Kanarienvogel, Kanarengirlitz

Kanarienvogel (Serinus canaria f. dom.) in der Stadtvoliere Schwäbis in Thun
© Peter Dollinger, Zoo Office Bern

Ordnung: Sperlingsvögel (PASSERIFORMES)
Unterordnung: Singvögel (OSCINES)
Familie: Finken (Fringillidae)
Unterfamilie: Stieglitzartige (Carduelinae)
Tribus: Carduelini

D LC 650

Kanarienvogel, Kanarenzeisig

Serinus canaria (f. dom.) • The Canary • Le canari / Le serin des Canares

227 048 018 027 serinus canaria thun PD1Kanarienvogel (Serinus canaria f. dom) in der Stadtvoliere Schwäbis, Thun © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

227 048 018 027 serinus canaria mapApproximative Verbreitung der Wildform des Kanarienvogel (Serinus canaria). Dunkelblau: autochthone Verbreitung; dunkegrün: angesiedelte Population

227 048 018 027 serinus canaria tenerife KR2Kanarengirlitz (Serinus canaria) bei Las Lajas, Teneriffa © Klaus Rudloff, Berlin

227 048 018 027 serinus canaria thun PD3Kanarienvogel (Serinus canaria f. dom) in der Stadtvoliere Schwäbis, Thun © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

227 048 018 027 serinus canaria thun PD4Kanarienvögel (Serinus canaria f. dom)mit roten Flecken im Vogelpark Östringen © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

227 048 018 027 serinus canaria TPB KR2Kanarienvögel (Serinus canaria f. dom.) im Tierpark Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

227 048 018 027 serinus canaria TPB KR1Gesangkanari (Serinus canaria f. dom.) im Tierpark Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

227 048 018 027 serinus canaria positur NEWSchrPositurkanari "Deutsche Haube Satinet gelb schimmel" © NEWSchr. Übernommen aus Wikimedia Commons unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International-Lizenz.

227 048 018 027 serinus canaria rotmosaik bugallo sanchezFarbenkanari "Rot-mosaik" © Luis Miguel Bugallo Sánchez. Übernommen unter der GNU Free Documentation-Lizenz 1.2+ aus Wikimedia Commons

227 048 018 027 serinus canaria BREHMKanarengirlitz (Serinus canaria), Wildform. Illustration aus BREHMS THIERLEBEN (1882-1887). Gemeinfrei.

227 048 018 027 serinus canaria reffKanarien-Reffträger. Zeichnung aus RUHE, H. (1960), nach einer Vorlage aus der Sammlung Prof. Hugo Busch.

227 048 018 027 serinus canaria imstImster Vogelhändler. Zeichnung aus RUHE, H. (1960), nach einer Vorlage aus der Sammlung Prof. Hugo Busch.

 

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Stimme auf XENO-CANTO

Der Vogelhändler (Operettenquerschnitt, YOUTUBE)

Der Kanarengirlitz vertritt den europäischen Girlitz auf den nordatlantischen Inseln. Seine domestizierte Form, der Kanarienvogel, gehört zu den ältesten Heimtieren der Europäer und ist heute weltweit verbreitet. Die Wildform wird nur selten, die Zuchtform sehr häufig in Tiergärten und öffentlichen Volieren gezeigt

Körperbau und Körperfunktionen

Der Kanarengirlitz (Wildform) ist etwas größer, oberseits grauer und unterseits gelber als der europäische Girlitz. Er unterscheidet sich von diesem auch stark durch seinen Gesang. Er erreicht eine Länge von 12-13.5 cm und ein Gewicht von 15-20 g. Der Schwanz ist gegabelt. Der Augenring ist dunkelbraun; Schnabel und Füße sind bräunlich fleischfarben. Stirn, das Feld ums Auge sowie Kehle und Unterseite sind gelb, Kopf und Flanken grau und der Mantel braun. Die Flügel weisen gelbe Bänder auf [3; 4, 5; 8].

Verbreitung

Nordostatlantische Inseln: Die Wildform kommt natürlicherweise auf den Inselgruppen der Azoren, Kanaren (El Hierro, La Gomera, La Palma, Teneriffa und Gran Canaria, nicht auf Fuerteventura und Lanzarote) sowie Madeiras vor. Auf Bermuda, Puerto Rico und Hawaii gibt es angesiedelte Populationen [1].

Lebensraum und Lebensweise

Der Kanarengirlitz ist ein Stand- und Strichvogel, der Kiefern- und Lorbeerwälder vom Tiefland bis in die submontane Stufe, auf den Kanaren bis in Höhenlagen von 1'700 m, Ränder von Anbaugebieten, Hecken, Dickichte, Obstplantagen, Parks und Gärten, auf Madeira auch offene halbtrockenen Gebieten mit wenig oder keiner Vegetationsdecke bewohnt. Er ernährt sich hauptsächlich von Samen, insbesondere von Kräutern und Gräsern, sowie von Knospen und Früchten und einem geringen Anteil Insekten [1; 4; 8].

