Weißwangengibbons (Nomascus leucogenys) im Zoo du Tertre Rouge in La Flèche © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

 

106 009 001 002 nomascus leucogenys m tregomeur PD1Nördliches Weißwangengibbon-Männchen (Nomascus leucogenys) im ZooParc de Trégomeur © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

 

106 009 001 002 nomascus leucogenys f tregomeur PD1Nördliches Weißwangengibbon-Weibchen (Nomascus leucogenys) im ZooParc de Trégomeur © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

 

106 009 001 002 nomascus leucogenys m sables PD1Nördliches Weißwangengibbon-Männchen (Nomascus leucogenys) im Zoo des Sables d'Olonne © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

 

106 009 001 002 nomascus leucogenys aussig wDreier1Nördliches Weißwangengibbon-Weibchen (Nomascus leucogenys) mit Jungtier im Zoo Aussig / Usti nad Labem © Wolfgang Dreier, Berlin

 

 

106 009 001 002 nomascus leucogenys aussig wDreier2Nördliches Weißwangengibbon-Weibchen (Nomascus leucogenys) mit Jungtieren im Zoo Aussig / Usti nad Laben © Wolfgang Dreier, Berlin

 

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Der in Teilen seines Ursprungsgebiets bereits ausgestorbene und im Rest vom unmittelbar Aussterben bedrohte Weißwangengibbon ist, wie alle Gibbons, eine für das Publikum sehr attraktive Tierart, die sich bestens als Botschafter für die Erhaltung der zunehmend bedrohten Wälder Südostasiens und ihrer vielfach gefährdeten tierischen Bewohner eignet. Seine Haltung wird durch ein europäisches Zuchtprogramm gefördert. Rund die Hälfte der Nomascus-Haltungen in Europa hat N. leucogenys.

Körperbau und Körperfunktionen

Wie alle Gibbons hat dieser Schopfgibbon keinen Schwanz und seine Arme sind viel länger als die Beine. Auch die Hände sind lang und ihr Daumen wurzelt nahe dem Handgelenk. Diese Besonderheiten ermöglichen den Tieren das Schwinghangeln (Brachiation) von Ast zu Ast. Als Kopf-Rumpflänge werden 46-64 cm und ein Gewicht 5-7 kg angegeben. Das haarlose Gesicht ist dunkel pigmentiert. Es besteht ein ausgeprägter Geschlechtsdichromatismus: Die Männchen, die sich von den Weibchen auch durch einen hohen Schopf auf dem Kopf unterscheiden, sind schwarz mit großen, bis zum Kinn reichenden weißen Wangenflecken. Die Weibchen sind blass- bis orangegelb mit schwarzem bis braunem Scheitelfleck und einem bisweilen unvollständigen weißen Ring um das Gesicht. Die Jungtiere beider Geschlechter sind anfänglich wie die Männchen gefärbt [1; 7; 11].

Verbreitung

Südostasien: Laos und Vietnam. In China ausgestorben [2].

Lebensraum und Lebensweise

Weißwangengibbons kommen in feuchten immergrünen und teilweise laubabwerfenden Wäldern, alten Sekundärwäldern und im Gebirge in Mischwäldern mit Koniferen vor. Die Höhenverbreitung reicht 200 bis auf etwa 1'650 m, wobei die Tiere unterhalb von 700 m heute selten sind. Sie sind tagaktive Baumtiere und leben zusammen mit ihrem Nachwuchs in dauerhafter Einehe. Eine Familie besteht im Mittel aus 4 Tieren.

