Zooschulunterricht am Wildpferdgehege
© Zoo Leipzig
Dass Zoos der "volkstümlichen Belehrung des breiten Publikums" dienen sollen, hat der Schweizer Zoodirektor Heini HEDIGER [5] schon zur Mitte des letzten Jahrhunderts gefordert. Diese Forderung ist in die Zoo-Richtlinie der EU eingegangen [10]. Sie gehört heute zu den Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in Zooverbänden [9] und ganz allgemein zum Selbstverständnis zeitgemäßer Zoos.
Anlässlich des 4. Rigi-Symposiums [1] hielten die Zoos der Alpenländer dazu folgendes fest:
Damit der Zoo seine Aufgaben im Bildungsbereich optimal erfüllen kann, sind bei der Planung und Gestaltung von Tiergehegen die Belange der Zoopädagogik zu berücksichtigen. Das Design moderner Tieranlagen fokussiert längst nicht mehr ausschließlich auf die Haltungsbedingungen der Tiere. Verstärkt rücken die Bedürfnisse der Zoobesucher und die Absicht der Zoos, ihre Gäste für die Belange der Biodiversität zu informieren und zu sensiblisieren, in das Blickfeld von Architekten und Planern. Die Diplomarbeit von Susann VOSS [8] zeigt auf, welche Überlegungen in diesem Zusammenhang angestellt werden (können), damit sowohl den Anforderungen der Tiere als auch den Besuchererwartungen Genüge getan wird. Ein gutes Informationsangebot trägt zu einer Attraktivitätssteigerung von Anlage und Tier bei. Die Aufnahmefähigkeit der Besucher darf jedoch nicht überstrapaziert werden und spielerisches, müheloses Lernen sollte angeregt werden [6]. Bis zum Zweiten Weltkrieg waren für viele Tierarten kleine, schwer vergitterte Gehege mit minimalistischer Einrichtung vorherrschend. Diese ähnelten oft Gefängniszellen und prägen bis heute die Zoosicht vieler Zoogegner, die bei ihrer Zookritik immer noch Rainer Maria Rilkes Gedicht "Der Panther" aus dem Jahr 1902 zitieren, auch wenn der Käfig, auf den dieses sich bezog, schon vor über 80 Jahren abgerissen wurde. Dass es nicht möglich war, vor einem solchen Gehege, von der Tiergestalt an sich einmal abgesehen, etwas über das Tier zu lernen, versteht sich von selbst. Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe so müd geworden, dass er nichts mehr hält. Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt. Als Folge der bahnbrechenden Veröffentlichungen Heini HEDIGERs über Tierpsychologie und Zootierhaltung [4; 5] entstanden ab den 1950er-Jahren Gehege, die den Tieren arttypische Verhaltensweisen ermöglichten, was auch ihren Informationswert steigerte. Die Gehegeeinrichtung war vorerst in vielen Fällen rein funktional, auf Hygiene ausgerichtet und zeigte das Tier in einer Umgebung, die mit seinem natürlichen Lebensraum nichts zu tun hatte. Mit dem Ersatz der ersten Generation moderner Gehege setzte die Phase der naturalistischen Gehegegestaltung ein, die eine Vorstellung des Tieres in einer naturnahen Umgebung ermöglichte, aber eine klare Trennung von Besucher- und Tierbereich vornahm. Naturalistische Gehege werden als ästhetischer und eindrucksvoller empfunden als rein funktionale, was der Auseinandersetzung mit dem Tier zweifellos förderlich ist. Mit dem Einbezug des Besucherbereichs und der ganzen Umgebung in die Gestaltung sowie dem Ersatz von Gittern durch nicht sichtbare Barrieren oder dem gänzlichen Verzicht darauf enstanden die sogenannten Immersionsgehege, deren Bauweise ein barrierefreies Beobachten, oft von verschiedenen Standpunkten aus, und den nahezu oder tatsächlichen direkten Kontakt zwischen Tier und Publikum ermöglicht. Gehege nach dem Immersionsprinzip stellen oft einen Bezug zu einem vom Zoo geförderten in situ-Projekt her und helfen, negative Sichtweisen der Besucher gegenüber den Tieren und ihrer Haltung in Menschenhand zu verringern. Da mit positiven Emotionen gelernte Informationen besser im Gedächtnis bleiben, kann die Erlebniswelt unmerklich zur Lernwelt werden. Der Zoo bietet sich damit als erlebnisorientierter Lernort an, der positiv auf Motivation und Interesse der Besucher einwirkt. Jede Gehegegestaltung ist auch “angewandte Pädagogik”. Der europäische Zoo- und Aquarien-Verband EAZA hat deshalb eine Arbeitsgruppe “Exhibit Design & Education” eingerichtet. Darum sollten die Spezialisten dieses Bereiches bei der Gehegeplanung nicht ausgeschlossen bleiben, was der ehemalige Zoopädagoge des Berliner Zoos, PIES-SCHULZ-HOFEN schon zur Beginn der 2000er-Jahre gefordert hatte [2; 3; 6; 7]. Eine Studie über Designtrends und pädagogische Einflüsse in deutschsprachigen, zoologischen Einrichtungen wurde von Britta HABBE et al. [3] durchgeführt. Dabei kam heraus, dass den sogenannten Zoo-Erlebniswelten bei rund 80% der befragten Institutionen pädagogische Konzepte zugrunde liegen. |
Ergänzend zu diesem Artikel:
- Fotodokumentation: Die Bären-Wolfsanlage in Goldau
- Beispiele für neuere Gehege und Anlagen
- Powerpoint-Präsentation Gehegeschilder
- Habbe, B. et al. (2010) Volltext
Literatur:
- DOLLINGER, P. (Hrsg., 2010)
- GANSLOßER, U. (2002)
- HABBE, B., GANSLOßER, U. & PÜTZ, N. (2010)
- HEDIGER, H. (1942)
- HEDIGER, H. (1973)
- MATTHES, C. (2008)
- SALZERT, W. (2010)
- OSS, S. (2009)
- WAZA (2005)
- ZOO-RICHTLINIE DER EU (1999)
[2272]