Die Fortpflanzungsperiode dauert von Januar bis Juli, wobei die Vögel in höheren Lagen später zu brüten anfangen, als die im Tiefland. Es wird 2-3x pro Jahr gebrütet. Das Nest wird vom Weibchen gebaut, während das Männchen in der Nähe durch Gesang das Brutterritorium markiert. Das Nest ist eine tiefe, kompakte Tasse aus Pflanzenmaterial, Tierhaaren (hauptsächlich Schafwolle) und Federn, das in einem Baum oder Busch, oft in einer Astgabel oder am Ende eines dünnen Zweigs errichtet wird. Das Gelege besteht aus 3-4(-5) Eiern, die vom Weibchen allein während 13-14 Tagen ausgebrütet werden. Die Nestlingszeit dauert 15-17(-19) Tage, danach werden die Jungen weitere drei Wochen von beiden Eltern gefüttert [4; 5].

Gefährdung und Schutz

Das Areal des Kanarienvogels ist zwar relativ klein, aber seine Bestände sind groß und stabil. Die autochthonen Populationen werden auf 1.5 bis 2.5 Millionen erwachsene Paare geschätzt. Seit 2004, letztmals überprüft 2018, ist die Art deshalb in der Roten Liste als nicht-gefährdet (Rote Liste: LEAST CONCERN) eingestuft [1].

Die Art ist weder in der Berner Konvention über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume noch in der Vogelschutzrichtlinie der EU (2009/147/EG) explizit aufgeführt.

Bedeutung für den Menschen

Die Wildform wird laut Roter Liste der IUCN für den internationalen Tierhandel gefangen [1]. Das war früher sehr wohl der Fall [3; 12], dürfte aber aufgrund der Vogelschutz-Richtlinie der EU für die autochthonen Populationen und allgemein wegen der Verfügbarkein zahlloser Nachzuchtvögel heute kaum noch zutreffen. Kanarienvögel wurden ehemals nicht nur als Heimtiere gehalten, sondern hatten auch im Bergbau eine wichtige Funktion als Anzeiger für Kohlenmonoxid: Trat unter Tage das geruchslose Gas aus, so starben die in kleinen Bauern mitgenommenen Vögel schon bei geringer Gaskonzentration und bevor die Bergleute Schaden nahmen [10].

Domestikation: Auf den Kanaren wurde die Art bereits von den Ureinwohnern domestiziert und nach der Wiederentdeckung der Inseln, spätestens ab der Besitznahme durch die Spanier im 15. Jahrhundert nach Europa eingeführt und gezüchtet. Um sich das Monopol zu sichern, wurden vorerst nur Hähne nach anderen europäischen Ländern exportiert, ab dem 16. Jahrhundert konnten aber auch andernorts, namentlich in Italien, Zuchten aufgebaut werden. Zu dieser Zeit traten auch die ersten Mutationen auf. Anfänglich handelte es sich um gelbe Flecken im ansonsten wildfarbenen Gefieder, dann wurden reingelbe Vögel gezüchtet später auch andere Farbenschläge. Die rotfaktorigen Kanarien entstanden durch Einkreuzen von Kapuzenzeisigen (Spinus cucullatus). Mittlerweile gibt es Hunderte Rassen. Diese werden wie folgt unterteilt [6; 7; 9; 10; 11]

  • Gesangkanarien: Der Kanarienvogel dürfte die einzige Tierart sein, bei der der Mensch unternommen hat, durch gezielte Selektion ihre Stimme zu beeinfluss. Die bekannteste Rasse dieser Gruppe ist der Harzer Roller mit seinem markant rollenden, abwechslungsreichen und sehr melodischen Gesang, der im 19. Jahrhundert aus Vögel erzüchtet wurde, die Bergleute aus Imst im Tirol in der Harz gebracht hatten.
  • Positur- oder Gestaltkanarien: Unterscheiden sich in Körperform, Körperhaltung oder der Ausbildung des Gefieders (Frisuren) stark von der Wildform.
  • Farbkanarien: Werden unterteilt in Lipochromkanarien mit hellem Gefieder in einer der Grundfarben weiß, gelb oder rot, und Melaninkanarien, deren Gefieder Melanine enthält, das eine Streifung oder Stichelung des Gefieders bewirkt.