Weißwangengibbons ernähren sich hauptsächlich von Früchten, daneben fressen sie Blätter, Knospen, Blüten und Insekten. Sie verbringen den größten Teil ihrer aktiven Zeit damit, in den Baumkronen nach Nahrung zu suchen. Je nach Jahreszeit ändert sich die Zusammensetzung des Speiseplans und auch die Zeit, die aufgewendet werden muss, um das Futter zu sammeln: Während der Regenzeit überwiegen Früchte, die auf kleinem Raum gefunden werden, während der Trockenzeit Blätter für die sich die Gibbons weiter herum bewegen müssen. Es wird vermutet, dass die Gibbons deswegen hoch oben in den Bäumen schlafen, damit sie nicht von Leoparden oder Nebelpardern überrascht werden. Wie andere Gibbonarten verhalten sie sich territorial. Nach einer Tragzeit von etwa 7 Monaten (200-212 Tagen) wird ein einzelnes Junges geboren, das mit Erreichen der Geschlechtsreife im Alter von 6-8 Jahren den Familienverband verlässt [2; 7; 11].

Gefährdung und Schutz

Durch übermäßige Jagd und Abholzung des Lebensraums sind die Bestände dieses Schopfgibbons in den letzten 45 Jahren um mehr als 80% zurückgegangen. Da die Ursachen für diesen Rückgang wohl auch in Zukunft weiterhin bestehen, wurde die Art im Rahmen einer Beurteilung aus dem Jahr 2008 als vom Austerben bedroht taxiert (Rote Liste: CRITICALLY ENDANGERED). Dies wurde 2015 überprüft und bestätigt und 2020 so veröffentlicht [2].

Der internationale Handel ist durch CITES-Anhang I eingeschränkt.

Zoogestütztes Artenschutzprojekte (Beispiele):

  • Im Rahmen der Aktion "Zootier des Jahres 2019", die 115'000 € erbrachte wurde ein Projekt zum Schutz des Weißbwangengibbons in Laos im nationalen Schutzgebiet Nakai-Nam Theun, mit 3'500 km² eines der letzten großen zusammenhängenden Waldgebiete der indochinas, lunterstützt. Die Aktion wurde gefördert von den Zooverbänden im deutschsprachigen Raum sowie von 25 einzelnen Mitgliedzoos bzw. Zoovereinen.

  • Die französische Association Anoulak engagiert sich längerfristig im Schutz des 3'500 km² großen Nakai-Nam Theun-Nationalparks. Insbesondere erforscht die Verbreitung des Nördlichen Weißwangengibbons und entwickelt dazu Methoden zur besseren Überwachung der Bestände. Anoulak wird von rund 15, hauptsächlich europäischen Zoos, vom französischen Zooverband und von der ZGAP unterstützt. mehr ...

Bedeutung für den Menschen

Weißwangengibbons werden zur Gewinnung von Fleisch und von Körperteilen für die Zwecke der traditionellen orientalischen Medizin gejagt und Jungtiere werden für den lokalen Heimtierhandel gefangen [2].

Von 1977-2017 wurden aus den Ursprungsländern keinerlei Ausfuhren registriert. Im selben Zeitraum wurden weltweit 24 Nachzuchttiere über internationale Grenzen verschoben [5].

Haltung

Von 1991-2007 gab es ein Internationales Zuchtbuch, das am Zoo Mülhausen geführt wurde.

Im Zoo Osnabrück wurden Weißwangengibbons mit Orang Utans vergesellschaftet [3].

WEIGL gibt als Altersrekord einen weiblichen Wildfang an, der nach einer Haltung von 34 Jahren und 10 Monaten im Zoo Hannover und dem Safaripark Beekse Bergen im Alter von etwa 38 Jahren starb [10].

Haltung in europäischen Zoos: Die Art wird in rund 35 Zoos gehalten, von denen sich ein paar im deutschsprachigen Raum befinden. Schwergewichtig wird die Art in Frankreich gehalten. Für Details siehe Zootierliste.

Seit 1991 gibt es ein Europäisches Erhaltungszuchtprogramm (EEP, seit 2020 New Style EEP), das vom Zoo Mülhausen koordiniert wird. Die Erstzucht in Deutschland erfolgte 1976 durch den Zoo Hannover. Der Bestand lag 2019 bei 88 Tieren, wovon 10 Naturentnahmen, in 34 Institutionen, 2022 waren es noch 83 Tiere in 31 Einrichtungen [12; 13].

