Biodiversitätsverlust bremsen

Das letzte Quagga (Equus q. quagga) starb 1883 im Zoo von Amsterdam. Dermoplastik im Naturmuseum Senckenberg
© Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

Die biologische Vielfalt unseres Planeten steht vor wachsenden Bedrohungen durch illegalen Handel, Klimawandel und Lebensraumzerstörung. Eine Gemeinsamkeit dieser Bedrohungen ist, dass sie alle mit uns Menschen in Zusammenhang stehen. Wir haben daher die Macht und die Verantwortung, den Kurs zu ändern. Zoos und Aquarien können dabei eine Schlüsselrolle spielen. Als Leitlinien dazu dienen die Naturschutzstrategien des Welt-Zoo- und Aquarienverbands WAZA [IUDZG 1993; WAZA 2005; WAZA 2015].

11 1 0 6 Frankfurt RolandMeineckeWenig Lebensraum für Wildtiere: Zentrum von Frankfurt. Bild Roland Meinecke, Free Art License

11 1 0 7 Feld PDGroßflächige, periodisch kahle Monokulturen sind keine geeignete Lebensräume © Peter Dollinger, VdZ

11 1 0 5 Zustand IUCNWie sich die Siruation einzelner Wirbeltierklassen seit 1960 verändert hat. Oben: besser, unten: schlechter. Grafik aus Roter Liste der IUCN

11 1 0 3 Katze mit Beute LJV NRWKatze mit Beute © Landesjagdverband NRW

11 1 0 4 Katze mit Beute prvat BILDKatze mit Wildkaninchen als Beute. Aufnahme privat, veröffentlicht in BILD.de

Durch das ungebremste Wachstum der Erdbevölkerung und ihren zunehmenden Verbrauch von natürlichen Ressourcen wächst der Druck auf unsere Umwelt. Die "Biodiversität" oder auch "biologische Vielfalt", d. h. die genetische Vielfalt, die Artenvielfalt und die Vielfalt der Ökosysteme, nimmt ab und die Roten Listen der gefährdeten Tier- und Pflanzenarten werden immer länger. Dies trotz aller staatlich verordneten Strategien und Aktionspläne, und obwohl man weiß, dass biologische Vielfalt etwa in der Landwirtschaft eine große Bedeutung für den Erhalt von volkswirtschaftlich bedeutenden Ökosystemdienstleistungen hat.

2023 ging die IUCN davon aus, dass 27% der Säugetiere, 13 % der Vögel, 38 % der Chamäleons, 41% der Amphibien, 37% der Haie und Rochen, 36 % der Süßwasserkrabben und 33% der riffbildenden Steinkorallen gefährdet, stark gefährdet, vom Aussterben bedroht, im Freiland bereits verschwunden oder in jüngerer Zeit ausgestorben sind. Nebst 393 Wirbeltierarten, die seit dem Jahr 1600 das Zeitliche gesegnet haben, und den 22 Arten, die es nur noch in Menschenobhut gibt, führt die IUCN 2413 Wirbeltierarten an, die unmittelbar vom Aussterberben bedroht sind (ROTE LISTE 2022/2). In der Schweiz sind 40% der Brutvögel in einer höheren Gefährdungskategorie der Roten Liste aufgeführt. Die Zahl der potenziell gefährdeten Arten ist im Zeitraun 2001-2021 von 12 auf 20% gestiegen [KNAUS et al. 2021]. Von den 35 in der Schweiz heimischen Reptilien- und Amphibienarten stehen gar 80 % auf der Roten Liste. Von den 71 einheimischen Fischarten sind 9 bereits ausgestorben, von den noch vorhandenen sind 60% in einer höheren Gefährdungskategorie und 20% sind potenziell gefährdet.