Im 18./19. Jahrhundert war Imst im Tirol das Zentrum des Kanarienhandels. Die von Züchtern aufgekauften Vögel wurden in kleine Käfige, sogenannte Harzer Bauer, gesteckt. 160-170 Bauer wurden auf ein Holzgestell, das Reff, gestellt. Das vollbeladene Reff mit einem Gewicht von ca. 50 kg wurde über große Strecken auf dem Rücken zu den Abnehmern transportiert [12]. Um 1730 gelangten Kanarienvögel von Imst in den Harz, wo sich in der Folge ein bedeutendes Zuchtzentrum etwickelte und eine besonders schön singende Rasse, der Harzer Roller, entstand. Seit 2001 gibt es in Sankt Andreasberg das Harzer Roller-Kanarien-Museum, wo nebst Exponaten zu Zucht, Haltung und Transport der Vögel auch lebende Kanarien und und eine Vogelhaus-Werkstatt besichtigt werden können.

Der Handel mit Kanarienvögeln stand am Anfang der 1860 von Ludwig RUHE gegründeten und bis 1993 existierenden  Tierhandelsfirma, die ab 1880 das Sortiment auf andere Vögel, Großtiere und Reptilien ausdehnte und zu einem Hauptlieferanten Zoologischer Gärten weltweit wurde, aber auch Zoos und Safariparks  konzipierte und erstellte, manche davon auch selbst betrieb.

Kulturelle Bedeutung: Der Handel mit Kanarien durch fahrende Tiroler Vogelhändler aus Imst ist der Aufhänger für die Operette in drei Akten «Der Vogelhändler» von Carl ZELLER.

Haltung

Das Höchstalter in menschlicher Obhut wird als "6-15 Jahre" angegeben. Allgemein werden für Girlitze 9 Jahre genannt [5; 7].

Haltung in europäischen Zoos: Die Wildform wird in rund 10 zoologischen Einrichtungen gezeigt, Zuchtformen in gegen 300. Etwa die Hälfte der Haltungen befindet sich im deutschsprachigen Raum. Für Details siehe Zootierliste.

Mindestanforderungen an Gehege: In Deutschland gibt das Kleinvogel-Gutachten des BML von 1996 für ein Paar einen Käfig mit den Mindestmaßen 80x40x40 cm (LxBxH) vor. Für jeweils 1-2 weitere Vögel ist die Grundfläche um 25% zu erweitern. Bei der Haltung in Außenvolieren muss ein Schutzraum mit einer Grundfläche von 1 m² für bis zu 20 Vögel vorhanden sein.

Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2024) ist für ein Paar ein Käfig mit den Mindestmaßen 60x35x40 cm (LxBxH) erforderlich. Für jeweils 2 weitere Vögel ist die Grundfläche um 50% zu erweitern. Den Tieren sind Volieren mit natürlicher Bepflanzung von Sträuchern, Laubgehölzen und Koniferen einzurichten, was bei den vorgegebenen Käfigmaßen nicht möglich ist. Bei Schwarmhaltung ist auf ausreichende Versteckmöglichkeiten zu achten. Eine Badegelegenheit ist erforderlich. Die Vögel dürfen ganzjährig in Außenvolieren gehalten werden, sofern ihnen ein trockener und zugfreier Schutzraum oder überdachter geschützter Volierenteil zur Verfügung steht.

Gemäß Schweizerischer Tierschutzverordnung (Stand 01.02.2024) ist für bis zu 4 Kanarienvögel ein Käfig mit einer Grundfläche von 2'400 cm²und einer Höhe von 50 cm mit Badegelegenheit vorgeschrieben, für jedes weitere Tier ist die Fläche um 500 cm² zu erhöhen

Taxonomie und Nomenklatur

Der Kanarengirlitz wurde 1758 von Carl von LINNÉ unter seinem heute noch gültigen Namen erstmals wissenschaftlich beschrieben. Die Art ist monotypisch. Im Sinne der BOHLKEN-Nomenklatur sind Zuchtformen als Serinus canaria f. domestica zu bezeichnen [2; 4].

227 048 018 027 serinus canaria tenerife KR1Kanarengirlitz (Serinus canaria) bei Las Lajas, Teneriffa © Klaus Rudloff, Berlin

 

Literatur und Internetquellen

  1. BIRDLIFE INTERNATIONAL (2018). Serinus canaria. The IUCN Red List of Threatened Species 2018: e.T22720056A132137153. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2018-2.RLTS.T22720056A132137153.en. Accessed on 14 November 2022.
  2. BOHLKEN, H. (1958)
  3. BREHM, A. E. (1882-1887)
  4. DEL HOYO, J., ELLIOTT, A. et al. (eds., 1992-2013)
  5. GRUMMT, W. & STREHLOW, H. (2009)
  6. GRZIMEK, B. (Hrsg. 1970)
  7. HAUSTIERMAGAZIN
  8. HEINZEL, H., FITTER, R. & PARSLOW, J. (1977)
  9. HERRE, W. & RÖHRS, M. (1990)
  10. KANARIEN ONLINE
  11. MARKT.DE - KANARIENVOGEL - RASSEN IM ÜBERBLICK
  12. RUHE, H. (1960)