Forschung im Zoo: Weißwangengibbons sind gelegentlich Gegenstand von Forschungsarbeiten. So wurden z.B. Studien zur Mimik, zur sozialen Kommunikation, zum Paarbindungsverhalten und zur Gemeinschaftshaltung mit Orang-Utans durchgeführt [3; 6; 8; 9].

Mindestanforderungen an Gehege: Im Säugetiergutachten 2014 des BMEL wird für die Haltung einer Gibbonfamilie ein Außengehege von 50 m² bei einer Höhe von 4 m und einer Länge von mindestens 9 m sowie ein Innengehege von 30 m² bei 3.50 m Höhe gefordert, das "länger als breit" sein soll. Dies ist eine Erhöhung des Raumangebots auf beinahe das Dreifache gegenüber dem Gutachten’96, für die es keine Begründung gibt.

Die Tierschutzsachverständigen der Zoos schlugen im Differenzprotokoll vor, dass für eine Familiengruppe bis zu 4 Tieren ein Außengehege von 25 m² bei 3.50 m Höhe und für jedes weitere Tier 8 m² mehr Fläche angeboten werden sollte. Das Innengehege sollte die gleichen Dimensionen aufweisen, falls ein Zugang zum Außengehege über längere Zeit nicht möglich ist

Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2024) schreibt für 3 Gibbons ein Außen- und ein Innengehege mit einer Grundfläche von je 25 m² bei 3 m Höhe und für jedes weitere Tier 8 m² Fläche zusätzlich vor.

Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2024) muss die Haltung paarweise erfolgen und es ist für ein Paar mit Jungen ein Außengehege mit einer Grundfläche von 80 m² bei 5 m Höhe sowie ein Innengehege von 30 m² bei 3.50 m Höhe erforderlich.

Taxonomie und Nomenklatur

Der Weißwangengibbon wurde 1841 von dem aus Irland stammenden Naturforscher William OGILBY unter der Bezeichnung "Hylobates leucogenys" erstmals wissenschaftlich beschrieben. 1933 stellte ihn der amerikanische Zoologe und Botaniker Gerrit Smith MILLER Jr. als Typusart in die neue Gattung Nomascus. Allerdings wurde er danach lange als Unterart von Nomascus concolor angesehen. Wer auch nur wenige Jahre alte Literatur nach "Nomascus leucogenys" durchforstet, wird daher kaum fündig, denn die Tiere hießen bis vor Kurzem noch "Hylobates concolor leucogenys". Nomascus siki, heute auch eine eigene Art wurde früher unter leucogenys subsumiert. leucogenys hybridisiert unter natürlichen Bedingungen mit Tieren der von den neuzeitlichen Taxonomen abgetrennten Arten, d.h. unter Berücksichtigung biologischer Kriterien müsste man von Unterarten sprechen [1; 2; 4; 11].

Literatur und Internetquellen

  1. BERGER, G. & TYLINEK, E. (1984)
  2. RAWSON, B.M. et al. (2020). Nomascus leucogenys (errata version published in 2020). The IUCN Red List of Threatened Species 2020: e.T39895A180816530. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2020-2.RLTS.T39895A180816530.en. Downloaded on 28 April 2021.
  3. BRÜCKNER, J. (2014)
  4. CITES IDENTIFICATION MANUAL
  5. CITES TRADE DATA BASE
  6. HOFFMANN, W. (2012)
  7. PRIMATE INFO NET
  8. ROSENKRANZ, S. (2002)
  9. VON ALLMEN, A. (2005)
  10. WEIGL, R. (2005)
  11. WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
  12. LEFAUX, B.et al. (eds., 2020) EAZA Regional Collection Plan for  Gibbon species - February 2020. Amsterdam.
  13. EAZA Gibbon TAG Update 28.09.2022, Albufeira.