Aber nicht nur die Arten sind gefährdet, auch die Zahl der Individuen nimmt bei vielen noch relativ häufigen Arten ab. So leben in Europa heute rund 421 Millionen Vögel weniger als noch vor drei Jahrzehnten. Zu etwa 90 Prozent betrifft der Rückgang gewöhnliche Arten wie Haussperling und Star, oder Bodenbrüter wie Lerche und Rebhuhn [INGER et al., 2015]. Verantwortlich dafür sind der zunehmende Verlust des natürlichen Lebensraums, moderne Methoden der Bewirtschaftung in der Landwirtschaft und auch wildlebende Hauskatzen oder vom Menschen eingeschleppte oder absichtlich eingeführte gebietsfremde Tier- und Pflanzenarten.

  • In den USA wurd geschätzt, dass freilaufende oder verwilderte Hauskatzen jährlich 1.4 bis 3.7 Milliarden Vögel (nach neueren Angaben ca. 2.5 Milliarden) und 6.9 bis 20.7 Milliarden Kleinsäuger töten [LOSS et al. 2013]. Nach einer Pressemitteilung des Landesjagdverbandes Nordrhein-Westfalen vom 8. Mai 2014 streunen in Deutschland schätzungsweise 2 Millionen verwilderte Katzen herrenlos umher. Wenn jede davon alle Wochen auch nur einen Vogel frisst, kommt man auf einen Verlust von 100 Millionen Vögeln. Hinzu kommt, dass auch die Freigänger unter den nicht verwilderten Katzen jagen, wenn auch in geringerem Ausmaß. Die Auswirkung der Hauskatzen auf Eidechsen und Blindschleichen ist wohl noch gravierender als im Falle der Vögel und Säugetiere. Für die USA wird die Zahl der jährlich durch Katzen getöteten Reptilien auf 258 bis 822 Millionen, jene der Amphibien auf 95 bis 299 Millionen Individuen geschätzt [LOSS et al. 2013].

Unter dem Titel "Reverse the Red" ist der Weltverband der Zoos und Aquarien (WAZA) mit der IUCN Species Survival Commission und anderen führenden Organisationen eine Partnerschaft eingegangen, um die negativen Trends des Artenschwunds zu bremsen und wo möglich umzukehren. "Reverse the Red" stellt Instrumente und Partnerschaften bereit, um Naturschutzbemühungen zu bündeln und Staaten bei der Umsetzung der Artenziele des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) für die Zeit nach 2020 zu unterstützen. Der Internetauftritt der Aktion führt zahlreiche Erfolgsgeschichten an, die zu einer Herabstufung von Arten auf der Roten Liste geführt haben [9]. Die WAZA hat dazu einen Kurzleitfaden erstellt, der von der Zoologischen Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz (ZGAP) ins Deutsche übersetzt wurde.

WAZA-Reverse the Red-Kurzleitfaden (PDF)

Literatur:

  1. BAUR, B. (2010)
  2. KÜCHLER-KRISCHUN, J., WALTER, A.M. & HILDEBRAND, M. (Red., 2007)
  3. IUDZG & IUCN/SSC-CBSG (1993)
  4. LACHAT, T., PAULI, D., GONSETH, Y., KLAUS, G., SCHEIDEGGER, C., VITTOZ, P. & WALTER, T. (Red., 2010)
  5. LOSS, S. R., WILL, T. & MARRA, P. P. (2013)
  6. MULHAUSER, B, (2005)
  7. REICHHOLF, J. (2008)
  8. REICHHOLF, J. (2009)
  9. REVERSE THE RED
  10. SAUBERER, N., MOSER, D. & GRABHERR, G. (Red., 2008)
  11. STREIT, B. (2007)
  12. WAZA (2005)
  13. WAZA (2015)
  14. KNAUS, P., SATTLER, T., SCHMID, H., STREBEL, N. & VOLET, B. (2021)
  15. BAFU (2022). Rote Liste der gefährdeten Arten der Schweiz: Fische und Rundmäuler.
  16. BAFU (2023) Rote Liste der Reptilien; Rote Liste der Amphibien

2015-10-13; 12.10.2023; 28.02.2024; 02.08.2024-lit.

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